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Weltauswahl schlägt Russland mit 52:48

Kasparow, Kramnik brechen ein

von Harald Keilhack, September 2002

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Nr. 4291 Ralf Krätschmer, Neckargemünd
Urdruck Stuttgarter Zeitung

Schach-Aufgabe

Matt in fünf Zügen (7+8)


Die Lösung in der nächsten Ausgabe. Die Lösung der Mattaufgabe aus der vorherigen Ausgabe:










Nr. 4290 Lajos Riczu
Problemas 1964, 3. Preis

 

1.Dh3! Ke6 (1...f4 2.Sf3# ; 1...Kd4 2.Dc3# ; 1...e3 2.Dxe3#) 2.Txe4#

 

   Zur dritten Auflage des Duells Russland gegen den Rest der Welt traf sich die Elite in Moskau. 1970 in Belgrad bzw. 1984 in London hatte es freilich noch UdSSR gegen den Rest der Welt geheißen; die UdSSR gewann mit 21:19 (1970) bzw. 20½:19½ (1984).

Vieles hat sich seitdem geändert, die politische Lage ebenso wie der Zeitgeist. Dem letzteren wurde entsprochen, indem diesmal Schnellschach gespielt wurde, mit 25 Minuten plus zehn Sekunden pro Zug. Politisch der Zerfall der Sowjetunion. So hatte 1984 der Ukrainer Beljawski mit 3½/4 die entscheidenden Punkte für die UdSSR geholt, seine Landsleute Ponomarjow und Iwantschuk spielten diesmal auf der "anderen" Seite. Tatsächlich sind nur vier der Weltauswahl-Spieler nicht in ehemaligen UdSSR-Republiken aufgewachsen, nämlich Leko, Polgar (beide Ungarn), Anand (Indien) und Short (England). Zwei weitere fehlten, nämlich Adams (England) und Topalow (Bulgarien), vorgeblich aus finanziellen Gründen. Dabei waren ihre Forderungen laut Auskunft von Topalows Manager durchaus moderat.

Eine entschiedene Schwächung für die Weltauswahl. Aus diesem Grund und weil die Weltmannschaft kein Äquivalent für die Ausnahmekönner Kasparow und Kramnik zu haben schien, galt Russland als Favorit. Doch es kam anders: Die "Welt" behauptete über die Distanz einen knappen Vorsprung, gewann schließlich mit 52:48. Die Einzelergebnisse sprechen eine entschiedene Sprache:

Welt: Schirow 7 aus 10, Iwantschuk, Ponomarjow, Gelfand je 6/10, Leko 5½/10, Anand 5/9, Radschabow 5/10, Smirin 4/9, Short 2½/8, Polgar 2/7, Ersatz Asmajparaschwili 2/4, Akopjan 1/3.

Russland: Bareew, Morosewitsch je 6 aus 10, Grischuk 5½/10, Karpow, Swidler je 5/9, Dreew 4½/8, Kramnik 4/9, Kasparow 4/10, Khalifman 3½/9, Motylew 1/6, Ersatz Rublewski 3/6, Swjagintsew ½/4.

Jeder spielte eine Partie gegen jeden Spieler des anderen Teams (die gelegentlichen Reservisteneinsätze ausgenommen), also keine bestimmte Brettreihenfolge.

Kasparow verlor gegen Iwantschuk sowie die ansonsten schwachen Akopjan und Polgar; gegen Short und Radschabow entging er nur mit Glück weiteren Niederlagen. Sein einziger Sieg gelang ihm gegen Schirow, den besten Spieler des Turniers, der offenkundig sein Kasparow-Trauma nicht los wird. Kasparows WM-Nachfolger Kramnik machte es kaum besser.

Zukunftsweisend hingegen der Auftritt des 15-jährigen Aserbeidschaners Radschabow, der seine überraschende Nominierung mit frechem Spiel rechtfertigte. Hier sein gewagter Angriff gegen Karpow, der nach wie vor als eisenharter Verteidiger gilt:

 










Radschabow - Karpow

 

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.a3 Lb7 5.Sc3 d5 6.cxd5 Sxd5 7.e3 g6 8.Lb5+ c6 9.La4 Lg7 10.0-0 0-0 11.e4 Sxc3 12.bxc3 c5 13.Lg5 Dd6 14.Te1 Sc6 15.e5 Dc7 16.Dd2 Sa5 17.Tac1 Ld5 18.Df4 Tfc8 19.h4 Db7 20.Lf6 Lf8 21.Sh2 cxd4 22.cxd4 Txc1 23.Txc1 Lxg2 24.Sg4 h5 25.Se3 Le4 26.Ld1 b5 27.d5 Lxd5 28.Sxd5 exd5 29.e6 Sc4 30.Dg5 Kh7 31.Lc2 Lg7 32.Te1 Te8 33.Dxh5+ Kg8 34.Lxg6 fxg6 35.Dxg6 Te7 36.h5 Kf8 37.Lxe7+ Dxe7 38.h6 Lf6 39.h7 (39.h7 Dg7 40.h8D+ ) 1-0

 

Gegen Leko hatte Karpow aus ähnlich bedrängter Lage den vollen Punkt geholt.

 










Schirow - Motylew

 

1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5 d6 4.Sf3 Sxe4 5.Sc3 Sxc3 6.dxc3 Le7 7.Lf4 0-0 8.Dd2 Sd7 9.0-0-0 Sc5 10.Le3 Le6 11.Kb1 a6 12.Sd4 Ld7 13.f3 Te8 14.h4 Sa4 15.Lg5 b5 16.Ld3 Sb6 17.Df4 c5 18.Sf5 Lxf5 19.Lxf5 d5 20.The1 g6 21.Lh3 Lxg5 22.hxg5 Te7 23.Lg4 De8 24.Th1 Df8 25.Df6 Sd7 26.Lxd7 Txd7 27.Txh7 1-0

 

Russlandmeister Motylew zeigte sich Schirows initiativreichem Spiel nicht gewachsen. Am Schluss eine Kombination aus der Grundschule, Motylew wurde danach auf die Ersatzbank verbannt.

 










Akopjan - Kasparow

 

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 e6 4.0-0 Sge7 5.b3 a6 6.Lxc6 Sxc6 7.Lb2 b5 8.c4 bxc4 9.bxc4 Tb8 10.Lc3 d6 11.Sa3 e5 12.Sc2 Le7 13.Se3 0-0 14.d3 (mit ausgeglichenem und recht zähflüssigen Spiel) 14...De8 15.Tb1 Txb1 16.Dxb1 Ld8 17.Sd2 g6 18.Sd5 f5 19.exf5 gxf5?! Pseudoaktiv, besser 19...Lxf5. Man spürt die wachsende Ungeduld Kasparows, aber nach f2-f4 gerät nur das schwarze Zentrum unter Druck) 20.f4 Tf7 21.De1 Tg7 22.Sf3 Dg6 23.g3 e5 ist jetzt nicht mehr zu halten 23...Tf7 24.fxe5 f4 25.exd6 fxg3 1-0 wegen 25...fxg3 26.De8+ Tf8 27.Dxf8+!

 

Eine erbärmliche Niederlage gegen einen Spieler, den Kasparow anlässlich der WM in Las Vegas 1999 als "Tourist" tituliert hatte.


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