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Locker kombiniert

Schachfreunde Neukölln spielen sich ins vordere Mittelfeld

von Harald Fietz, Fotos Otto Borik, September 2001

Europacup Kreta 2001

 

   Es gibt Tage, da gelingt einfach alles. In der vierten von sieben Runden kommt es beim Schweizer System in der Regel zur Standortbestimmung - ist man oben mit dabei oder reiht sich ein für einen möglichst soliden Abgang. Mit drei Mannschaftspunkten entsprach die Ausgangssituation der Schachfreunde Neukölln in etwa den Erwartungen. Wie Cercle des Echecs Gambit Bonnevoie aus Luxemburg spielten die Berliner am Vortag gegen ein israelisches Team unentschieden. Die Spieler aus dem kleinsten Benelux-Staat hatten dabei sogar gute Möglichkeiten, ASA Tel Aviv, das mit durchschnittlich 160 Elo-Punkten vor ihnen platzierte Team, zu schlagen. Entsprechend ernsthaft gingen die Schachfreunde die Aufgabe an. Die einzige Unbekannte war dabei, ob am Spitzenbrett Elvira Berend spielt. Dies klärte sich nach dem routinemäßigen Vormittagsanruf von Otto Borik aus dem vier Kilometer entfernt gelegenen Spielerhotel. Es war diesmal Thomas Pähtz, denn die Frauengroßmeisterin ließ ihrem Mann an Brett zwei den Vortritt, da sie auf den mitgereisten Sohn aufpasste.

 

Schachfreunde Neukölln: Stephan Berndt

Stephan Berndt

 
   Diese Aufstellung sorgte für Erleichterung bei Stephan Berndt, denn einerseits hatte er einen Großmeister zum Gegner und andererseits war dieser knapp 150 Wertungspunkte besser eingestuft wie seine Mannschaftskollegin. Entsprechend motiviert ging das "Küken" ans Werk: das Remisangebot des Erfurter im 14. Zug wurde ablehnend beschieden und die Ausrichtung des Dreibauernangriffs im Pirc richtete sich auf den Königsflügel aus. Mit f5- und h5-Aufzug visierte der Jüngste im Berliner Team die Bloßlegung des schwarzen Königs an. Der Aufmarsch kostete allerdings - wie üblich - reichlich Bedenkzeit, denn man merkte erneut, dass bei unserem Elo-Stärksten im Sommer der Umzug vom Auslandsstudium in Maastricht, Geldverdienen und Spanienurlaub statt Openturniere auf dem Programm standen. Anders bei Pähtz, der routiniert auf taktische Gegenchancen lauerte. Als es für seinen König brenzlig wurde, kam die Aktion: Die schwarze Dame drang mit Schach auf die Grundlinie und verfolgte die weiße Majestät mit Dauerschachs. Wie die abendliche Analyse zwischen griechischem Salat und Souflaki ergab, verpasste Stephan rechtzeitig in paradoxer Manier die Dame nicht mit Mattabsichten beim gegnerischen König zu belassen, sondern auf g3 zum Schutz des eigenen Monarchen zurückzubringen - selbst, wenn eine Fesselung mit dem Läufer drohte. Schade, um die vergebene Chance, aber Auswirkungen auf das Gesamtresultat hatte dies nicht.

  

Schachfreunde Neukölln: Rainer Polzin

Rainer Polzin

 
   An allen Brettern wirbelten die Hauptstädter: Rainer Polzin setzte auf seine bessere Bauernstruktur gegen Trompowski von Fred Berend, Martin Borriss mixte bereits am spanischen Königssturm gegen Tim Upton, Dirk Poldauf konterte taktisch die Angriffsabsichten von Dmitry Goriachnik, Lars Thiede spielte sein bevorzugtes Konzept mit g3 und englischen Motiven und Henrik Rudolf kassierte frühzeitig einen Bauern ein. Nach 3,5 Stunden ging es Schlag auf Schlag.

