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Angriff ist gut, Verteidigung ist besser

Volker Wildt gewinnt erneut Berliner Politikerturnier

von Harald Fietz, Fotos aus dem Archiv Harald Fietz, Dezember 2001

mehr Schachtexte von Harald Fietz

 

   Voraussicht, Umsicht und Vorsicht seinen die drei Grundprinzipien der "Moral im Schach" meinte 1779 der Politiker Benjamin Franklin in seinem gleichnamigen Traktat. Sie bilden für ihn, der maßgeblich an der Ausarbeitung der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika beteiligt war, das Spannungsfeld, in dem sich Schachspieler und Politiker gleichermaßen auf ihren jeweiligen Bühnen bewegen. Dem Schachspiel schreibt er die Eigenschaft zu, "very valueable qualities of mind useful in the course of human life" herauszubilden: "We learn by chess the habit of not being discouraged by present bad appearances in the state of our affairs; the habit of hoping for a favourable chance, and that of preserving in the search of resources."

   Ob unter diesen Prämissen Schachspieler gute Politiker sind, ist wenig bekannt, ob Politiker gute Schachspieler sind, wird traditionell im Spätherbst beim Berliner Politikerturnier ermittelt. Der Schachverband der Hauptstadt mit seinem Vorsitzenden Alfred Seppelt an der Spitze lädt seit 1979 zu diesem Wettstreit der Köpfe mit gewählten Volksvertretern und Staatsdienern ein. Was vor 22 Jahren lt. Mittelungsblatt des ausrichtenden Verbandes als "kleine Arabeske" mitten im Berliner Wahlkampf mit acht Politikern - darunter auch Richard von Weizsäcker - begann, ist im Jahre 2001 zu einem gutbesuchten Open der Politikprominenz geworden. Zwar konnten nicht alle Eingeladenen den Termin wahrnehmen, doch gab es mit 46 Teilnehmern einen Beteiligungsrekord. Die politische Szene taucht ohnehin zunehmend ins gesellschaftliche Leben der rund um die Uhr geöffneten Spree-Metropole ein - man traf sich auch bei dieser Schachveranstaltung interessenübergreifend und pflegte den Gedankenaustausch abseits des Regierens, Repräsentierens und Verwaltens.

   Nach dem 11. September sollte ein Zeichen gesetzt werden: Botschaftsvertreter aus in Konflikte involvierte Staaten mischten sich bereitwillig unter die nationalen und lokalen Politgrößen jeglicher Couleur. Der Gesandte der amerikanischen Botschaft, Brian Flora, sowie der erste Sekretär der afghanischen Botschaft, Abdul-Jabar Jawid, die später jeweils drei Punkte erzielten, waren ebenso präsent, wie der Militär-Attache der albanischen Botschaft, Bequir Skreli (4,5 Punkte), und der makedonische Botschafter, Goran Rafajlovki (5 Punkte). Während der albanische Vertreter seine Frau und Kinder zum Kiebitzen mitbrachte, versetzte der Botschafter seine Bodyguards und die Botschaftssprecherin mit seinem Spieleifer in permanente Bereitschaft - nur zu gerne wurde nach der Schnellpartie noch eine Blitzpartie nachgeschoben.

   Für den offiziellen Wettbewerbsteil hatte sich der Ausrichter eine Neuerung einfallen lassen, die nicht überall auf Zustimmung traf. Man unterteilte das Feld in drei Gruppen ("Profis 1" über mit Wertungszahlen über 2000 DWZ oder ELO, "Profis 2" mit Wertungszahlen unter 2000 und "Amateure", die keine Vereinsmitglieder sind). Nur wenn Spieler aus der gleichen Gruppe gegeneinander spielten, hatte jeder 10 Minuten zur Verfügung. Ansonsten gab es gegen P1 und P2 Zeitvorgaben, die zwischen vier und acht Minuten schwankten. Dieser Faktor wurde einigen Gewinnstellungen zum Garaus und frühere Sieger, wie der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel und Thomas Delling, Bürgermeister von Hoyerswerda, äußerten ihren Unmut über "zu extreme" und "unsportliche" Verzerrungen.

