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Ich will das Ding gewinnen"

Wassili Iwantschuk marschiert an die Spitze des Masters 2000

von Harald Fietz

Frankfurt Chess Classic 2000


   Obwohl das Mastersfeld dieses Jahr keinen absoluten Favoriten ausweist, scheint bereits nach vier von vierzehn Runden ein heisser Kandidat auf den Sieg ausgemacht. Wassili Iwantschuk macht auch keinen Hehl aus seinen Ambitionen. Unmittelbar nach seinem Auftaktsieg gegen Artur Jussupow setzte er FCC-Organisator Hans-Walter Schmitt in Kenntnis: "Ich will das Ding gewinnen." Zwar hat sich der Ukrainer schon seit letztem Freitag ausreichend in der Mainmetropole akklimatisiert, doch Zahnschmerzen und ein Eingriff beim Zahndoktor ließen uns mehr um seine Gesundheit denn als um seinen Punktestand fürchten. Aber der Weltranglistenachte biss auf die Zähne und spielte am vergangenen Dienstag routiniert ein Simultan gegen 40 Schachfreunde, bei dem er allerdings vier Mal seinen König umlegen mußte. Nun scheint er aber Ernst zu machen. Noch am Abend im Hotel "räumte" er das Zimmer von Pressechef Hartmut Metz auf, indem er fast alle verfügbaren Partienausdrucke für eigene Studienzwecke entsorgte.

  

Wassili Iwantschuk

Wassili Iwantschuk

 

   Der Elan des Großmeisters aus Lwow färbt auf die anderen Teilnehmer ab. Nach einer furiosen Computerpartie zwischen Alexei Schirow und Fritz on Primergy zur Eröffnung des Turniertags versteckten sich die acht Spieler nicht mit vorsichtigem Spiel, sondern boten den vielen - bereits am frühen Nachmittag anwesenden - Zuschauern gleichfalls kämpferisches Schach. Nur vier Remis bei sechszehn Partien sind ein deutliches Indiz. Wirkliche Überraschungen blieben bisher allerdings aus. Einzig Sergei Rublevsky schaffte es, mit einem sehr glücklichen Erfolg gegen Michael Adams in die Phalanx der Spieler einzudringen, die in Frankfurt die Top Ten komplettieren. Doch auch der Engländer konnte am Ende des ersten Nachmittags bilanziert, das sich Caissas Gunst bisweilen launisch äußert. Er überstand gegen Robert Rabiega kritische Phasen und mußte sich mit einer Position im Verfolgerfeld bescheiden. Für den deutschen Schnellschachmeister aus Berlin brachte sein Einstand in einem Schnellturnier dieser Güte einige neue Erfahrungen. Wurde er - nachdem er in der ersten Runde Rublevsky glücklich von der Schippe gesprungen war - noch um 10 Autogramme gebeten, so mußte er sich nach der couragiert, aber erfolglos vorgetragenen Partie gegen 'Tricky Mickey' mindestens 10 Mal die Frage anhören, ob denn der Läufereinschlag auf g6 ging.

   Gute Zeiten, schlechte Zeiten wohin man schaut. Jewgeni Barejew reihte Sieg und Niederlage in schöner Reihe aneinander, da er seine Chancen gegen Adams und Iwantschuk überschätzte. Artur Jussupow kämpft nicht nur mit der Stellung sondern auch mit den heruntertickenden Sekunden. Er gibt allerdings freimütig zu, dass er eigentlich kein Schnellschachspezialist sein und seinen Auftritt primär dazu nutzen will, den Zuschauern etwas zu bieten und unterhaltsame Partien zu spielen. Den Kommentatoren scheint es jedenfalls Vergnügen zu bereiten, können sie doch trefflich feixen. Gleich in der ersten Runde bekam die deutschen Nummer eins ihr Fett weg, als sich Klaus Bischoff und Helmut Pfleger auf ihn einschossen. "Der Artur muß schneller spielen", mahnte Jüngere der Beiden, worauf der Doktor konterte: "Nicht schneller, verantwortungsvoller."

   Schießlich zeigt ein Blick auf das Ende der Tabelle, das der Ordix Open Sieger 1999, Loek van Wely, bislang kein Bein auf dem Boden bekommen hat: "I had good hopes, but..." Mit der roten Laterne belastet wird es sich fragen müssen, wie die beiden Eröffnungskatastrophen gegen Weselin Topalov und Wassili Iwantschuk zu erklären sind. Eine angenehme Nachtruhe wird das nicht gewesen sein.

   Die Ausgangspositionen für den zweiten Tag sind damit abgesteckt. Die Jagd auf Iwantschuk kann beginnen und der Bulgare Weselin Topalov könnte hier - wie im Vorjahr - einen seiner gefürchteten Zwischenspurts starten. Sein Spiel war bislang sehr ökonomisch und außer in der missratenen Partie gegen Barejew scheint er ziemlich gut präpariert zu sein. Wenn der Kampfgeist weiterhin auf gleichem Level bleibt, werden die Zuschauer noch öfter Sätze wie den folgenden zu hören bekommen: "Es kommt in Betracht, Kf6 zu spielen. Es ist ja nicht unser König ..." Wenn das kein Angebot ist, dann ...

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