 

Schachfreunde Neukölln: Martin Borriss

Martin Borriss

 
   Zeitgleich gewannen Borriss und Poldauf. Martin hatte mit e5 und f5 die schwarzen Bauern des Schotten in Luxemburger Reihen auf ungünstige Grundlinienfelder getrieben, mit dem Zug Tf4 den Schwenk auf den Königsflügel vorbereitet, um mit einem überraschenden Damenabtausch das Mattnetz vorzubereiten. Selten standen zwei Türme und zwei Leichtfiguren so völlig hilflos neben ihrem König. Das Lächeln in den Neuköllner Gesichter wurde breiter, als Dirk sich zum zweiten Mal hintereinander durch ein Taktiklabyrinth wühlte, mit Dame und Läuferpaar den weißen König bedrängte und zugleich den Weg für den vorgerückten Bauern auf c3 ebnete.

  

Schachfreunde Neukölln: Dirk Poldauf

Dirk Poldauf

 
   Die Zeitkontrolle in den drei verbliebenen Spielen war unproblematisch. Lars hatte zwar die Qualität weniger, aber es waren alle typischen Manöver gegen den König ohne Bauernschutz erkennbar - im 43. Zug brach die Stellung logisch zusammen. Henrik eroberte inzwischen eine Leichtfigur gegen einen Bauern. Die Abwicklungen gestaltete sich auch hier einfach. Alle trafen sich auf der sonnigen Analyseveranda wieder.

   Einzig Rainer drückte noch weitere zwei Stunden. Die nicht ganz genaue Verteidigung des Luxemburger erleichterte die Aufgabe. Ein schwarzer Bauer rückte bis f2 und erhielt die Unterstützung von König und Springer. Die weißen Figuren spielten nicht mehr zusammen. Wieder ein hoher Sieg und ein gutes Brettpunktepolster. In Konsequenz wurden die Schachfreunde gleich noch oben gepaart und erwarten das leicht favorisierte Team von Alkaloid aus Mazedonien. Mit drei Großmeistern, zwei Internationalen Meistern und einem Fide-Meister sicher ein zäher Brocken.

   Im Rest des Feldes gab es erste Vorentscheidungen. Titelverteidiger Bosna Sarajevo kam gegen Norilsky Nikel mit 1,5:4,5 unter die Räder und St. Petersburg rang die Bosnier aus Kiseljak nieder. Das dritte russische Team, Gazovik, besiegte mit 4:2 die Mannschaft des griechischen Ausrichters AO Kydon aus Chania, der zweitgrößten Stadt Kretas. Auch andere Favoriten meldeten sich zurück: Polonia Warschau gewann solide 4:2 gegen die Österreicher von Hohenems und Beer Sheva fertigte Eupen mit 5,5:0,5 ab. Unter den beiden unentschiednen Kämpfen an der Spitze dürfte auch Werder Bremen sein. Yannick Pelletier kämpfte zwar mit Minusfigur und einem Bauern weniger um eine Festung, aber das Unterfangen schien kurz vor 21 Uhr nicht zu gelingen. Bislang hatte gegen die starke Dänen von Helsinge Skakkclub, die nur einen schwedischen Legionäre dabei haben, Gerlef Meins verloren, Zbynek Hracek und Sven Joachim remisiert und Vlastimil Babula und Rainer Knaak gewannen. Das 3:3 besiegelt hatten schon die Ukrainer von Danko Donbass und Merkur Graz. Vier Partien endeten unentschieden, während der schmächtige Jungstar Ruslan Ponomariov den erfahrenen Alexander Beljawski in einem Endspiel mit jeweils zwei Leichtfiguren "ausgepresste". Henrik Teske glich mit einem gewaltigen Schlussangriff gegen Alexander Schneider am hinteren Brett aus.

