Im Derby ins VerderbenSchachfreude Neukölln ziehen mit einem Kantersieg König Tegel in den Abstiegsogvon Harald Fietz, Januar 2001 |
Erstmals seit der Saison 1997/98 standen sich am ersten Wochenende 2001 wieder zwei Berliner Teams in der Schachbundesliga gegenüber. Für Spannung war gesorgt, denn das Abstiegsgespenst ging um. Hatte man den Aufsteiger König Tegel, der bewußt auf ein Konzept ohne auswärtige Spitzenspieler zu spielen setzt, in der unteren Tabellenregion erwartet, so überrascht das schlechte Abschneiden der Neuköllner, die im Dezember zwei Niederlagen gegen schlagbare" Konkurrenten um einen Platz im gesicherten Mittelfeld eingesteckt hatten. Die Fronten waren geklärt: Ein Sieg musste her und hierfür brachten die an allen Brettern wertungsstärkeren Neuköllner auch ihre tschechisch-slowakische Doppelspitze in Aktion, die im Dezember, wegen des Engagements der Nr.1 bei der FIDE-WM in Indien, halbiert war. Die Mittelachse verstärkte diesmal der schwedische IM Johann Hellsten an Brett 5. Die Mannschaft aus dem Norden Berlins dagegen setzte auf bewährtes Personal, welches innerhalb der Stadtgrenze beheimatet ist. Dies spart zwar Reisespesen, kostete aber erneut Lehrgeld.
Den zahlreich erschienenen Berliner Schachfans wurde trotzdem ein unterhaltsamer Sonntag geboten. Einzig am Spitzenbrett schloss der amtierende Deutsche Meister Robert Rabiega gegen den Weltklassemann Sergej Movsesian nach zwei Stunden ein frühes Remis. Zu Beginn der vierten Stunde war der Spielstand immer noch ausgeglichen, denn dem positionell herausgespielten Sieg des Berliner Schachjournalisten IM Dirk Poldauf gegen FM Martin Fette, folgte postwendend am 8. Brett der volle Punkt durch FM Sascha Lorenz gegen FM Lars Thiede. Pikant war dabei die sofort nach dem Fehlzug erkannte Drohung der Vollstreckung mittels ersticktem" Matt.
Dann drängte es die Kiebitze zu den Zeitnotgefechten, da an allen Brettern noch dicke Luft" herrschte. Mit jeweils weniger als fünf Minuten spitzte sich zuerst der Kampf zwischen den Großmeistern an Brett 2 zu: Igor Stohl hatte ein, zwei Minuten mehr in petto und fand den Weg, um die Schlinge um den auf h6 eingekeilten König zuzuziehen. Mladen Muse wurde Opfer der passiv platzierten Figuren, die Mattdrohungen, einen lästigen Freibauern und Raumnot letztlich nicht bewältigen konnten. Ebenso sah sich FM Ulf von Herman einem Angriffsturm gegenüber; Schweden-Power" gruppierte die Figuren geschickt vom Damenflügel auf den Königsflügel um. Der König des Tegelers wurde quer über das Brett gescheucht und schließlich kurz nach der Zeitkontrolle in eine unparierbare Mattkonstellation gezwungen. Und wenn man kein Glück hat, kommt auch noch Pech hinzu. Am vorletzten Brett hielt FM Jörg Pachow gegen FM Hendrik Rudolf alle Trümpfe in der Hand, als dieser eine dreimalige Zugwiederholung reklamierte. Lange Gesichte bei den Spielern aus dem Berliner Norden, denn jetzt lag man 2-4 zurück und war an den Brettern 3 und 4 in Zugzwang. Doch dort sah es nicht nach zwei Einsen aus. IM Fabian Lipinsky hatte gegen seinen IM-Kollegen Rainer Polzin im Gezocke vor dem 40. Zug seine positionellen Vorteile sukzessive verspielt und ein Bauernminus ebenso wie FM Dirk Paulsen, der gegen IM Martin Borriss nur noch auf seine aktiven Figuren hoffte. Doch es kam wie es kommen musste: Um die zweite Zeitkontrolle kippten die Turmendspiele, so dass ein glattes Endergebnis unter dem Schlussstrich stand: 6-2.
Damit driften beide Verein in Richtung der Tabellenstände, die Experten am Saisonanfang am wahrscheinlichsten hielten. Bleibt nur zu hoffen, das die Tegeler Truppe dadurch nicht entmutigt wird und die Schachfans nicht wieder drei Jahre auf eine Derby warten müssen.
Die Partien zum Download (pgn-Format).
Die Partien zum Nachspielen:
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Rabiega,R (2487) - Movsesian,S (2666)
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Stohl,I (2578) - Muse,M (2510)
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Paulsen,D (2431) - Borriss,M (2439)
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Polzin,R (2465) - Lipinsky,F (2362)
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Von Herman,U (2357) - Hellsten,J (2470)
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Poldauf,D (2421) - Fette,M (2346)
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Pachow,J (2297) - Rudolf,H (2308)
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Thiede,L (2421) - Lorenz,S (2298)
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