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Unter Beobachtung

Robert Rabiega gewinnt zweites Lichtenberger-Sommer-Open nach Wertung vor Rene Stern. Außenseitererfolge in Berlin heiß diskutiert

von Harald Fietz, September 2003

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Wachsam sein ja, vorschnell urteilen nein: Wenn Außenseiter zu viel siegen, werden Verdächtigungen schnell ausgesprochen

   Ein wenig Überraschung finden wir wunderbar, zu viel davon ist sonderbar. Ein Außenseitersieg erhält oft Anerkennung, ein steter Lauf dagegen Zweifel. Seit Anfang 1999 der Fall Allwermann - aufgrund eines betrügerischen 7,5-Punkte-Co-Gewinns und Computerunterstützung beim Böblinger Open - die Schlagzeilen bundesweit und international füllte, ist die Sensibilitätsmarke deutlich gesenkt. Seine Dreistheit, eine taktische Wundergabe vorzutäuschen, registrierte man mit Kopfschütteln und Verachtung. Zu Beginn diesen Jahres wurde ausgerechnet ein Pädagoge, der - wie mehrere Schüler seiner Schulschach-AG - am Lampertheimer Open teilnahm, mit einen Handheld-Minicomputer und Pocket Fritz auf der Toilette in flagranti erwischt. Der Schiedsrichter sprach unter dem Applaus der Teilnehmer die fällige Disqualifikation aus. Eine Aktion, die zurecht ein öffentliches Zeichen setzte, und ungeteilte Zustimmung fand. Schließlich leben wir in einer Demokratie und da muss das Prinzip Fairness einen hohen zivilgesellschaftlichen Wert haben.

   Die Verfehlungen legen offen, wie sich auch der Schachsport angesichts der Realitäten und Ansprüche in einer modernen, technologie-dominierten Welt gewandelt hat. Heute kann sich jeder - dank Datenbanken und Internet - umfangreiches Schachwissen aneignen. Und Bücher mit zielgruppengerechten Konzepten unterstützen diesen Trend. Aber die Segnungen der Technik besitzen eben auch Verführungspotenzial. ChessBase-Erfinder Matthias Wüllenweber berichtet, dass auf der hauseigenen Playchess.com-Schachplattform, die mit einer eigens entwickelten Kontrollsoftware versehen ist, bei 60.000 Partien täglich etwa 200-300 Verdachtsmomente auftreten. Ein halbes Prozent ist angesichts der Anonymität in der virtuellen Welt eine durchaus befriedigende Toleranz.

   Braucht das Nahschach vor diesem Hintergrund neue Regularien? Eine Praxis mit elektronischen Einlasskontrollen zu offenen Turnieren möchte man eigentlich noch als Vision Orwellscher Überwachungswelt von übermorgen wissen. Doch ohne solche begegnen gerade die um Sieg und Einkommen kämpfenden Spitzenspieler - wie ein aktueller Fall aus Berlin zeigt - erfolgreichen Amateuren häufig mit Misstrauen. Partiencheck als Dopingkontrolle und besonders wache Augen werden von Turnierleitungen angemahnt. Liegt der Fall nicht so eindeutig wie bei Allwermann oder wird ein Betrüger nicht auf frischer Tat ertappt, dann ist die Beweisführung aufgrund der geringen Partienanzahl in der Regel schwierig. Zudem sind heute sicher mehr Schachspieler bis weit ins Mittelspiel mit vielen strategischen und taktischen Feinheiten in sizilianischen, königsindischen, grünfeldindischen und anderen Hauptsystemen vertraut. Ende der 80er Jahre wurde in Großbritannien eine Variante mit frühem Le3, Dd2 und dann Lh6 gegen die Pirc-Verteidigung gar deshalb als 150er-Angriff populär, weil eben überdurchschnittlich viele Spieler mit einer englischen Wertungszahl von 150 (entspricht DWZ 2000) damit gegen stärkere Gegner Erfolg hatten. Warum sollte also ein ehrgeiziger, lerneifriger Amateur nicht mehrfach hintereinander siegen, ohne dass man gleich nach zusätzlicher Kontrolle rufen? Mit gleicher Vehemenz, mit der Schachschwindler angeprangert werden, muss man sich für Amateure einsetzen, die einfach eine Sternstunde hatten und dann ins Gerede kommen. Das Lichtenberger-Sommer-Open 2003 wird hier eine Lehrstunde bleiben. (Kommentar Harald Fietz)