   Mit Feuereifer waren dennoch alle dabei - auch zwei hochrangige Repräsentanten, die dem Turnier schon lange die Treue halten: Otto Schily und Wolfgang Thierse mussten zwar nach fünf Runden wegen anderer Verpflichtungen aussteigen, aber bis dahin boten sie Schach mit allen Facetten der Passion. Als der Innenminister kurz von 11 Uhr eintraf, war dies das Signal zum Beginn. Ein Politikerturnier ohne den SPD-Politiker ist fast undenkbar. Nicht nur in seiner Funktion als Verantwortlicher für den deutschen Sport repräsentiert Otto Schily das Schach bei vielen Anlässen, auch als Privatperson setzt er sich seit 1987 in Berlin an die 64 Felder. Heuer hatte er zwar nur drei Stunden Zeit, aber solange blieb Brett eins fest in Ministerhand, denn der Start gelang mit 3,5 Punkten aus vier Partien überaus gut.

 

Voraussicht - Der Innenministers bereitet stets den direkten Zugriff vor

   Oft wird behauptet, dass Verhaltensweisen aus einem professionellen Bereich auf andere Tätigkeiten abfärben. Beim früheren Anwalt und jetzigen obersten Chef der Polizei scheint Voraussicht mit den weißen Steinen regelmäßig Postierung des Läufers auf c4 zu bedeuten. Von dort ist ein klarer Wirkungsbereich definiert - der direkte Zugriff auf der Diagonalen nach e6, f7 oder g8. Ob in offenen Spielen oder im Sizilianer, die Figur von f1 macht zunächst ihren Weg nach c4. Die Beweisführung soll schließlich offensiv vollzogen werden.

   In Runde drei kam das "Patent Schily" erneut zur Anwendung. Das Duell mit dem albanischen Gast, der ebenfalls eine Vorliebe für Angriffsschach hat, enthielt besondere Brisanz und hinterher fand ein sichtlich gutgelaunter Sieger eine witzige Analogie: "Hier trafen Militärstrategie auf Polizeistrategie, aber Sie wissen ja, dass das häufig ineinander über geht. Insofern waren wir beide mit den gleichen Mitteln ausgerüstet." Ein genauer Blick offenbart allerdings, dass im 25. Zug unerwartete Wendungen übersehen wurden.

 

Herwig Haase gegen Otto Schily

Herwig Haase, früherer Parlamentspräsident des Berliner Abgeordnetenhauses (li.) gegen Bundesinnenminister Otto Schily

  










Schily ,O - Skreli,B [C41]
Berlin (Politikerturnier), 2001
[Fietz]

 

1.e4 e5 2.Lc4 Patent Schily! Vielleicht sollte man die Läufereröffnung nach den Innenminister umbenennen? 2...d6 3.Sf3 h6 4.0-0 Sf6 5.d3 c6 6.h3 Le7 7.Le3 0-0 8.c3 a6 9.a4 b5? 10.axb5 cxb5 11.Lxb5 Lb7 12.Lc4 Sc6 13.Sbd2 Dd7 14.Ta2 Sh7 15.De2 Kh8 16.Tfa1 f5 17.Ld5 f4 18.Lb6 g5 19.d4 g4 20.hxg4 Dxg4 21.Df1 Tf6 22.Sh2 Dg5 23.Sdf3 Dg7 24.dxe5 dxe5 25.Lxc6 [Taktisch folgerichtig war 25.Sxe5 Sxe5 26.Lxb7 Tg8 27.Ld4 .] 25...Lxc6? [Mit 25...Txc6 26.La5 Tg6 27.Lc7 Lf6 28.Ld6 Tg8 hätte Gegenspiel erzielt werden können. Jetzt geht es schnell bergab.] 26.Sxe5 Ld6 [Auch 26...Lxe4 27.Ld4 Sg5 28.Sd7 Sh3+ 29.Kh1 Tg8 30.Sf3 rettet nicht mehr.] 27.Sxc6 f3 28.Sxf3 Txf3 29.Ld4 Sf6 30.Txa6 Tg8 31.Ta8 Dxg2+ 32.Dxg2 Tf4 33.Txg8+ [33.Dxg8# wäre der sinnigere Abschluß!] 1-0

 
   Entschlossen legte Schily auch seine Partie gegen den späteren Sieger an, obwohl sich der Läuferzug nach c4 diesmal unmittelbar als Tempoverlust herausstellt. Gerade als er eine ausgeglichene Stellung erreichte, ereilte ihn das leidige Schicksal des Amateurs - die Unachtsamkeit.