   Damit ist nur noch Norilsky Nikel verlustpunktfrei mit acht Mannschaftspunkten und 18 Brettpunkten, gefolgt von St. Petersburg und Gazovik, die gleichauf sieben Mannschaftspunkte und 16,5 Brettpunkte bilanzieren. Nicht nur die Temperaturen bleiben mit über 30 Grad konstant hoch, sondern auch heiße Kämpfe stehen in den drei Schlussrunden an. Dann werden wir noch mehr aufgewühlte Spieler über die Gänge huschen sehen. Ex-Fide-Weltmeister Alexander Chalifman, erstmals mit einem Kurzremis gegen Zurab Azmaiparaschvili im Einsatz, tigerte stundenlang - lamentierend ob der ungenügenden Leistungen seiner Kollegen - herum. An der dichten Spitze lagen die Nerven schon mal blank und die Neuköllner versuchen weiterhin locker zu kombinieren.

 










Stephan,B - Paehtz,T [A00]
ECC 2001, 2001

 

1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.f4 Sf6 5.Sf3 0-0 6.Ld3 Sa6 7.0-0 c5 8.d5 Lg4 9.a3 Tc8 10.Lc4 Sd7 11.De1 Lxf3 12.Txf3 Sb6 13.De2 Sxc4 14.Dxc4 Sc7 15.f5 Tb8 16.Sb5 a6 17.Sxc7 Dxc7 18.c3 b5 19.De2 b4 20.c4 bxa3 21.Tfxa3 Tb6 22.Txa6 Ld4+ 23.Kh1 Tfb8 24.Txb6 Dxb6 25.h4 Dd8 26.h5 e6 27.Dg4 exf5 28.exf5 De8 29.Lh6 Txb2 30.fxg6 hxg6 31.hxg6 fxg6 32.Tf1 Tf2 33.Txf2 De1+ 34.Kh2 Dxf2 35.Dxg6+ Kh8 36.Dh5 Dg1+ 37.Kg3 De1+ 38.Kh2 Dg1+ 39.Kg3 De1+ 40.Kh2 1/2-1/2

 
 










Berend,F - Polzin,R [A00]
ECC 2001, 2001

 

1.d4 Sf6 2.Lg5 Se4 3.Lf4 c5 4.f3 Da5+ 5.c3 Sf6 6.Sd2 cxd4 7.Sb3 Db6 8.Dxd4 Sc6 9.Dxb6 axb6 10.Le3 d5 11.Lxb6 e5 12.e4 Le6 13.Lb5 dxe4 14.Sc5 Lxc5 15.Lxc5 Txa2 16.Txa2 Lxa2 17.Sh3 Sd7 18.Ld6 Sa7 19.Le2 Sc8 20.La3 f6 21.fxe4 Scb6 22.0-0 Lc4 23.Te1 Lxe2 24.Txe2 Kf7 25.Kf2 Ta8 26.Lb4 Ta1 27.Ke3 Td1 28.b3 Sb8 29.Sf2 Tb1 30.Kd3 Sc6 31.Kc2 Tg1 32.Lc5 Sd7 33.Sd3 Th1 34.h3 Sd8 35.Le3 Se6 36.Td2 Ke8 37.b4 g6 38.Kb3 f5 39.exf5 gxf5 40.Te2 Kf7 41.Ld2 e4 42.Sf4 Sxf4 43.Lxf4 Tf1 44.Lc7 Sf6 45.Kc4 f4 46.Le5 f3 47.gxf3 exf3 48.Te3 Kg6 49.Ld4 Kf5 50.Te7 Td1 51.Lc5 Td7 52.Te1 Kf4 53.Tg1 h5 54.Ld4 Se4 55.Kd3 f2 56.Ta1 Sg3 0-1

 
 










Borriss,M - Upton,T [A00]
ECC 2001, 2001

 

