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Keitlinghaus,Ludger (2477) - Prusikin,Michael (2567) [C02]
Bodenseecup 2007, Bayern - Baden 5:7 (1.1), 04.05.2007
[Partie-Kommentare von Keitlinghaus /Metz ]
1.e4
e6
2.d4
d5
3.e5 Weiß
überschreitet mit einem Zentrumsbauern die 4.Reihe. Aaron Nimzowitsch
hat diese Variante populär gemacht und sie trägt nun seinen Namen.
Neben dem Vorposten verfügt der Anziehende nun über langfristigen
Raumvorteil und damit verbunden über Angriffspotenzial gegen den schwarzen
König. Nimzowitsch wies richtigerweise darauf hin, dass Weiß in
der Folge nicht die Bauernkette d4/e5 um jeden Preis halten muss, wenn die
zu erwartenden Hebel c7-c5 oder f7-f6 kommen. Weiß bietet sich nach
einer Auflösung des Zentrums oft die Möglichkeit, die Felder d4
und e5 mit Figuren zu besetzen. Diese Erkenntnis, die Nimzowitsch unter anderem
in seinem Buch "Mein System" begründete, stellt nach allgemeiner Meinung
das Hauptverdienst Aaron Nimzowitschs um diese Variante dar.
3...c5
4.c3
Sc6
5.Sf3
Ld7
6.Le2 Hier kann
Weiß auch zu [6.a3
greifen. Der Läufer soll dann nach d3 gehen.]
6...Sge7
7.Sa3!? Dieser Zug,
der den Damenspringer auf ein Bereitstellungsfeld entwickelt, von dem er
sich auf ein weiteres Bereitstellungsfeld (c2) bewegen soll, um erst dann
in den Kampf einzugreifen, ist überraschend, zumal mit 7.0-0 eine solide
Alternative besteht. Der Punkt d4 ist nämlich hinreichend geschützt.
Ein Beispiel: [7.0-0
cxd4
8.cxd4
Sf5
9.Sc3 und
9...Db6 kann mit
10.Sa4 beantwortet werden.
Warum spielt Weiß also 7.Sa3? Die Antwort lautet - wie so oft im Schach
- hier: "Der Zug ist aus Erfahrung gut." Das Copyright darauf dürfte
der große Bobby Fischer haben, der dieselbe Aussage bezüglich
1.e4 traf. Schachspieler sind immer auch Empiriker.]
7...Sg6
8.h4!?
cxd4
9.cxd4
Lb4+
10.Kf1 Weiß
"opfert" die Rochade-Möglichkeit, um seinen Raumvorteil zu stabilisieren.
Auf [10.Ld2 wäre
10...Db6 gefolgt, woraufhin
Weiß vermutlich einen Bauern verlieren wird. Allerdings wäre auch
das ein "Opfer": 11.Sc2
Lxd2+
12.Dxd2
Dxb2
13.0-0
Db6
14.h5
Sge7 Deshalb ist nach
10.Ld2 die Position unklar.]
10...Le7 Bis zu
diesem Zeitpunkt spielte mein Gegner sehr schnell, offensichtlich war die
ganze Variante vorbereitet. Die Datenbanken spucken zu dieser Stellung noch
sechs Partien aus. Verweilen wir also ein wenig an dieser Stelle und prüfen
die Sachlage: Weiß hat einen Bauern zu decken auf h4. Zieht dieser
vor, so wird der schwarze Springer nach h4 gehen, das heißt, dieser
hat im Moment noch ein komfortables Ausweichfeld.
11.h5 [Bietet
sich nicht 11.g3 an, um
nach 11...0-0
12.h5
Sh8
13.h6 zu spielen? Nein,
denn auf h8 steht der Springer blendend, Schwarz wird f7-f6 spielen und den
Springer nach f7 bewegen. Schwarz befindet sich in dieser Variante keinesfalls
im Nachteil.]
11...Sh4 Der schwarze
Springer kann nicht auf das eigentlich attraktive Feld h8 ausweichen, da
dieses besetzt ist. Schade eigentlich. Auf f8 dagegen hat der Springer nichts
zu suchen, unter anderem weil er nicht nach d7 gehen kann.