 










Schily,O - Wildt,V [B20]
Berlin (Politikerturnier), 2001
[Fietz]

 

1.e4 c5 2.Lc4 e6 3.Sf3 d5 4.exd5 exd5 5.Lb5+ Sc6 6.0-0 Le7 7.Lxc6+ bxc6 8.h3 Sf6 9.c3 0-0 10.d4 c4 11.Lf4 Lf5 12.Sbd2 Ld6 13.Lxd6 Dxd6 14.Te1 h6 15.Te3 Tab8 16.b4 a5 17.a3 Ta8 18.Tb1? [Nach 18.Se5 axb4 19.axb4 gibt es keine Probleme.] 18...Lxb1 "Das sind die typischen Flüchtigkeitsfehler," haderte der Innenminister. Bis zu diesem Zeitpunkt wirkte er selbstbewußt - nun bringt der Vorjahressieger die Sache problemlos über die Bühne. 19.Dxb1 axb4 20.axb4 Ta3 21.Sh4 Tfa8 22.Df5 Ta1+ 23.Sf1 Dd7 24.Dxd7 Sxd7 25.Tg3 g6 26.Sf3 Tc1 27.S3d2 Sf6 28.Kh2 Taa1 29.Tf3 Se4 30.Sxe4 dxe4 31.Tf6 Txf1 32.Kg3 e3 und Schwarz gewann in wenigen Zügen. 0-1

 
   Ähnlich wie das Brett des Innenministers blieb der Tisch des Parlamentspräsidenten ein Ort von besonderem Interesse.

 

Umsicht - Der Parlamentspräsident findet meist einen Ausweg

   Der Parlamentspräsident des deutschen Bundestages ist rangmäßig der zweite Mann im Staat. Er regelt die Geschäfte des ganzen Hauses, d. h. seine Aufgaben sind entsprechend umfangreich und erfordern größtmögliche Umsicht. Wolfgang Thierse ist für seine konsensbildenden Fähigkeiten bekannt - kaum einer hätte ihn aber als ausgebufften Schachzocker erwartet. Mit einer Mischung aus Bauernschläue und Einbeziehung aller Faktoren der Kampfführung holte er volle Punkte, die die Stellungen nicht unbedingt hergaben. Gegen Michael Martens von Parteivorstand der Bundes-Grünen wurde urplötzlich ein Läufer auf h3 geopfert. Auch wenn die Angelegenheit sich bei exaktem Spiel als nicht stichhaltig erwiesen hätte, eine psychologische Finesse in einer Zehn-Minuten-Schnellpartie ist allemal gut und wer gewinnt, hat schließlich Recht.

 

Wolfgang Thierse

Bundestagsparlaments-Präsident Wolfgang Thierse vor der Schach-Tat

 










Martens,M - Thierse,W [C44]
Berlin (Politikerturnier), 2001
[Fietz]

 

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Lc5 4.d3 Sf6 5.Le3 d6 6.Le2 0-0 7.0-0 Le6 8.Dd2 b6 9.b3 Lb4 10.a3 Lc5 11.Lxc5 bxc5 12.Sb5 a6 13.Sc3 h6 14.Tab1 Tb8 15.Tb2 Dd7 16.Tfb1 Sg4 17.h3 Sf6 18.Sh4 Lxh3 19.gxh3 Dxh3 20.Sg2 [Nach 20.Sf5 Sg4 21.Lxg4 Dxg4+ 22.Sg3 (22.Kf1 Dh3+ 23.Ke2 Dh5+ 24.f3 Dh2+ 25.Kd1 Dh1+ 26.De1 Dxf3+ 27.De2 Dxe2+ 28.Sxe2 hat Schwarz drei Bauern für den Springer.) 22...Sd4 23.Kg2 Sf3 24.De3 Sh4+ 25.Kf1 f5 ist der Ausgang völlig offen.] 20...Sd4 21.De3 Sxe2+ 22.Dxe2 [Auf zum Staatsbegräbnis erster Klasse! Richtig war 22.Sxe2 und die schwarze Dame muss zurückweichen, ohne dass Kompensation für die Figur vorhanden ist.] 22...Sg4 23.f3 Dh2+ 24.Kf1 Dh1# 0-1

