Startseite Rochade Kuppenheim

Ovationen für Schirow

Brillante Partie gegen Fritz on Primergy

von Hartmut Metz

Frankfurt Chess Classic 2000


Alexej Schirow

Alexej Schirow

 

   Alexej Schirow strahlte, die Fans im bereits um 13 Uhr gut gefüllten Taunus-Tagungszentrum in Bad Soden feierten den Wahl-Spanier. In einer begeisternden Partie, die in sein famoses Buch „Fire on board" passen würde, zertrümmerte der Weltranglistenvierte Fritz on Primergy mit zwei Qualitätsopfern. In der vorletzten Begegnung zwischen Mensch und Maschine warf er Letztere erstmals mit 4:5 zurück. Bis dato hatte Fritz on Primergy zweimal geführt und kann nun bestenfalls ein Gesamt-Unentschieden erreichen. Am Samstag (13 Uhr) tritt nochmals Schirow an, der am Auftakt-Wochenende in Mexiko weilte. Dort gewann der 27-Jährige mit 4/6 vor Judit Polgar (3,5), Gilberto Hernandez (2,5) und Vizeweltmeister Wladimir Akopjan (2).

   „Der hat uns übel mitgespielt", spendete Mathias Feist dem Gegner ein dickes Lob. „Der Eiweiß-Klumpen von diesem Typen funktioniert noch enorm gut", nahm der Mitprogrammierer und Bediener von Fritz on Primergy eine Anleihe bei FCC-Kommentator Helmut Pfleger. Der durch seine zahlreichen TV-Sendungen populär gewordene Großmeister aus München hatte diesen Begriff geprägt, als er 1993 beim Blitzturnier in München die Duelle zu Vergleichen zwischen Eiweiß-Klumpen und Silikonmonstern hochstilisiert hatte. Obwohl Schirow gleich zwei Qualitäten geopfert hatte, fühlte er sich nie in Nachteil. „Nach 38...Db3 39.Tc1 g5 40.Df5 Dxa3 41.Tc8 dachte ich, dass ich gewinnen muss. Nur die Zeit war knapp. Mir gefiel es, als Fritz on Primergy g5 spielte. Da wusste ich, dass mein Angriff gefährlich wird. Lediglich die knappe Bedenkzeit (Anmerkung: nur noch knapp zwei Minuten) war ein Problem. Bei einem falschen Zug wendet sich dabei womöglich das Blatt", berichtete der „Hexer von Riga". Seine Entscheidung, alles auf eine Karte zu setzen, erwies sich als goldrichtig. „Ein Dauerschach wollte ich nicht. Wozu auch? Ich fühlte mich nie in einer schlechteren Lage." Die Einschätzung teilte Fritz on Primergy. „Nach der Eröffnung war die Bewertung immer ungefähr ausgeglichen. Nach dem ersten Qualitätsopfer sah sich das Programm mit +0,75 im Vorteil. Das zweite erwartete Fritz und bewertete die Stellung schon deutlich negativ mit minus zwei Bauerneinheiten", erinnerte sich Feist. Danach machte sich der 38-Jährige „keine Hoffnungen mehr. Wir hätten auch nicht auf Zeit gespielt. Da hätte ich schon aufgegeben. Wir wollten lediglich den Zuschauern noch ein bisschen etwas bieten. Nach 59.Se3 und Generalabtausch war es dann Zeit zum Aufgeben", führte der Chessbase-Experte aus. Der Bediener, der eine Deutsche Wertungszahl von rund 2050 besitzt, gratulierte dem Kontrahenten zu seinem „tollen Spiel, bei dem er sich nichts zu schulden kommen ließ. Manchmal zog Schirow andere Züge als von Fritz vorgeschlagen, die waren in der Bewertung aber kaum schlechter. Es war schon erstaunlich, was er alles sah". Großmeister Christopher Lutz fand Schirows erstes Qualitätsopfer „nicht dumm", erhalte Weiß doch Spiel. Der langfristige Angriff sei von Fritz on Primergy nicht zu erkennen. Schirow habe diesen „sehr energisch" und „sehr stark" vorgetragen.

   In der zweiten Partie legt es Schirow keineswegs auf ein farbloses Remis gegen den rund 250 Kilogramm schweren „Kühlschrank", wie ihn mancher Journalist bezeichnet, an. Russisch liege ihm weniger, nahm der ehemalige Lette Abstand von der drögen Variante. In heimischen Trainingspartien liegt Schirows Score unter 50 Prozent, obwohl sein Notebook „sehr langsam ist" und somit keinen Vergleich mit der schnellsten käuflichen Hardware, der Primergy 800, aushält. Den Widerspruch zum Ergebnis bei den FCC führte Feist auf die unterschiedlich große Konzentration bei Trainings- und jetzt der Wettkampfpartie zurück. „Fritz findet inzwischen viele Züge, die man ihm nicht zutraut", sieht er das Verständnis der Programme wachsen. Insgesamt begrüßte der neben Alexander Morosewitsch einzige „Schach-Romantiker" in der Weltspitze die Konzeption, die Begegnungen getrennt von den Vergleichen mit den Menschen auszutragen. Advanced Chess (Partien, bei denen beide Spieler Computer zur Hilfe nehmen dürfen) findet Schirow interessant. Aber solche Wettbewerbe wie jenen vor wenigen Wochen in Leon (Spanien) mag er „nicht ständig spielen".

   Garri Kasparow verweigerte sich dem Schauspiel, weil er „nicht Turniere zwischen Menschen und Maschinen vermischen mag". Der herausragende Großmeister betonte bereits vor der Schirow-Gala, dass es einen „großen Unterschied festzuhalten gilt: Im klassischen Turnierschach sind die Maschinen noch nicht so stark. Im Schnellschach zeigte sie Stärken wie Schwächen, vor allem gegen Kramnik und Leko. Es war schmerzhaft zu sehen, was Fritz on Primergy tat! Es scheint mir noch viel zu tun in den nächsten zwei Jahren", schloss Kasparow.

die Fritz-Partien online


zur FCC 2000-Seite