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Europas Schachclubs vereint unter der Sonne Kretas

Sibirisches Team von Norilsky Nikel erobert souverän die kontinentale Krone

von Harald Fietz, Oktober 2001

Europacup Kreta 2001

 

Die Mannschaftschemie

   In jeder Mannschaft gibt es eine Hackordnung, doch bei den russischen Mitfavoriten geht es immer besonders aufgeregt zu. St. Petersburg erinnerte seit dem verspäteten Eintreffen von Ex-Fide-Weltmeister Alexander Khalifman eher an einen aufgescheuchten Hühnerhaufen, denn an besonnene Rechenkünstler. Musste der Champion von 1999/2000 den Punktverlust mit Viktor Kortschnois Niederlage gegen Timoschenko noch unablässig herumtigernd oder eine Zigarette nach der anderen paffend verkraften, so setzte er sich für die vier restlichen Runden selbst an das erste Brett. Doch hier kam wenig hilfreiches zustande: 19 - 19 - 11 - 17 - denn Züge-Durchschnitt zu errechnen erspart man sich besser. Nach spätestens zwei Stunden führte der Zampano lieber verbal den Regiestock über seine Truppe. Der kleine untersetzte Konstantin Sakajew - meist mit ähnlich hohem Nikotinkonsum wie sein Chef - wurde angeranzt sich trotz der glasigen Augen besser in die Partie hineinzuknien. Sergei Volkow, der eben noch Kortschnois Fauxpas ausgebügelt hatte, musste in der vierten Runde eine Endspielniederlage quittieren, die umgekehrt die Entscheidung ganz auf die Schultern des 70-Jährigen verlagerte. Zur Strafe durfte er beim Meinungsaustausch auf dem Rückweg durch die Hotelanlage nicht teilnehmen und marschierte geknickt in gebührendem Abstand hinter Khalifman, Swidler und Pigusow. Danach war er nicht mehr wiederzuerkennen: Zwei weitere Niederlagen machten ihn zur Schwachstelle unter den Mannen aus dem "Venedig des Nordens".

   Ein Anderer setzte nach der zweiten Niederlage für die beiden Schlussrunden wohl freiwillig aus - wie es aus Peter Swidlers Mund in der offiziellen Version hieß. Viktor Kortschnoi hatte schon bei seinem Remis in Runde vier die Kollegen zur Weißglut getrieben. Es stand 3:2 und der respektierte Altmeister ("Er hat für uns sogar dieses Jahr an der russischen Mannschaftsmeisterschaft in Tomsk teilgenommen - das will was heißen!", meinte ebenfalls Swidler - natürlich ohne die Einwohner der weit östlich gelegenen Stadt beleidigen zu wollen.) entschloss sich, mit den weißen Steinen in einem komplexen Doppelturmendspiel zu wühlen. Im 55. Zug ergab sich das Schwerfigurenendspiel, welches aber zwei Züge danach mit einer Remisschaukel friedlich beendet hätte werden können. Doch nicht beim angespannt mit dem Oberkörper hin und her wiegenden Turmexperten - sein Schachhunger ging ihm vor Mannschaftsräson. Plötzlich braute sich Bedrohliches zusammen: Die Kontrolle der siebten Reihe war dahin, die schwarzen Freibauern näherten sich der Grundreihe. "Unglaublich - er ist verrückt geworden," konnte sich der in der Vorhalle auf und ab kreuzend St. Petersburger Tross vor Lamentieren gar nicht mehr beruhigen. Wo die Mitspieler und Mannschaftsbetreuer den Verlust heraufziehen sahen, hielt sich später ein laut schimpfender ehemaliger WM-Herausforderer auch mehr zurück. Sonst ein Musterbeispiel an Kontenance,- selbst mit schwächeren Spielern verständnisvoll und mit gezielten - selten rechthaberischen - Hinweisen analysierend, brachen die Selbstanschuldigungen heraus: "So eine Stellung nicht zu gewinnen - einfach unglaublich!" Man bilde sich am besten sein eigenes Urteil.