 
   Ungleich schwieriger gestaltete sich die Situation gegen Herwig Haase, den früherer Parlamentspräsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses. Dieser packte wieder einmal sein originelles 1.f4 aus; parkte aber frühzeitig einen Mittelbauern ein. Entgegen der Eröffnungsroutine - die Entwicklung abzuschließen - eroberte Thierse kleinmütig den b2-Bauer, was Weiß dauerhaft Gegenchancen einräumte. Enger und enger drückten die weißen Figuren gegen die schwarze Stellung - ab Zug 30 wurden beide Restbedenkzeiten knapp. Ein erstklassiges Drama völliger Schachintensität nahm seinen Lauf. Haase suchte aufwendig einen Weg, mit der plötzlichen Mehrfigur den Coup de Grace zu finden. Thierse realisierte, dass nur komplizierte - teilweise unsinnig-verwirrende - Züge helfen konnten: Stein um Stein wurde - nicht immer regelgerecht - abgegeben, Hauptsache den Gegenüber beschäftigen. Clever wie ein versierter Clubspieler behielt der höchsten Mann in Parlament umsichtig beide Flügel und die Uhr im Blickfeld und reklamierte sofort, als die Platte fiel!

 










Haase,H - Thierse,W [A03]
Berlin (Politikerturnier), 2001
[Fietz]

 

1.f4 d5 2.Sf3 Sc6 3.e3 Lf5 4.Lb5 Dd7 5.0-0 a6 6.La4 Sf6 7.d3 g6 8.Sc3 Lg7 9.e4? dxe4 10.dxe4 Dxd1 11.Txd1 Sxe4 12.Sxe4 Lxe4 13.Sg5 Lf5 14.Le3 Lxb2 Mit der Rochade hätte Schwarz die Entwicklung abgeschlossen und der Mehrbauer garantiert ruhige Zeiten. Jetzt erlangt Weiß Gegenspiel. 15.Tab1 b5 16.Txb2 bxa4 17.Tb7 Tc8 18.Td5 0-0 [Bequemer war 18...h6 19.Sf3 Sd8 20.Ta7 Lxc2 21.Tc5 Le4 .] 19.c3 e6 20.Tc5 Sd8 21.Ta7 Te8 22.Txa6 Sb7 23.Tcc6 Lc2 [Der einfache Gewinn war greifbar: 23...Ld3 24.Ta7 (24.Txa4 Lb5 ) 24...Lb5 . Nun ist Weiß am Drücker.] 24.Ta7 Sd8 25.Tcxc7 Txc7 26.Txc7 Lb1 27.a3 Lc2 28.Ld4 Lb3 29.Lf6 Tf8 30.Td7 Sc6 Weiß hatte noch drei Minuten Restbedenkzeit, Schwarz nurmehr zwei Minuten. 31.Tc7 Lc4? [Schwarz sitzt tief in der Patsche: 31...Ld5 32.c4 ; oder 31...Sa5 32.Le7 Ta8 33.Ld6 Schwäche f7!] 32.Txc6 Ld5 33.Tc7 h6 34.Sf3 Lb3 35.Se5 Ld5 36.Le7 Te8 37.Lb4 Kh8 38.Sxf7+ Kh7 39.Sd6+ Kh8 40.Sxe8 Lb3 und nun ereignete sich eine beiderseitige Schachblindheit. Weiß schlug regelwidrig mit dem Springer den g6-Bauern und frass bis auf den a4-Bauern das gesamte schwarze Material. Doch dann ereilte ihn die Zeitüberschreitung - clever ausgenutzt von höchsten Mann in Parlament! 0-1

 
   Trotz dieser Komödie der Irrungen gaben sich beide Seiten zufrieden mit dem Kampfgeist, weil sich nach solch einem intellektuellen Gedanken-Ping-Pong für jeden Schachspieler - gleich ob Gelegenheitsspieler oder regelmäßig Praktizierender - zunächst ein befriedigendes Gefühl des intensiven Kraftakts einstellt. Für das Eingreifen um den Titel reichte diese Mischung aus Umsicht und Glück freilich nicht aus.

 

Vorsicht - Titelaspiranten hätten mehr davon gebraucht

   „Der bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht," meint Shakespeares König Heinrich IV. Ebenso versuchten sich die potentiellen P1-und P2-Kandidaten auf den Gesamtsieg, wacker zu schlagen - auch wenn der bessere Teil in Zeitnotschlachten häufig auf der Strecke blieb. Doch wie nicht anders zu erwarten, findet man auf den ersten fünfzehn Plätzen Spieler, die ihrem Hobby in Verein frönen. Dabei meldeten sich fünf Kommunalpolitiker in der Kategorie über 2000 DWZ - der spätere Zweitplatzierte Guntram Althoff aus dem hessischen Eltville sorgte für etwas Aufregung, da er seine DWZ von 1947 statt seiner Elo-Zahl von 2147 anführte und dadurch als P2 Zeitvorteile erhielt. Aber schließlich ging es um keine Weltmeisterschaft und die Spielstärken zwischen 1900 und 2200 sind ohnehin fließend.

