Startseite Rochade Kuppenheim

Iljumschinow unterstützt WM in Bonn

Interview: "FIDE wäre ohne meine 15 Millionen Dollar wohl Pleite"

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, Januar 2007

 

   Kirsan Iljumschinow hat dem Match zwischen Weltmeister Wladimir Kramnik und Deep Fritz am ersten Tag seine Aufwartung gemacht. Der Präsident des Schach-Weltverbandes FIDE hielt eine kurze Begrüßungsansprache in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle und blitzte mit Organisator Josef Resch im VIP-Raum. Bevor Iljumschinow noch während der ersten Partie wieder aufbrechen musste, stellte sich das Oberhaupt der autonomen russischen Republik Kalmückien den Fragen von Hartmut Metz. Iljumschinow betonte im Gespräch, dass er die WM 2008 gerne nach Bonn vergeben würde. Passend dazu kündigten die Veranstalter vor der sechsten Partie auch weitere „Großereignisse“ in der ehemaligen Bundeshauptstadt an.

 

Frage: Herr Iljumschinow, wie bewerten Sie das Duell zwischen Mensch und Maschine?

Iljumschinow: Ich gratulierte bereits Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und dem Chef des Sponsors RAG, Werner Müller, zur Ausrichtung des Wettkampfs. Das Match ist eine hervorragende Werbung für Schach und beschert unserem Sport viel Aufmerksamkeit. Das rührt von der prinzipiellen Frage her, ob der Mensch oder die Maschine stärker ist. Außerdem sind die Leute neugierig zu erfahren, wie es um den technischen Fortschritt steht.

 

Eröffnung des Duells Mensch gegen Maschine Bonn 2006

Eine Übersetzerin (von links) übermittelt die Grußworte von Kirsan Iljumschinow bei der Eröffnung des Duells Mensch gegen Maschine. Daneben RAG-Vorstandsvorsitzender und Ex-Wirtschaftsminister Peter Müller und der amtierende Finanzminister Peer Steinbrück.

 

Frage: Wie bewerten Sie die Chancen des Menschen?

Iljumschinow: Ich denke, die Chancen stehen 60:40 für die Maschine.

 

Frage: Lassen Sie uns auf die Weltmeisterschaft in Elista zu sprechen kommen.

Iljumschinow (lacht): Mensch gegen Mensch!

 

Frage: Genau. Da ging es um natürliche menschliche Bedürfnisse. Wie empfanden Sie die Toiletten-Affäre?

Iljumschinow: Das war bedauerlich. Es handelte sich um einen historischen Wiedervereinigungskampf. Ich verstehe aber auch die Spieler: Es ging um die Weltmeisterschaft, weshalb die Nerven besonders angespannt waren. Die WM-Kämpfe sind immer wie Krieg, beide Seiten sind verfeindet und treten sich unter den Tischen. Duelle gegen Maschinen laufen da weit ruhiger ab (lacht). Die Vorwürfe schadeten dem Image von Schach – aber der Skandal war super Werbung! Allein auf unserer WM-Webseite verzeichneten wir dadurch mehr als 226 Millionen Hits. Viele Leute, die vorher nie mitgekriegt haben, dass in Elista eine Schach-WM läuft, interessierten sich urplötzlich dafür. Das ist die andere Seite der Medaille, die positive. Meine Freunde fragten mich im Scherz, ob wir die Toiletten-Affäre als Werbekampagne inszeniert haben, um die WM ins grelle Scheinwerferlicht zu rücken (lacht). Am Anfang hatten wir die BBC und das russische Fernsehen nach Elista eingeladen – doch kein Schwein kam, obwohl wir mit Engelszungen auf die TV-Stationen einredeten. Aber nach der Toiletten-Affäre war alles wie ausgewechselt. Ich stand mehrfach BBC in kalmückischen Fernsehstudios zur Verfügung und ulkte, dass bekanntlich die kalmückischen Klos sehr gut seien.

 

Frage: Und Sie haben schon neue brillante Ideen, wie die nächste WM gepuscht werden kann?

Iljumschinow: Bis Mai 2007 müssen wir uns offensichtlich etwas einfallen lassen (grinst). Da finden ja die Kandidaten-Wettkämpfe in Elista statt. Im September folgt in der „Chess City“ die Computer-WM! An gleicher Stelle, wo Kramnik und Topalow spielten, müssen die Teilnehmer dann natürlich in ihre Computer fünf Toilettengänge pro Partie einprogrammieren …

 

Frage: Auf dem Höhepunkt der Affäre eilten Sie von einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zurück von der Krim nach Elista und sorgten für eine Fortsetzung der WM-Wiedervereinigung, die vor dem Abbruch stand.

Iljumschinow: Putin konnte die Vorfälle nicht verstehen. Nachdem ich von Projekten in Kalmückien berichtet hatte, forderte er mich auf, die Probleme in Elista zu beseitigen. „Das kann doch nicht sein, dass sich zwei so intelligente Leute über Toiletten streiten“, sagte mir Putin. Ich kehrte daraufhin umgehend nach Elista zurück.

 

Frage: Aus der Ferne schien es, Sie versuchten die Interessen beider Seiten auszugleichen. Das kann man nicht von allen FIDE-Funktionären wie Surab Asmajparaschwili und Georgios Makropoulos behaupten, die Videos aus Kramniks Ruheraum an das Topalow-Team aushändigten.

Iljumschinow: Wir versuchen aber alle das Beste fürs Schach zu tun. Es geht ums Schach. Wir verhandelten drei Tage und Nächte, um keine Seite zu übervorteilen. Kramnik bezwang Topalow und ist nun FIDE-Weltmeister - und vor allem der einzige Weltmeister, weil es keine zweite Version namens Braingames oder was auch immer mehr gibt. Damit haben wir etwas erreicht.

