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Mitgetrommelt

Schachfreunde Neukölln bieten weiterhin Paroli bei der Vereins-EM

von Harald Fietz, Fotos Otto Borik, September 2001

Europacup Kreta 2001

 

   Der Werbespot des endlos trommelnden rosa Duracell-Plüschhasen symbolisiert konstante Leistungsfähigkeit. Diese Assoziation kam dem Team der Schachfreunde als Vergleich in den Sinn, als sie vernahmen, dass in der fünften Runde der Europäischen Meisterschaft für Vereinsmannschaften der mazedonische Gegner von "Alkaloid" - mutmasslich ein Unternehmen der Batterienproduktion - auf dem Programm stand. Die Spieler von Balkan gelten als ausdauernde Truppe, die häufig gewillt ist, Partien bis zur Neige auszukämpfen - Zockerqualitäten eingeschlossen. Am Vortag hatten es die Ungarn von Csuti Antal um die Großmeister Lajos Portisch und Attila Groszpeter zu spüren bekommen, als sie mit 5:1 das Nachsehen hatten. Da die Mannen aus der früheren jugoslawischen Republik kontinuierlich in identischer Besetzung mit drei Großmeistern, zwei Internationalen Meistern und einem Fide-Meister antreten, gestaltete sich die Vorbereitung nicht zu kompliziert. Trotz eines schlechteren Elo-Durchschnitt um 22 Punkte war der Tenor, dass wir durchaus mithalten können und der Ausgang völlig offen sei.

 

Schachfreunde Neukölln: Dirk Poldauf

Dirk Poldauf

 
   Blickte man nach einer Stunde auf die Bretter bestätigte sich diese Prognose nicht unbedingt. Vorne bekam ein hustengeplagter Stephan Berndt nicht den erwarteten Sizilianer, hinten parkte Henrik Rudolf bereits einen Bauern ein. Der Rest war unklar, wobei Dirk Poldauf von einem gegen ihn bislang wenig gespielten Königsinder mit vier Bauernphalanx im Zentrum überrascht wurde. Ganz auf aktives Spiel orientiert verfiel er nach eigenen Angaben in eine "Kinderkrankheit", in dem er mit g5 den Läufer auf h4 befragte, auf den weißen Feldern Schwächen schuf und seine Figuren am Damenflügel unentwickelt ließ. Diese Faktoren reichten Orce Dancevski bereits aus, um mit der Dame ungehindert auf h5 zu infiltrieren und den Läufer auf e3 ideal für die finale Zertrümmerung des Bauernschutzschild um den König aufzustellen. Der Springer von b8, der überlebensnotwendige Verteidiger, schaffte in allen Varianten nicht mehr den Sprung nach f6. Vielmehr war es Dirk als Schwarzspieler, der seinem Gegenüber in der Analyse die letzten taktischen Feinheiten der Gewinnführung offen legte. Ein Bravo auf den sich mehr und mehr zu Taktiker outenden Schachfreund, aber in der nächsten Runde wieder auf der richtigen Seite.

 

Schachfreunde Neukölln: Stephan Berndt

Stephan Berndt

 
   Doch dem Team musste nicht Bange werden. Den Rückstand nach drei Stunden glich am Spitzenbrett Stephan Berndt zwanzig Minuten später postwendend aus. Alles funktionierte für Weiß perfekt gegen die scheinbar solide sizilianische Struktur in der Sozin-Variante: große Rochade, Türme auf der d- und e-Linie, Bauernsturm am Königsflügel, Springeropfer auf e6 und Läuferpaardominanz von d3 und e3 gegen den Königsflügel. Mattführung im klassischen Sinne und Aussichten auf einen offenen Ausgang des Mannschaftsmatches. Noch vor der Zeitkontrolle nahm Martin Borriss trotz Mehrbauern Remis in komplexer Position an, denn unser bester Punktesammler, Lars Thiede zauberte bereits gegen Alexander Colovic. Da dieser ähnliche Eröffnungssysteme wie der Berliner spielt, waren wir uns nicht sicher, welche Strategie er wählen würde. In der Stunde vor der Zeitkontrolle waren solche Überlegungen bereits ad acta gelegt, denn Lars hatte einen Bauern auf f7 eingepflanzt, hinter dem der schwarze König eingeklemmt auf seine Hinrichtung warten musste - alle weißen Figuren kontrollierten Linien und Diagonalen. Selbst ein Figurenopfer, welches dem Gegner ein verbundenes Freibauernpaar auf d4 und e4 verschaffte, erwies sich als verspätet. Wir hatten die Führung erkämpft, wussten aber, dass Henrik auf verlorenem Posten stand.