12.Se1! Eine
schwierige Entscheidung, längere Zeit schien mir
[12.Sxh4
Lxh4 attraktiv, um dann
den Le2 via d3 oder b5 zu aktivieren und die Dame nach g4 zu stellen. Die
Möglichkeiten des Schwarzen sind dann aber nicht zu unterschätzen.
Weiß verliert im Zentrum an Halt. Das paradoxe 12.Se1! isoliert hingegen
den nach h4 vorgepreschten schwarzen Springer.]
12...0-0
13.Sac2 Weiß
spielt nun die merkwürdige Struktur "Sc2, Le2, Se1, Kf1", die einer
traditionellen Einschätzung entsprechend ungünstig sein sollte.
Hier liegt aber der Spezialfall vor, dass der schwarze Springer isoliert
ist und zum Angriffsziel werden kann. Der eigentlich wünschenswerte
Zug mit dem f-Bauern würde nun jeweils nach 14.g3 den auf h4 verirrten
Springer kosten.
13...Db6
14.h6 Ich versprach
mir mehr von dem Zug, übersah dabei allerdings etwas.
14...g5!? Das
Prädikat "!?" (beachtlicher Zug) bekommt diese Fortsetzung wegen des
Mutes, der erforderlich ist, um diesen wahrlich nicht standardgemäßen
Zug auszuführen. Vermutlich hatte Schwarz ebenso wie ich die folgende
Variante als ungünstig eingeschätzt:
[14...g6
15.g3
Sf5
16.g4?! (Besser
ist 16.Sf3
Ld8 mit unklarer
Stellung.)
16...Sh4
(16...Sfxd4
17.Le3
Lc5
18.b4
Sxe2
19.bxc5
Dc7
20.Dxe2
Dxe5
21.Tb1
Dc7 und Weiß
sollte ungeachtet der etwas unglücklichen Figurenstellung doch
gewinnen.)
17.Txh4
Lxh4
18.g5 Beide Seiten
übersahen jedoch den Konter
18...Sxe5!
19.Sg2
(19.dxe5?? verbietet
sich wegen 19...Dxf2#
) 19...Lxf2!
20.Kxf2
Sc4 mit besseren Chancen
für den Nachziehenden.]
15.Ld3! Droht
das Qualitätsopfer auf h4.
15...Kh8
[15...Sxd4??
16.Txh4
gxh4
17.Dg4+
Kh8
18.Dg7# ]
16.Dh5! Weiß
macht Druck und versucht die strukturellen Schwächen im schwarzen Lager
auszunutzen. Hier erwartete ich 16...Dd8 mit komplizierter und leicht besserer
Stellung für Weiß.
16...f6!? Wie
mir mein Gegner einen Tag später sagte, fühlte er sich nach 16.Dh5!
überspielt und griff eher aus Verzweiflung zu 16...f6. Die passiv wirkende
Stellung im Falle von 16...Dd8 wollte sich Prusikin nicht zumuten. Auch ich
war wegen 12.Se1!, 15.Ld3! und 16.Dh5! recht zufrieden mit meiner Stellung
und witterte wegen des hübschen Plans der Springerisolierung auch
gewinnbringenden Vorteil - leider leben wir aber im Zeitalter des Flughunds,
und ein Computer sieht mittlerweile in einigen Stellungen mehr als die weltbesten
Schachspieler. Weiß steht in der Tat besser, allerdings ist sein Vorteil
nur gering. 17.exf6
Sxd4?? Schwarz muss
mit [17...Lxf6 fortsetzen.
Nach 18.Lxg5
Sf5 verfügt er
über nur wenig Nachteil!
19.Lxf5
exf5
20.Lxf6+
Txf6 und Schwarz besitzt
gewisse Kompensation für den verlorenen Bauern.]
18.fxe7! Der Zug
kostet Überwindung, gerät doch der weiße König danach
gleich in ein Abzugsschach.
18...Txf2+
[18...Sxc2
19.exf8D+
Txf8
20.De2 ist hoffnungslos
für Prusikin.]
19.Kxf2 Weiß
setzt seinen König sieben möglichen Abzugsschachs aus! Doch keines
ist wirklich gefährlich.
19...Sxc2+
[19...Sdf5+ pariert
20.Se3 ]
20.Ke2
Sd4+
21.Kd1
e5
22.Txh4 Der isolierte
Springer wird vom Brett entfernt, was dieser "Psycho-Partie" einen thematischen
Schlusszug gibt. 1-0 |