   Selten sorgte die Leistung eines Spielers bei einem Berliner Open für soviel Gesprächsstoff. Überraschungen durch einen Underdog sind im modernen Turnierschach nicht ungewöhnlich. Aber eine Serie von sechs Siegen und zwei Verlusten gegen zum Teil deutlich stärkere Gegnerschaft machte viele Beobachter stutzig. Einige Könner der lokalen Schachszene witterten gar empört unlautere Machenschaften. Beweisen konnte keiner etwas. Der erfahrene Turnierschiedsrichter Uwe Bade äußerte - neben der mit Schmunzeln quittierten Entschuldigung an Spieler, die von ihm bei Zwistigkeiten eine Zeitstrafe aufgebrummt bekamen - in seiner umsichtigen Art bei der Preisverleihung öffentlich sein Unbehagen gegenüber solchen heikeln Vorgängen. "So lange nichts gefunden wird, gilt der Unschuldsgrundsatz," unterstich er auf Nachfrage. Aber was will man machen, wenn im Zeitalter moderner Miniatur- und Computertechnik Phantasien schneller ausschlagen? Dieses Phänomen unter den Tisch zu kehren wäre ebenso verkehrt, wie ein vorschnelles An-den-Pranger-stellen a la "Solche Züge findet ein Spieler dieser Klasse niemals". Muss jedoch nicht grundsätzlich gelten, dass ein trainingsfleißiger Spieler mit DWZ um 2000 heute viel mehr über das königliche Spiel weiß als noch vor ein oder zwei Dekaden?

 

Lauf nach dem Laufpass

   Der Betroffene, Andre Jaeger von Berliner Schachclub SC Rochade, nannte allerdings ungewöhnliche Umstände als Erklärung für seinen Erfolg: "Anfang August hat mir meine Liebste nach 15 Jahren den Laufpass gegeben, da legte ich alle Wut und Enttäuschung in meine Partien." Eine bizarre Begründung für eine explosionsartige Leistungssteigerung. Mannschaftskollegen beschreiben den gebürtigen Thüringer, der seinem Berliner Verein seit 1975 die Treue hält, als akribischen Arbeiter an seinem Schach. Beim letztjährigen Clubturnier dominierte der 48-Jährige seine Gegnerschaft (DWZ-Schnitt 1743) mit 10,5 Punkten aus elf Partien. Fritz 5 ist die aktuellste Version eines Schachprogramms, welches er neben der Chessbase-Datenbank für die Vorbereitung mit dem Computer verwende, scherzte der frühere Kameramann bei der Nationalen Volksarmee. Doch ein Wettstreit in einem Kieztreff im Ostberliner Plattenbaubezirk Hohenschönhausen ist etwas anderes als der Einsatz gegen Spieler mit einem Eloschnitt von 2270. Wie kann ein Spieler, der bei seinen 57 letzten DWZ-Auswertungen eine Turnierperformance von 2125 als Bestmarke erreichte und in dieser Zeit seine nationale Wertungszahl von 2035 auf 1928 senkte, in einem Lauf eine Turnierperformance von 2463 erreichen? Die Leistungskurve zeigte bei seinen letzten vier Openturnieren mit jeweils unter 50% der Punkte gegen Spieler mit internationaler Elo-Zahl nicht gerade nach oben. Auch bei der Erstauflage des Lichtenberger-Sommer-Opens konnte er mit 1,5 Punkten aus fünf elo-gewerteten Partien noch wenig beeindrucken.

