Startseite Rochade Kuppenheim

Adams findet sich wenig beeindruckend

Engländer gewinnt dennoch das Ordix Open / Teilnehmerstopp verhängt

von Harald Fietz und Hartmut Metz, Fotos Eric van Reem, Juli 2001

mehr Schachtexte von Harald Fietz


   Was als Aufwärmtraining für das Match im Fischer Random Chess gegen Peter Leko geplant war, wurde ein Triumphzug für Michael Adams. Trotz eines Ausrutschers in Runde 8 des Ordix Open gegen Alexej Drejew genügte ein Hattrick in den Schlussrunden, um mit 9,5:1,5 vor 486 Teilnehmern das Siegertreppchen in Mainz zu besteigen. Ordix-Chef Wolfgang Kögler überreichte ihm dafür die Prämie in Höhe von 10.000 Mark. Wozu anno 2000 15 Runden nicht ausreichten, als Sergej Rublewski und Michail Gurewitsch mit 12/15 nur durch die Feinwertung getrennt waren, gelang diesmal in 11 Runden: Trotz einer Steigerung der Teilnehmerzahl um 190 gab es einen alleinigen Sieger nach Punkten.

   Der Ansturm auf das Ordix Open war enorm. Als der Erste auf der Warteliste hatte der Freiburger Oberliga-Spieler Christoph Berberich noch einen Platz ergattert, weil ein Teilnehmer für ihn verzichtete. Das auf 512 Spieler ausgelegte Paarungsprogramm hatte nämlich seine Grenze erreicht. Überwältigt vom Ansturm der letzten 24 Stunden schlossen die Organisatoren der Frankfurt Chesstigers die Pforten zu den begehrten Brettern. Während die Mainzer und ihre Besucher beim Johannisfest entlang der Rheinufer ihr Vergnügen suchten, harrten schließlich 487 Schachfreunde auf den Startschuss beim bisher größten Schnellschach-Turnier auf deutschem Boden. Die Teilnehmerzahl schrumpfte unter 500, da 25 Vorangemeldete ihren Startplatz letztlich doch nicht wahrnahmen. Mit 122 Titelträgern wies das Feld Masse wie Klasse auf: 37 Großmeister, 40 Internationale Meister, 39 Fide-Meister, zwei Großmeisterinnen und vier Internationale Meisterinnen mischten sich unter die Schnellschach-Gemeinde. Mit 19 Spielerinnen lag der Frauenanteil bei nur vier Prozent.

Ketino Kachiani-Gersinska

Ketino Kachiani-Gersinska

 

Jessica Nill

Jessica Nill

 

   Wie bei seinem souveränen Masters-Erfolg im vergangenen Jahr zeichnete Adams seine Hartnäckigkeit aus, die es dem Londoner ermöglichte, in den letzten drei Runden in entscheidenden Situationen die Nerven zu behalten. Leonid Gofshtein, Konstantin Landa und Jewgeni Agrest bekamen es zu spüren. „Es war nicht gerade beeindruckend, was ich hier zeigte. Ich spielte eineinhalb Monate nicht mehr und bereitete mich auf das Match im Fischer Random Chess vor. Ins Schnellschach kommt man dann viel schwerer rein als ins klassische Turnierschach", erzählte Adams. „Nach der Niederlage gegen Drejew dachte ich, alles sei vorbei. Die Partie gegen Landa war meine beste. Ich besaß leichten Vorteil und drückte ihn vom Brett. Die letzte Begegnung erinnerte mich schon ans Fischer Random, weil die Partien wild über die Felder verteilt waren. Dabei gelang mir ein netter Schluss."

Michael Adams gegen Jewgeni Agrest

Michael Adams gegen Jewgeni Agrest

 