 

Frage: Die Bulgaren werfen Ihnen nun vor, vor dem russischen Druck eingeknickt zu sein.

Iljumschinow: Das ist Quatsch. Ich bin Präsident Kalmückiens und wüsste nicht, welcher russische Druck auf mich ausgeübt werden könnte. Ich verhielt mich neutral. Für mich macht es keinen Unterschied, ob Kramnik oder Topalow Weltmeister ist – wichtig war, dass wir wieder nur einen Weltmeister bekamen. Ich war auch vor kurzem in Bulgarien, weil der dortige nationale Schachverband sein 75-jähriges Jubiläum feierte. Dabei kamen keine Probleme wegen der WM zur Sprache.

 

Frage: Auch nicht die gefundenen Kabel in Kramniks Ruheraum?

Iljumschinow: So ein Unsinn. In jeder Wand stecken irgendwelche Kabel. Das hat für mich keine Bedeutung.

 

Frage: Nochmals zu Makropoulos und Asmajparaschwili zurück: Die beiden gelten als Gauner und bescheren auch Ihnen nur Probleme. Sollten Sie die nicht einfach rauswerfen?

Iljumschinow: Ich verändere in meinem Team dadurch etwas, dass ich die Aufgaben künftig anders verteile. Jeder soll sich dann nur noch um seinen Bereich kümmern und sich ausschließlich darauf konzentrieren. Wir müssen das besser managen, das habe ich auch schon vor der Versammlung bei der Olympiade in Turin versprochen. Deshalb werde ich die Zügel im Management wieder selbst in die Hände nehmen.

 

Frage: Haben Sie auch deswegen Gespräche mit Bessel Kok geführt, um ihn trotz der verlorenen Präsidenten-Wahl als erfahrenen Manager und Organisator mit ins Boot zu holen?

Iljumschinow: Erst vor zwei Tagen trafen wir uns in Prag zum Abendessen. Ich habe ja auch schon einen Mann aus Bessels Team in meines aufgenommen mit Geoffrey Borg. Der Malteser ist auch Vizepräsident der FIDE. Auch der türkische Verbandspräsident Ali Nihat will uns helfen. Am 26. Januar treffen wir uns zu einer Vorstandssitzung in Antalya. Zudem übernahmen wir einige Punkte aus Bessel Koks Wahlprogramm. Wir möchten eine große Schach-Firma gründen, die sich um die Vermarktung unseres Spiels bemüht. Ich bot Bessel Kok den Posten als Direktor des Unternehmens an.

 

Frage: In meinem Interview mit Wladimir Kramnik wenige Tage vor dem Computer-Match betonte er, dass es Unsinn sei, die WM-Zweikämpfe abzuschaffen. Seine Argumentation, dass die großen Zweikämpfe anders als Rundenturniere auch den Laien in Erinnerung seien und die Medien weit mehr als WM-Turniere ansprächen, trifft zu.

Iljumschinow: Das unterschreibe ich inzwischen auch. Wir kehren deshalb zum Zweikampf-System zurück, sobald der laufende Zyklus abgeschlossen ist. Zunächst tragen wir die Kandidaten-Zweikämpfe im Mai aus, dann folgt die WM in Mexiko mit acht Spielern: Kramnik, Anand, Swidler und Morosewitsch sowie die vier Zweikampf-Sieger. Nach Mexiko ändern wir den Austragungsmodus. Der neue Weltmeister trifft dann in einem Zweikampf auf den Weltcup-Sieger. Beide werden in einem zweijährigen Turnus ermittelt, so dass wir jedes Jahr einen großen Wettbewerb haben.

 

Frage: Der Weltcup wird im Modus der K.o.-WM ausgefochten?

Iljumschinow: Genau, mit 128 Teilnehmern.

 

Frage: Das heißt aber auch: Obwohl er lieber auf einen Herausforderer warten würde, muss Kramnik in Mexiko mitspielen?

Iljumschinow: Exakt. Es gibt Verträge, die für alle gelten.

 

Frage: Für die Kandidaten-Zweikämpfe fanden sich wieder keine Sponsoren. Jetzt springen Sie wieder ein.

Iljumschinow: Die FIDE zahlt dafür 160.000 Dollar. Ich bezahle 380.000 Dollar.

 

Frage: Nervt es nicht, ständig der Zahlmeister zu sein?

Iljumschinow: Nein. Ich habe auch fast zwei Millionen Dollar für die Wiedervereinigung hingeblättert.

 

Frage: Ein weiterer Batzen. Wie viel haben Sie eigentlich schon ins Schach gesteckt?

Iljumschinow: Heute vor elf Jahren wurde ich in Paris zum FIDE-Präsidenten gewählt. Seitdem investierte ich mehr als 15 Millionen Dollar. Ohne diese Summe wäre die FIDE wohl Pleite gegangen. Schach ist mein Hobby, meine Kunst. Andere stecken das Geld in Bilder oder kaufen Schmuck, ich gebe es lieber dem Schachsport.

 

Frage: Sie wären aber auch heilfroh, wenn sich der Wunsch von Peer Steinbrück erfüllte, der gerne eine Schach-WM nach Bonn holen möchte. Dann müssten Sie ausnahmsweise nicht ins eigene Geldsäckel greifen.

Iljumschinow: Die Bewerbung unterstütze ich natürlich! Bonn könnte schon 2008 eine WM ausrichten.

 

Kirsan Iljumschinow, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück

Schachbegeisterte Politiker: Kirsan Iljumschinow (links) und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.


Meko 2007
Meko-Übersicht
Startseite