 

Andre Jaeger

Andre Jaeger sorgte mit seinem Siegeszug für reichlich Gesprächsstoff in der Berliner Schachszene. Foto: Harald Fietz

 

   Das Turnier begann für ihn jedoch perfekt. Nach einer Seeschlange gegen Gerd Berg (DWZ 1469), gegen den er ein Endspiel mit vier Läufern und Mehrbauern mühsam gewann, folgten zwei Siege gegen nominell bessere Spieler. Der in Berlin beheimatete Russe Arkadi Kroutikov (Elo 2157) startete einen furiosen Angriff und verzettelte sich; der ebenfalls schon lange in der Bundeshauptstadt wohnende Serbe Dusan Jeremic (Elo 2223) fühlte sich von kiebitzenden Landleute gestört und überzog - ganz in dem ihm eigenen Stil - die Remisbreite. Nach drei Runden ohne Verlustpunkt glücklich zu sein, könnte also tatsächlich Kräfte freigesetzt haben.

 










Berg,G - Jaeger,A (2061) [A53]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (1), 16.08.2003

1.c4 Sf6 2.d4 d6 3.Sc3 Sbd7 4.Lg5 h6 5.Lh4 g6 6.Dc2 Lg7 7.e3 0-0 8.Ld3 c6 9.h3 e5 10.Se4 Da5+ 11.Dc3 Dxc3+ 12.bxc3 Sxe4 13.Lxe4 g5 14.Lg3 f5 15.Lc2 f4 16.Lh2 Sb6 17.Lb3 Kh8 18.Sf3 a5 19.a4 Lf5 20.Sd2 Ld3 21.Tc1 Tae8 22.c5 dxc5 23.dxc5 Sd7 24.e4 Sxc5 25.f3 La6 26.Lc2 Tf7 27.Lg1 Lf8 28.Sb3 Sxa4 29.Sxa5 Sc5 30.Sb3 Sxb3 31.Lxb3 Td7 32.Lb6 Le7 33.Td1 Txd1+ 34.Kxd1 Ld8 35.Lc5 La5 36.Kc2 Kg7 37.Ta1 Lc7 38.Td1 Td8 39.c4 Txd1 40.Kxd1 Kf7 41.Kd2 La5+ 42.Kd3 h5 43.Kc2 Ld8 44.Kd1 Le7 45.Lb6 Lb4 46.Ke2 Ke7 47.Kd1 Kd7 48.Kc2 Ld6 49.Kc3 Lc7 50.Lc5 La5+ 51.Kd3 Ld8 52.Kc3 b6 53.Lf2 Kc7 54.Kd3 Kb7 55.Le1 Le7 56.Lc3 Ld6 57.Lb2 Ka7 58.Kc3 Lc8 59.Lc2 Ld7 60.Kd3 Ka6 61.Lb3 c5 62.Lc3 b5 63.Kc2 b4 64.Le1 Le7 65.Kd3 Kb6 66.Ke2 Ka5 67.Kd3 La4 68.Kc2 Ld7 69.Kd1 Kb6 70.Kc2 und Schwarz gewann ... 0-1

 

 










Jaeger,A (2061) - Kroutikov,A (2157) [D36]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (2), 17.08.2003

1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.cxd5 exd5 5.Lg5 Le7 6.e3 c6 7.Dc2 Sbd7 8.Ld3 h6 9.Lh4 Sh5 10.Lxe7 Dxe7 11.Sf3 Shf6 12.0-0 0-0 13.Tab1 Te8 14.b4 Se4 15.b5 Sg5 16.Sd2 [ Ein Programm wie Fritz 7 zeigt nach 20 Minuten 16.Sxg5 Dxg5 17.bxc6 bxc6 18.Se2 Sb6 19.Dxc6 Lf5 20.Lxf5 Dxf5 21.Sf4 Ted8 22.Tfc1 als gleichwertig mit weißem Vorteil an.] 16...Sf6 17.bxc6 bxc6 18.Sa4 De6 19.Tfc1 Sh3+ 20.gxh3 Dxh3 21.Lf1 Dh5 22.Dd1 Lg4 23.f3 [ Der Computer sieht 23.De1 als klaren Vorteil für Weiß. Nun erhält Schwarz aber alle Optionen.] 23...Txe3 24.fxg4 [ Fritz will 24.Sc5 ; oder 24.Tb3 fortsetzen.] 24...Sxg4 25.Sf3 Txf3 26.Tb2 Se3 27.Dd2 Dg4+? [ Nach 27...Txf1+ 28.Txf1 Dg4+ 29.Kh1 ( 29.Kf2 Df4+ 30.Ke2 Dxf1+ 31.Kxe3 Te8# ) 29...Sxf1 gewinnt Schwarz.] 28.Lg2 Sxg2 29.Dxg2 Dxd4+ 30.Kh1 Tf5 31.Dc2 Tg5 32.Tcb1 Te8 [ Oder 32...Df4 33.Dd3 Te8 34.Sc3 Tge5 , was Schwarz im Spiel hält.] 33.Tb8 Tge5 34.Sc5 g5 35.Sd7 Te1+? [ Das Gleichgewicht wahrte 35...T5e6 36.Sc5 T6e7 37.Txe8+ Txe8 ] 36.Txe1 Txb8 37.Sxb8 Db4 38.Te8+ 1-0