 

Schachfreunde Neukölln: Rainer Polzin

Rainer Polzin

 
   Zwanzig Minuten nach der Zeitkontrolle stellte er den Widerstand ein, womit alles vom Ausgang der Partie zwischen Rainer Polzin und Großmeister Dragoljub Jacimovic abhing. Wie sich post-mortem herausstellte, verpasste Rainer in gegnerischer Zeitnot, noch intensiver zu kalkulieren. Ein Opfer Turm gegen zwei Leichtfiguren hätte im königsindischen Stellungstyp deutlichen Vorteil ergeben. Doch so musste unser "Mann für die langen Sitzungen" weiterhin vor den giftigen Mattdrohungen auf der Hut sein. Als er diese mit einem Turmmanöver beseitigt hatte und sich die Stellung durch Abtausch weiterer Bauern mehr und mehr vereinfachte, bot er völlig korrekt Remis an. Aber der mazedonische Großmeister mit reichlich Goldschmuck und Sonnenbrille im lockigen schwarzen Haar bestätigte unsere ursprüngliche Vermutung, dass heuer alles gezeigt werden muss - es könnte ja noch eine trickreiche Wendung oder eine Konzentrationsnachlässigkeit passieren. Doch gegen einen Volljuristen ist die Sache nicht so einfach. Rainer reduzierte unter Hergabe der Qualität die weißen Bauern auf Null. Die Lehrbuchstellung Turm gegen Läufer mit König in der richtigen Ecke bot keinen Grund zu Klage. Nach sechseinhalb Stunden wurde das Verfahren eingestellt - der Mannschaftskampf endete friedlich-schiedlich 3:3. Kein schlechtes Resultat, wenngleich unter Umständen ein Gewinn in Reichweite war.

   Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Begegnungen der drei israelischen Team noch in vollem Gang. Wegen des Yom-Kippur-Feiertag begannen den Auseinandersetzungen erst um 18 Uhr. Ansonsten war es der Tag der entschiedenen Matches. Norilsky Nikel bezwang Werder Bremen glatt mit 4,5:1,5. Die Hansestädter hatten am Vortag Glück gehabt, als Steffen Pedersen mit Mehrläufer und Mehrbauer keine Nerven hatte, Yannik Pelletier zu besiegen und das 3:3 perfekt zu machen. Gegen die noch verlustpunktfreien Russen erzielten Zbynek Hracek, Lars Schandorff und Sven Joachim jeweils halbe Punkte. Auf Verfolgerkurs bleibt St. Petersburg, da Gazovik knapp mit 3,5:2,5 besiegt wurde. Viktor Kortschnoi verlor überraschend gegen Valeri Filippov, aber der fünfzehnjährige Jewgeni Alekseev erklammerte mit Minusbauern im Läuferendspiel gegen Jewgeni Najer das Remis. Alexander Chalifman steuerte erneut nur ein Kurzremis - diesmal gegen Viktor Bologan - bei. Ebenfalls im Aufwind befinden sich Bosna Sarajevo (4,5:1,5 gegen die Polen aus Plock), Polonia Warschau (4,5:1,5 gegen die Österreicher von Merkur Graz) und Kiseljak (5,5:0,5 gegen die Belgier aus Eupen). Die beiden Schlussrunden versprechen damit Hochspannung auf Topniveau, denn nun treffen die geballten Großmeisterkompetenzen aufeinander. Mal sehen wer die ausdauernsten Trommler in seinen Reihen hat!

 










Stephan,B - Nedev,T [A00]
ECC 2001

 

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Lc4 e6 7.Le3 a6 8.De2 Dc7 9.0-0-0 Sa5 10.Ld3 b5 11.a3 Tb8 12.The1 Le7 13.g4 0-0 14.f4 Sd7 15.g5 Te8 16.e5 dxe5 17.Sxe6 fxe6 18.Lxh7+ Kxh7 19.Dh5+ Kg8 20.Txd7 Lxd7 21.g6 Lxa3 22.fxe5 Dxe5 23.Dxe5 Lxb2+ 24.Kb1 Lxc3 25.Dh5 1-0

 
 










Jacimovic,D - Polzin,R [A00]
ECC 2001

 

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.h3 Sa6 7.Lg5 h6 8.Le3 e5 9.d5 Se8 10.g4 f5 11.gxf5 gxf5 12.Tg1 Df6 13.exf5 Lxf5 14.Sh2 Kh8 15.Dh5 Sb4 16.0-0-0 Sc2 17.Lg5 Df7 18.Dh4 Lh7 19.Lxh6 Dxf2 20.Lxg7+ Sxg7 21.Dxf2 Txf2 22.Sg4 Tf4 23.Ld3 Sd4 24.Se2 Sxe2+ 25.Lxe2 Sf5 26.b3 Sd4 27.Kd2 Taf8 28.Tg3 a5 29.Tdg1 a4 30.Ld1 Sf3+ 31.Lxf3 Txf3 32.bxa4 b6 33.Txf3 Txf3 34.Ke2 Txh3 35.Sf6 Th6 36.Se8 Th3 37.Tg5 Th6 38.Kf3 Th3+ 39.Kg4 Th1 40.Kf3 Ld3 41.Tg4 Th3+ 42.Kg2 Th7 43.Kf2 Tf7+ 44.Ke3 Lc2 45.a5 bxa5 46.c5 dxc5 47.Tc4 Lb1 48.Txc5 Lxa2 49.Sxc7 Txc7 50.Txc7 Lxd5 51.Ta7 a4 52.Ta5 Lb3 53.Ke4 Kg7 54.Ta6 Lf7 55.Txa4 Lg6+ 56.Kxe5 Lf7 57.Tg4+ Kh8 58.Kf6 Lb3 59.Tg3 Lc4 60.Kg6 Ld5 61.Tg5 Lc4 62.Tg4 Lb3 63.Kh6 Ld5 64.Td4 Lb3 65.Td8+ Lg8 66.Td7 Lb3 67.Th7+ Kg8 68.Tb7 Lc4 69.Tg7+ Kf8 70.Tg2 Ld3 71.Kg5 Kg7 72.Td2 Lc4 73.Td7+ Kg8 74.Kf6 La2 75.Tg7+ Kh8 76.Tg4 Lb1 77.Tg3 Le4 78.Kf7 Ld5+ 79.Kf8 Kh7 1/2-1/2