   Ein gutes Beispiel hierfür ist Mike Huster, thüringischer Landtagsabgeordnete der PDS, der mit einer DWZ von 1913 beim VfL 1990 Gera in der Thüringen-Liga aktiv ist. Er spielte sich schnell in den Anwärterkreis und hätte gegen den Sieger von 1997 und 1998 in Führung gehen können. Jens Beutel hat in diesen Jahr beim Umzug der Chess Classic von Frankfurt nach Mainz seine Unterstützung für das königliche Spiel unterstrichen. Obwohl die eigene Spielpraxis unter dem zeitlichen Aufwand für das OB-Amt leidet, merkte man, dass der ehemalige Oberliga-Spieler noch die Qualitäten besitzt, gegen zu halten. Nach einem Eröffnungslapsus war das bitter nötig. Huster allerdings schlitterte in Zeitnot, übersah mit einem Impulsivzug, die Kontrolle der Grundlinie zu gewährleisten und fügte sich ein unvermeidliches Dauerschach.

 

Jens Beutel

Der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel

 










Huster,M - Beutel,J [D81]
Berlin (Politikerturnier), 2001

 

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.Db3 dxc4 5.Dxc4 Lg7 6.e4 Sc6 Der Mainzer OB betritt bereits früh unbekanntes Terrain. 7.Sf3 Lg4 8.Le3 Sd7 9.Td1 Lxf3 10.gxf3 Sb6 11.Dc5 Dd6?! 12.Sb5! Dxc5 13.dxc5 0-0 Schwarz muss bereits eine Figur geben! 14.cxb6 axb6 15.Sxc7 Txa2 16.Lc4 Txb2 17.0-0 Se5 18.Ld4? [Nach 18.Ld5 Sxf3+ 19.Kg2 Sxh2 20.Kxh2 Le5+ 21.Kg2 Lxc7 hat Schwarz genügend Kompensation.] 18...Sxc4? [Nach 18...Sxf3+ 19.Kg2 Sxd4 gewinnt Schwarz die Figur zurück und hat drei Mehrbauern.] 19.Lxb2 Sxb2 20.Td7 Sc4 21.Txe7 Se5 22.Kg2 Lf6 23.Te8 Txe8 24.Sxe8 Le7 25.Tc1 Sc6 26.f4 h5 27.Sc7 Ld6 28.Sd5 b5 29.e5 Lf8 30.Kf3 b4 31.Ke4 Kg7 32.f5 gxf5+ 33.Kxf5 b3 34.Tg1+ Kh6 35.Sf6 Sd4+ 36.Ke4 Sb5 37.Kd3 Lc5 38.Kc4 Lxf2 39.Tg2? [Die simple Lösung lautet 39.Tf1 Ld4 (Hier ist 39...b2 40.Kxb5 Ld4 41.Sd7 nur Zugumstellung.) 40.Sd7 b2 41.Kxb5 .] 39...b2 40.Sg8+ Kh7 1/2-1/2

 
   Thomas Delling zeigte sich auch in diesem Jahr ambitioniert. Obwohl er in der dritten Runde Volker Wildt von der Schippe springen ließ, hielt er Anschluss an die Spitze. Die nachfolgende Partie stellte rückblickend das Spiel um den Bronzerang dar. Und es kam wie im richtigen Leben: Wer seine Chancen verpasst, wird dafür bestraft.

 

Thomas Delling

Der Sieger von 1999: Thomas Delling, Bürgermeister von Hoyerswerda

 










Delling,T - Lomer,E [D02]
Berlin (Politikerturnier), 2001

 