 

 










Jeremic,D (2223) - Jaeger,A (2061) [B21]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (3), 19.08.2003

1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3 Sf6 4.Ld3 Sc6 5.Sf3 e5 6.0-0 dxc3 [ Fritz gefällt offenes Spiel besser 6...d5 7.Lb5 ( 7.exd5 Dxd5 8.cxd4 Sxd4 9.Sc3 Sxf3+ 10.Kh1 De6 11.Dxf3 Lc5 ) 7...Lg4 8.Da4 Lxf3 9.Lxc6+ bxc6 10.Dxc6+ Sd7 11.gxf3 dxe4 12.Dxe4 Tc8 13.f4 Dh4~~ ] 7.Sxc3 Le7 8.De2 d6 9.h3 0-0 10.Lg5 Le6 11.Tfd1 a6 12.Tac1 h6 13.Le3 Tc8 14.Lb1 De8 15.Dd2 Sh7 16.b3 Kh8 17.Sa4 f5 18.exf5 Lxf5 19.Sb6 Td8 20.Lxf5 Txf5 21.Sd5 e4 22.Sxe7 Dxe7 23.Sd4 Sxd4 24.Dxd4 Sf6 25.Db6?! Weiß spielt Schwarz förmlich in die Hände. 25...Sd5 26.Dd4 Sxe3 27.fxe3 Rückblickend meinte Jeremic, dass er nicht mit der Dame nehmen wollte, weil er sich so bessere taktische Überlebenschance ausrechnete. Aber das schwache Feld f2 bietet Jäger ein nicht zu schwer zu entdeckendes Einfallstor, um zum Sieg abzuwickeln. 27...d5 28.Tc5 Dh4 29.Dd2 Tdf8 30.De1 Dg5 31.h4 Tf1+ 32.Dxf1 Dxe3+ 33.Kh2 Txf1 34.Tc8+ Kh7 35.Txf1 De2 36.Tf7 Dg4 37.Tcc7 e3 38.Tfe7 e2 39.g3 d4 40.Kg2 d3 41.Kf2 Dd4+ 42.Kf3 Dd5+ 43.Kf2 Df5+ 44.Kg2 Df1+ 45.Kh2 Df2+ 46.Kh3 Dd4 0-1

 

   Multi-kulti ging es weiter; doch wurde das Kaliber mit IM Wladimir Schilow (Elo 2432) vom in die zweite Bundesliga aufgestiegenen Reserveteam des SC Kreuzberg erheblich anspruchsvoller. An Brett zwei oder drei holte dieser vergangene Saison 8,5 Punkte aus neun Partien. Er wählte allerdings nach eigenen Angaben eine Variante, die er zuvor noch nicht anwandte. Vielleicht war auch ein wenig Unterschätzung dabei: "Ich dachte, ich gewinne die Partie mit kaltem Blut," meinte er im Rückblick. "Wie Jaeger die Eröffnung sehr schnell und exakt spielte, wunderte mich schon."