   In der letzten Runde hatte es einzig der St. Petersburger Peter Swidler in der Hand, Co-Sieger zu werden. Doch wie beim Ordix Open 2000 machte ihm sein Landsmann Rublewski mit den weißen Steinen einen Strich durch die Rechnung. „Das ist immer ein mords Problem, wenn man bei einem Open nicht in der letzten Runde gewinnt. Das Remis in der ersten Runde gegen einen Außenseiter machte gar nichts. Gohil spielte in der Kurzpartie ganz gut. Mein Ergebnis stellt kein Desaster dar, aber richtig gut war ich auch nicht. Vor allem gegen Sergej spielte ich wie ein Idiot. Er liegt mir nicht. Wenn ich ihn attackiere, was ich musste, um das Turnier zu gewinnen, kontert er mich eben mit seinem soliden Repertoire aus. Ich gönne ihm aber den Sieg, denn er ist ein Freund von mir", sprach der Weltranglistenzwölfte Swidler und versuchte gleich in ein paar Blitzpartien Revanche zu nehmen. Dabei hatte er auch mal ab und an Weiß, was ihm angeblich in den bisher 25 Partien aller Sparten gegen Rublewski erst zweimal vergönnt war (die Chessbase-Megabase spuckt bei den Turnierpartien ein Ungleichgewicht von 7:1 aus)! Rublewski rechnete nicht damit, seinen Vorjahreserfolg zu wiederholen. „Ich bin mit dem vierten Platz sehr zufrieden. Peter liegt mir. Ich habe jetzt +3 gegen ihn", berichtete der russische Olympiade-Sieger. Das Ordix Open findet er nicht nur wegen der Besetzung „erstaunlich". Rublewski amüsierte vor allem, dass drei seiner Begegnungen mit einem Dauerschach endeten.

ELO-Power bei der Analyse

ELO-Power bei der Analyse

 

   So teilte ein Quintett das Preisgeld hinter dem Weltranglistenvierten. Hätte man Großmeister wie Vadim Milov, Rublewski, Igor Glek und Eric Lobron gefahrlos als potenzielle Kandidaten für einen Spitzenplatz tippen können, so überraschte das gute Abschneiden von Oleg Eismont. Der Internationale Meister aus Lübekke teilte mit dem Vorjahressieger Rublewski mit 9 Punkten nach Feinwertung den Bronzerang. Mit 5/6 erwischte er einen glänzenden zweiten Tag. Dabei besiegte er Stefan Reschke, Alexander Morosewitsch, Normunds Miezis sowie Igor Khenkin, der die teure Schlussrunden-Niederlage erstaunlich gelassen nahm, und teilte die Punkte mit Leonid Gofshtein und Rustem Dautov. Lobron freute sich unbändig, nachdem er den tief enttäuschten Wladimir Epischin in der letzten Runde niedergerungen hatte. Nur noch zwölf Sekunden waren dem Russen aus Wismar verblieben, dem Wiesbadener 23, als er mit einem Matt den Status des besten Deutschen eroberte. Lobron vergaß im Überschwang der Gefühle, sein Resultat zu melden - als er das viel später bemerkte, war es aber schon längst von der aufmerksamen Turnierleitung notiert. Epischins Unglück bekam später Wladimir Kramnik noch zu hören. Geduldig ertrug der Braingames-Weltmeister, der die Siegerehrung übernahm, das Klagelied seines russischen Landsmannes - wohlwissend, wie schmerzhaft solche Niederlagen für jeden Spieler sind.

Wladimir Epischin

Wladimir Epischin

 

   Sehr zufrieden zeigte sich Vadim Milov. „Ich hatte Auslosungsglück, weil ich in der vorletzten Runde gegen Jefim Rotstein kam, dann in der letzten Runde gegen Gerd Euler", spielte der Wahl-Schweizer auf die günstigen Paarungen gegen Akteure mit deutlich niedrigeren Ratingzahlen an. Die Bildzeile im Turnierbuch des Vorjahres, „Premiere der Top Ten!", wertete er dabei als vollkommen korrekt: „Ich bin nicht giftig genug. Das galt auch diesmal wieder", bemerkte Milov schmunzelnd, nachdem er erneut knapp am ersten Rang vorbeischrammte.

Vadim Milov

Vadim Milov

  

   Hinter den ersten Sechs kamen elf Spieler mit 8,5 Punkten durchs Ziel, wobei nur der Mühlheimer IM Daniel Hausrath auf Platz 17 in die Phalanx der Großmeister einbrechen konnte. Vor ihm teilten sich die Profis in folgender Reihenfolge die Prämien: Alexej Drejew, Jewgeni Agrest, Wladimir Baklan, Michail Saltajew, Peter Swidler, Klaus Bischoff, Igor Rausis, Andrej Schchekaschew, Aleksei Barsow und Leonid Gofshtein. Mit 8 Punkten und den besten Wertungszahlen erwischten noch Wladimir Epischin, Igor Khenkin und Alexander Morosewitsch einen Krümel des Preiskuchens. „So kann ich nie Weltmeister werden", haderte der Weltranglistenfünfte mit seiner Schnellschach-Schwäche. „Ich wollte zumindest wieder zurück in die Top 100 in der Schnellschach-Rangliste - jetzt falle ich noch weiter zurück", stellte Morosewitsch fest.

