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Im Giants-Fieber

Spannender Auftakt bei den sechs Weltbesten

von Hartmut Metz

Frankfurt Chess Classic 2000


   „Ich bin nicht überrascht, dass er nach dieser Partie Fieber hat!", kommentierte Peter Leko den Umstand, dass Garri Kasparow wegen erhöhter Temperatur seine Teilnahme an der Pressekonferenz absagte. „Garri hat 102 Fahrenheit und fühlt sich sehr unwohl", entschuldigte Manager Owen Williams seinen Schützling. 100 Fahrenheit entsprechen exakt der normalen menschlichen Körperwärme, folglich hatte der Weltranglistenerste mit etwa 38,5 Grad Celsius leichtes Fieber. Sein Blut in Wallung dürfte aber mehr die Begegnung mit Leko gebracht haben. Nach einem farblosen Remis gegen den Weltranglistenzweiten Viswanathan Anand, geriet der 37-Jährige in der zweiten Runde des Fujitsu Siemens Giants gewaltig unter Druck. „Nach einer wenig speziellen Eröffnung überspielte ich Garri und dachte, dass ich das Endspiel gewinne", beschrieb der Ungar seine Gedanken. Letztlich scheiterte er jedoch an der Frage, ob er im 34. Zug den Bauern decken sollte oder gleich mit dem König den feindlichen auf h4 einsammelt. Leko tat Letzteres und geriet in aufkommender Zeitnot zusehends in Nachteil. „Ich war überambitioniert", nannte der 20-jährige Weltranglistensechste den Hauptgrund für seine Niederlage.

  

Peter Leko

Peter Leko

 

   Nach dieser ziert er zusammen mit Alexej Schirow (beide 0,5:1,5) das Tabellenende. Letzterer war im Duell der beiden Schach-Romantiker einem durchschlagenden Angriff Alexander Morosewitschs erlegen. Schirow gedachte hernach an Kramnik Revanche zu nehmen. In der bis dato dramatischsten Schlacht gewann der Weltranglistenvierte einen Bauern. Dank ungleichfarbiger Läufer - außerdem befanden sich noch alle Türme auf dem Brett - zauberte Kramnik eine scheinbar undurchdringliche Verteidigungslinie aufs Brett. Doch einen unachtsamen Moment („Ich musste die Türme auf der achten Reihe lassen, dann scheitert das Manöver") nutzte Schirow zu einem Durchbruch. Tollkühn opferte er zwei Bauern und drang in die feindliche Stellung ein. Angesichts der immer knapper werdenden Zeit verpasste Schirow mehrfach den Gewinn, selbst Kramnik hatte das „Gefühl", irgendwann Chancen ausgelassen zu haben. Der krasseste Schnitzer unterlief Weiß im 92. Zug. Nachdem er trotz Minusqualität glänzend ins Remis abwickelte, patzten beide nochmals. Erst Kramnik mit 90...Tb1 (richtig ist Tb8), dann Schirow. Mit 92.Kd5! anstatt Kb7 wäre der d-Bauer zur Dame marschiert. Auf Td1+ hätte schließlich einfach 93.Ld4 den letzten Trumpf entscheidend gestützt. Allerdings wäre zweifelhaft gewesen, ob der Anziehende hernach in 14 Sekunden ein Matt geschafft hätte. Kramnik besaß am Ende noch 22 Sekunden Bedenkzeit.

 

Wassili Iwantschuk

Wassili Iwantschuk

 

   Während Schirow auch am nächsten Morgen beim Frühstückstisch die Augen verdrehte, als im Gespräch mit Wassili Iwantschuk der Name „Kramnik" fiel, nahm der WM-Herausforderer den ersten Tag im Fujitsu Giants gelassen hin. Peter Leko bescheinigte der Nummer drei auf dem Globus eine starke Verteidigungsleistung. „Vielleicht war ein Gewinn möglich. In Zeitnot konnte ich aber keine entscheidende Fortsetzung finden", erläuterte der Moskauer.

 

Alexander Morosewitsch

Alexander Morosewitsch

 

   1:1 Zähler weist auch sein russischer Landsmann Morosewitsch auf. „Gegen Anand habe ich zu ambitioniert gespielt und zu sinnlos geopfert", bemerkte der Fünfte der Setzliste. Verloren, aber den rund 800 Zuschauern im überfüllten Taunus-Tagungszentrum ein Schauspiel geboten, lautete das Fazit. Anand nahm die dargebotenen Bauern und verteidigte sich routiniert. Dank der 1,5 Zähler liegt der Vorjahreszweite zusammen mit Garri Kasparow in Front.

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