1.d4 Sf6 2.g3 d5 3.Lg2 c6 4.Sf3 Lg4 5.0-0 Sbd7 6.b3 Lxf3 7.Lxf3 e6 8.Lb2 Ld6 9.Sd2 0-0 10.e4 dxe4 11.Sxe4 Sxe4 12.Lxe4 Sf6 13.Lg2 De7 14.Dc1 Tfd8 15.c4 Lb4 16.a4 Td7 17.Dc2 Tad8 18.Tad1 c5 19.dxc5 Td2 20.Txd2 Txd2 21.Dc1 Dxc5 22.Lc3 [Nichts sprach gegen 22.Lxf6 gxf6 23.Lxb7 mit Bauerngewinn.] 22...Lxc3 23.Dxc3 Td7 24.b4 Dd6 25.c5 Dc7 26.h4 [Die Gelegenheit taktisch zu glänzen war da: 26.Lxb7! Td8 (26...Dxb7 27.c6 Dc8 28.cxd7! ) 27.Lg2 .] 26...h5 Immer noch ging der Einschlag auf b7. 27.Tc1 Sg4 28.b5 Td8 29.Lf3 Se5 Nun konnte Weiß sich aussuchen, ob er sich auf b7 oder h5 bedient. Auch einen Zug später stand b7 noch ein. 30.Le4 g6 31.De3 Sg4 32.Dc3 b6 33.c6 Td6 34.Lf3 Sh6 35.Tc2 Sf5 36.Td2 Se7 37.De5 [Warum nicht direkt zum Ziel? 37.Txd6 Dxd6 38.c7 Sc8 39.Lb7 Dd7 40.Dc6 .] 37...Sc8 38.Txd6 Sxd6 39.g4 hxg4 40.Lxg4 Kf8 41.h5 gxh5 42.Lxh5 Ke7 43.Dg5+ Kf8 44.Dh6+ Ke7 45.Dg7 Ke8 46.Dg8+ Ke7 47.Da8 Kf6 48.Le2 Se4 49.Db7 [Nach 49.Dh8+ Ke7 50.Dh4+ Sf6 51.Kg2 De5 Noch ist nichts verloren. Jetzt hat Weiß überzogen und Schwarz kann zuschlagen.] 49...Df4 50.c7 Dxf2+ 51.Kh1 Sg3# 0-1

 
   Angesichts der schwankenden Leistungen seiner Konkurrenten konnte Volker Wildt, der Fraktionssprecher der Unabhängigen Bürgergemeinschaft aus dem bayerischen Gauting, ungehindert durchmarschieren. Ihn half nach eigener Aussage das bewährte Motto, "Durch Aufgabe ist noch nie eine Partie gewonnen worden". Mit Glück rettete er zwei halbe Punkte in verlorenen Turmendspielen gegen Delling und Althoff und kritische Phasen, die teilweise aus der krassen Zeitregelung 6:14 Minuten entstanden, konnten ebenfalls überstanden werden. Unter dem Strich gewann der Spieler, der diesmal die wenigsten Fehler machte und die besten Nerven hatte. Dennoch schätzt der Sieger seinen zweiten Sieg in Folge höher ein, weil die Spielstärke in der Spitze deutlich besser war. Künftig könne er sich allerdings vorstellen, dass die Vereinsspieler und die Gelegenheitsspieler in zwei Gruppen antreten. Dann sollte auch die Klassifizierung der Spieler mit DWZ entfallen und die Bedenkzeiten könnten identisch sein.

   Mit dem ungewöhnlichen Zeithandicap erreichten diesmal viele Partien das Niveau von Blitzpartien. Wer angriff, verrannte sich oft im Variantenwust, wer verteidigte, hatte es leichter, Verwirrung zu stiften. Vielleicht würde Benjamin Franklin heute ein psychologisches Prinzip stärker betonen, welches häufig in der Politik und auch auf dem Schachbrett weiterhilft - die Zuversicht in die unmittelbar nächste Aufgabe setzen. Auch wenn es nur jene ist, die kurzfristig von Augenblick zu Augenblick Lösungen bietet.

 

Endstand "Politiker spielen Schach" 2001 (9 Runden Schweizer System)

1.

Volker Wildt

Gauting Gemeinderat Unabh. Bürgergemeinschaft 8,0 49,0

2.

Guntram Althoff

Eltville Stadtrat Bündnis 90/Grüne 7,5 51,0

3.

Edmund Lomer

Eckernförde Ratsherr CDU 7,0 49,5

4.

Mike Huster

Gera Mitglied des Landtags PDS 6,5 50,5

5.

Thomas Delling

Hoyerswerda Bürgermeister SPD 6,0 54,0

6.

Heinz Lanfermann

Berlin Staatssekretär a.D. FDP 6,0 52,0

7.

Hans-Heinrich Wrede

Berlin Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Globale Fragen   6,0 48,0

8.

Wolfram Zabel

Würzburg Paneuropa-Union CDU 6,0 47,0

9.

Heinz-Georg Roth

Wyk auf Föhr Bürgermeister SPD 6,0 43,5

10.

Jens Beutel

Mainz Oberbürgermeister SPD 5,5 54,0

11.

Igor Nemec

Prag Stadtrat   5,5 48,0


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