 
 










Borriss,M - Bogdanovski,V [A00]
ECC 2001

 

1.e4 d6 2.d4 g6 3.Sc3 Lg7 4.f4 Sf6 5.Sf3 0-0 6.Ld3 Sa6 7.0-0 c5 8.d5 Lg4 9.Lc4 Sc7 10.h3 Lxf3 11.Dxf3 a6 12.a4 b6 13.Dd3 Dc8 14.e5 Sfe8 15.De2 Db7 16.Ta3 Td8 17.Tb3 e6 18.dxe6 fxe6 19.exd6 Sxd6 20.Lxe6+ Kh8 21.Lg4 c4 22.Ta3 b5 23.axb5 Tfe8 24.Df3 Db6+ 25.Kh2 axb5 26.Sd5 Sxd5 27.Dxd5 Sf5 28.Df3 b4 1/2-1/2

 
 










Dancevski,O - Poldauf,D [A00]
ECC 2001

 

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Lg5 h6 6.Lh4 0-0 7.f4 c5 8.d5 b5 9.cxb5 a6 10.Sf3 axb5 11.e5 dxe5 12.fxe5 Sg4 13.Lxb5 Sxe5 14.0-0 g5 15.Sxe5 Lxe5 16.Lf2 Dc7 17.Dh5 Kg7 18.Le3 Ld4 19.Tae1 De5 20.Df3 Ta7 21.Kh1 f5 22.Lxg5 hxg5 23.Txe5 Lxe5 24.De3 Lf4 25.Dxc5 Tc7 26.Dd4+ Kg6 27.Txf4 gxf4 28.Db6+ 1-0

 
 










Thiede,L - Colovic,A [A00]
ECC 2001

 

1.g3 g6 2.c4 Lg7 3.Lg2 e5 4.Sc3 Sc6 5.d3 Sf6 6.Tb1 a5 7.a3 0-0 8.b4 axb4 9.axb4 Sd4 10.e3 Sf5 11.Sge2 c6 12.e4 Sd4 13.0-0 d6 14.Sxd4 exd4 15.Se2 Se8 16.Lb2 Db6 17.Db3 Sc7 18.Lc1 Lg4 19.f3 Le6 20.Lf4 Sb5 21.Kh1 Tfd8 22.Lg5 Te8 23.Ld2 Sc7 24.Ta1 Ld7 25.Lf4 Le5 26.Txa8 Sxa8 27.Ld2 Sc7 28.f4 Lg7 29.f5 Lxf5 30.exf5 Txe2 31.fxg6 Se6 32.gxf7+ Kf8 33.Dd1 Te5 34.Le4 d5 35.cxd5 cxd5 36.Lxh7 Sg5 37.Lg8 Se4 38.dxe4 dxe4 39.Dg4 Dd8 40.Tc1 Df6 41.Dc8+ 1-0

 
 










Stojanovski,D - Rudolf,H [A00]
ECC 2001

 

1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Lg5 Sd7 5.Sf3 c6 6.Ld3 Da5 7.Dd2 e5 8.0-0 Sgf6 9.Sb5 Dxd2 10.Sxd6+ Ke7 11.Sxc8+ Thxc8 12.Lxd2 exd4 13.Sxd4 c5 14.Sb5 Se5 15.Lc3 Sxd3 16.cxd3 a6 17.Sa3 b5 18.Sc2 b4 19.Le5 Lh6 20.b3 a5 21.a4 bxa3 22.Sxa3 a4 23.Sc4 axb3 24.Tab1 Sd7 25.Lg3 Lg7 26.Txb3 Ta7 27.Tfb1 Ld4 28.Lf4 Tca8 29.Le3 Lxe3 30.fxe3 Ta1 31.Kf2 Txb1 32.Txb1 h5 33.Kf3 Ta2 34.Tb7 Ke6 35.Tc7 Tc2 36.Tc6+ Ke7 37.Ta6 g5 38.h3 Tc1 39.e5 Tc2 40.Th6 h4 41.Th5 f6 42.exf6+ Kxf6 43.Th6+ Kg7 44.Td6 Sf8 45.Tc6 Tc3 46.Txc5 Se6 47.Tc6 Kf6 48.Se5 Ta3 49.Sd7+ Ke7 50.Sc5 1-0

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