 

Viktor Kortschnoi

Viktor Kortschnoi

 










Kortschnoi,V (2617) - Yemelin,W (2507) [A17]
ECC Panormo, 2001

 

1.Sf3 Sf6 2.c4 b6 3.g3 Lb7 4.Lg2 e6 5.0-0 Le7 6.d3 c5 7.e4 d6 8.Sc3 0-0 9.b3 Sc6 10.d4 cxd4 11.Sxd4 Db8 12.Le3 a6 13.Sde2 Ld8 14.h3 Se7 15.Lf4 Se8 16.Dd2 Sg6 17.Le3 Dc7 18.Tac1 Tb8 19.Sd4 Sf6 20.a4 Te8 21.Kh2 Le7 22.f4 Tbc8 23.f5 Sf8 24.Df2 h6 25.Kg1 Ld8 26.g4 S8d7 27.fxe6 fxe6 28.g5 hxg5 29.Lxg5 Sc5 30.Dh4 Sh7 31.Lxd8 Dxd8 32.Dg3 Dg5 33.Dxg5 Sxg5 34.Tce1 Sf7 35.Te3 Se5 36.h4 Sc6 37.Sce2 Sxd4 38.Sxd4 Tcd8 39.b4 Sxa4 40.Tf2 e5 41.Sf5 Lc8 42.Td2 Le6 43.Ta3 b5 44.Lf1 Lxf5 45.exf5 Tf8 46.cxb5 axb5 47.Lxb5 Sb6 48.Ta6 Sc8 49.Lc4+ Kh8 50.Le6 Se7 51.Tf2 d5 52.Ta7 Sc6 53.Tc7 Sd4 54.Tg2 Sxe6 55.fxe6 Tfe8 56.Tgxg7 Txe6 57.Th7+ Kg8 58.h5 d4 59.b5 d3 60.Tcg7+ Kf8 61.Tg2 Td4 62.Th8+ Ke7 63.Tg7+ Kd6 64.Kf2 d2 65.Tg1 Kc5 66.Tc8+ Kb6 67.Ke2 Te7 68.Tc6+ Kxb5 69.Tc2 Tg7 70.Tb1+ Tb4 71.Txb4+ Kxb4 72.Txd2 1/2-1/2


   So lange uns solche positiv Schachverrückte unterhalten, braucht niemand einen Abgesang auf das königliche Spiel anstimmen! Für St. Petersburg ging es beim 3,5:2,5 gegen das bosnische Team von Kiseljak nochmals gut, ebenso wie mit dem gleichen Score gegen Gazovik, als Kortschnoi frühzeitig einen entscheidenden Bauern einparkte. Als er dann durch die Ersatzspieler Ivanov und den erst 15-jährigen Jewgeni Alekseew ersetzt wurde, punkteten diese zwar mit 1,5/2 solide, doch die Mannschaftschemie war zerstört. Einmal Sakajew und zweimal Volkow produzierten die Nullen bei 2,5:3,5 gegen Norilsky Nikel und dem 3:3 gegen Beer Sheva, die letztlich nur Rang sechs bedeutenden - völlig unakzeptabel für den amtierenden Meister der stärksten Schachnation.

 

Sergej Rublewski

Sergej Rublewski

 










Rublewski,S (2639) - Sakajew,K (2630) [C03]
ECC Panormo, 2001

 

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Le7 4.Ld3 c5 5.dxc5 Sf6 6.De2 Da5 7.c3 Dxc5 8.Sgf3 dxe4 9.Sxe4 Sxe4 10.Dxe4 Sd7 11.Le3 Da5 12.0-0 Sf6 13.Dh4 Dh5 14.Dxh5 Sxh5 15.Tfd1 0-0 16.Se5 Sf6 17.c4 Td8 18.Le2 Sd7 19.Sxd7 Txd7 20.Lf3 Tc7 21.c5 f6 22.b4 Ld7 23.Lg4 Kf7 24.Lf4 e5 25.Lxe5 Lxg4 26.Lxc7 Lxd1 27.Txd1 Ke6 28.Kf1 Tc8 29.Ld6 Lxd6 30.Txd6+ Ke7 31.Td3 b6 32.Ta3 Tc7 33.cxb6 axb6 34.Ta6 b5 35.Ke2 Tc2+ 36.Ke3 f5 37.a3 g5 38.Th6 Tc3+ 39.Kd4 Txa3 40.Ke5 Ta2 41.Txh7+ Ke8 42.Th5 Te2+ 43.Kf6 Txf2 44.Txg5 f4 45.h4 f3 46.gxf3 Txf3+ 47.Tf5 Th3 48.h5 1-0

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