Letzte Runde im Ordix Open 2001

Die letzte Partie der letzten Runde im Ordix Open 2001 interessierte viele Kiebitze

 

   Aber das Ordix Open zog dank der 45.000 Mark Preisgeld nicht nur die berufsmäßigen Brettstrategen nach Mainz. Erfreulich viele Enthusiasten fanden den Weg an die Spielstätte am Rhein - konnte man doch neben dem Drumherum mit weltmeisterlichen Simultanvorstellungen auch einen der zahlreichen Ratingpreise anvisieren. Insgesamt 61 Preise wurden ausgeschüttet. Bei den Damen überflügelte Bettina Trabert mit 7 Punkten in der zweiten Turnierhälfte ihre Großmeister-Kollegin Ketino Kachiani-Gersinska, die zusammen mit der drittplatzierten Gisela Fischdick 6,5 Punkte auf ihrem Konto verbuchte. Bei den Senioren setzte sich der Zweikampf des Vortags fort: Nur ein halber Feinwertungspunkt trennte schließlich Jefim Rotstein und Wolfgang Unzicker, die beide 7 Punkte erzielten. Der dritte Preis in dieser Kategorie ging an Leonidis Bubis mit 6,5 Punkten.

   Auch bei den weiteren Ratinggruppen ging es eng zu: Der Endstand der Wertungszahlen 2201-2400 wies gleich vier Spieler mit 8 Punkten aus - Josef Gheng, Georgios Souleidis, Petr Neumann und Andrej Orlow belegten hier die ersten Plätze, während Markus Schäfer wertungsbester Spieler in der Gruppe der Spieler mit 7,5 Punkte war. Genau diese Punktzahl reichte, um in der Ratingkategorie 2001-2200 die beiden vorderen Plätze zu erreichen. Jürgen Kaufeld und Erich Zweschper waren die Glücklichen. Bei den Vereinsspielern mit einer nationalen Wertungszahl zwischen 1751 und 2000 konnte Michael Ziegler mit 6,5 Punkten das erste Preisgeld in Empfang nehmen. In der Gruppe bis 1750 DWZ genügten Florian Armbrust 5,5 Punkte zum ersten Platz.

   Spezielle Anreize gab es auch bei den Jugendlichen. Michael Künitz genügten drei Punkte, um die Kategorie U10 zu gewinnen. Bei der U14 musste die Feinwertung entscheiden, da die drei Besten - Georg Meier, Jens Koller und Florian Armbrust - alle bei 5,5 Punkten einkamen. Da Florian Armbrust bereits in der Gruppe bis 1750 DWZ vorne lag, rutschte Lars Eberspach vom Ausrichter Frankfurt-West nach. Eine klare Sache war die U16-Gruppe, in der der angehende Großmeister Arkadij Naiditsch deutlich mit 8 Punkten und Platz 37 obsiegte. Dahinter folgten mit jeweils 5,5 Zählern Marc Mengler und Thibaud Steinle. Bei der U18 schließlich hatte Gilles Daubenfeld mit 7 Punkten die Nase vorne vor Ilja Schneider mit 6,5 Punkten und Philipp Balcerzak (6).

   Unter dem Strich erhielt damit jeder achte Teilnehmer unter den 487 Spielern einen Preis. Der neue Beteiligungsrekord zeigt, dass Schnellschach sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Ein attraktiver Spielort und die Einbettung in eine Veranstaltung mit Weltklassespielern zieht nicht nur Vereinsspieler an, sondern ganze Familien, die kiebitzen und sich vom Ambiente anstecken lassen. Sicher werden sich viele den Worten Sergej Rublewskis anschließen, für den die Rhein-Main-Region bereits im zweiten Jahr ein gutes Pflaster war. Sein Fazit fiel eindeutig aus: „Ich komme wieder!"

die Partien zum online Nachspielen


zur Figo