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 d6 5.0-0 Ld7 6.c3 Sge7 7.d4 Sg6 8.Te1 Le7 9.Sbd2 0-0 10.Sf1 Sh4 11.Sxh4 Lxh4 12.Le3 Lg5 13.Dd2 Lxe3 14.Sxe3 Dg5 15.Lc2 Se7 16.dxe5 Dxe5 17.g3 Lc6 18.f4 Dh5 19.f5 Tad8 20.Tf1 Dg5 21.Tf4 h5 22.Taf1 d5 23.e5 Sc8 24.f6 g6 25.Dd4 Tfe8 26.Sf5 gxf5 27.Txf5 Dh6 28.Df4 Dxf4 29.gxf4 Sd6 30.Tg5+ Kf8 31.Lh7 1-0

 
 










Goriachnik,D - Poldauf,D [A00]
ECC 2001, 2001

 

1.Sf3 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.d4 0-0 6.Le2 e5 7.0-0 Sa6 8.Tb1 exd4 9.Sxd4 Te8 10.f3 Sh5 11.f4 Sf6 12.Lf3 c6 13.b4 Sxb4 14.e5 dxe5 15.fxe5 Sd7 16.Txb4 c5 17.Lxb7 cxb4 18.Lxa8 bxc3 19.Sb5 Db6+ 20.Kh1 Sxe5 21.Ld5 Lg4 22.Da4 Te7 23.Lg5 Sd3 24.Lxe7 Sf2+ 25.Txf2 Dxf2 26.Dxa7 De1+ 27.Dg1 Dxe7 28.h3 c2 29.Dc1 Ld1 30.g3 De1+ 31.Kh2 Le5 0-1

 
 










Thiede,L - Baudot,D [A00]
ECC 2001, 2001

 

1.g3 g6 2.c4 Lg7 3.Lg2 d6 4.Sc3 e5 5.d3 f5 6.Sf3 Sf6 7.0-0 0-0 8.Tb1 a5 9.a3 Sh5 10.Ld2 c6 11.b4 axb4 12.axb4 Le6 13.Sg5 De7 14.Sxe6 Dxe6 15.b5 Sf6 16.Dc2 Te8 17.Lg5 e4 18.dxe4 Sxe4 19.Sxe4 fxe4 20.Tfd1 Sd7 21.Lf4 Lf8 22.h4 Sc5 23.bxc6 bxc6 24.Le3 Ta4 25.Tbc1 Ta5 26.Kh2 Df7 27.Lh3 h6 28.Kg1 Sd7 29.Dd2 Ta3 30.Lxh6 Sc5 31.Lxf8 Sb3 32.Dxd6 Sxc1 33.Txc1 Dxf8 34.Dxg6+ Kh8 35.Lf5 De7 36.Td1 Ta7 37.Dxc6 De5 38.Dh6+ Kg8 39.Td5 Da1+ 40.Kg2 Tg7 41.Le6+ Kf8 42.Dh8+ Ke7 43.Td7+ 1-0

 
 










Denisart,A - Rudolf,H [A00]
ECC 2001, 2001

 

1.d4 g6 2.Sf3 Lg7 3.Sc3 Sf6 4.e4 d6 5.Le3 c6 6.Dd2 Da5 7.Le2 e5 8.h3 0-0 9.0-0 Sbd7 10.Tfd1 Te8 11.d5 c5 12.Lh6 a6 13.Lxg7 Kxg7 14.Sh2 b5 15.a3 Dd8 16.Lf3 Sg8 17.a4 b4 18.Se2 a5 19.c4 f5 20.g3 Sdf6 21.Dd3 fxe4 22.Lxe4 Lxh3 23.Sf3 Sxe4 24.Dxe4 Tf8 25.De3 h6 26.Sh2 Lc8 27.f4 Te8 28.fxe5 Txe5 29.Df2 Ta7 30.Tf1 g5 31.b3 Lh3 32.Sf3 Te8 33.Tfe1 Tf7 34.Kh2 Lg4 35.Seg1 Txe1 36.Txe1 Lxf3 37.Sxf3 Df6 38.Te6 Dxf3 39.Dxf3 Txf3 40.Txd6 Txb3 41.Tc6 Tb2+ 42.Kg1 Tc2 43.d6 Sf6 44.Tc7+ Kg6 45.Tb7 Txc4 0-1

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