 

Wladimir Schilow

Wladimir Schilow staunte nicht schlecht, als der Außenseiter die Partie stringent zu Ende führte. Foto: Harald Fietz

 

   Eigentlich passierte bis zum 16. Zug nichts Ungewöhnliches, beide Seiten bauen sich an "ihren" Flügeln auf. Dann unterlief dem Titelträger ein schwerer Faux-Pas. Und ehrlich, wer hätte seinen Springer nicht mit krakenähnlichem Aktionsradius nach e6 beordert, nachdem der thematische Plan am Damenflügel fixiert war. Bobby Fischer prägte einmal den Ausspruch, dass mit bestimmten Varianten der Drachenvariante ein halbwegs fähiger Amateur einen Großmeister besiegen kann. Ein Körnchen Wahrheit ist darin, denn es gibt diese Eröffnungssysteme, in denen Wissen mit einfachen Plänen gepaart häufiger für besondere Spielausgänge sorgt. Eine reife Leistung stellte in der nachfolgenden Partie dann der mit 26.f4 initiierte Vorstoß mit der Öffnung der e- und f-Linie dar.

 










Jaeger,A (2061) - Schilow,W (2432) [A40]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (4), 20.08.2003

1.d4 e6 2.c4 Lb4+ 3.Ld2 De7 4.a3 Lxd2+ 5.Sxd2 d6 6.e4 e5 7.d5 Sh6 8.Sgf3 a5 9.b4 0-0 10.Ld3 Lg4 11.0-0 Sa6 12.Tb1 g6 13.Dc2 b6 14.Tfc1 f5 15.h3 Lh5 16.Le2 Dg7? Diesen Zug konnte sich Schilow hinterher nur schwer erklären. 17.c5 bxc5 18.Lxa6 Txa6 19.Sg5 Tfa8 20.Se6 De7 21.bxc5 T6a7 22.c6 [ Fritz 7 bevorzugt nach vier Minuten 22.Sc4 Te8 ( ein Desaster bietet 22...dxc5 23.Sxe5 Ta6 24.Dxc5 ) 23.cxd6 cxd6 24.Sb6 und die weißen Springer dominieren die Stellung.] 22...Le2 23.Sc4 Lxc4 24.Dxc4 Tc8 25.Tb7 Taa8 26.f4! Brettumfassende Strategie. Nach einer Minute taucht der Zug auch im Rechenhorizont von Fritz auf. Nach spätestens drei Minuten ist er erste Wahl. 26...exf4 27.exf5 Sxf5 28.Dxf4 Sg7 29.Te1 Sxe6 30.Txe6 Df7? [ Der Abgang in schlechter Stellung. Ebenso aussichtlos sind 30...Df8 31.Dh4 Tab8 32.Te7 h6 33.De4 ; oder 30...Dg7 31.De4 Da1+ 32.Kh2 ] 31.Dxf7+ Kxf7 32.Txd6 a4 33.Td7+ Kf6 34.Tbxc7 Te8 35.Txh7 Ke5 36.Tcd7 Kd4 37.Thg7 Kc5 38.Txg6 Te5 39.Tgd6 Tc8 40.Td8 Te3 41.Txc8 Kxd6 42.Td8+ Kc7 43.Td7+ Kc8 44.d6 Tc3 45.Tc7+ Kd8 46.h4 1-0

 

   Schnell machte dann das Schlagwort vom "Favoritenkegeln" die Runde, weil es zu Mitte des Turniers reichlich Überraschungen gab (siehe unten das Beispiel zwischen Meister gegen Brener). Gegen IM Rüdiger Seger (früher Bundesliga bei SK Bad Godesberg, jetzt Oberliga Süd-West bei SG Turm Trier) verdarb Jaeger nach zügig und sicher gespielter Variante im Sizilianer mit 2.c3 eine ausgeglichene Stellung erst im 45. Zug, da er eine Mattdrohung als Zwischenzug übersah (dies wäre einem Programm nie und nimmer passiert). Der Gewinner staunte über den zähen Widerstand und die Art seines Gegenübers, ohne viel Regung am Brett zu verharren. "Ich musste mich ganz schön in die Partie hineinknien," lautete sein Kommentar.

 










Seger,R (2420) - Jaeger,A (2061) [B22]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (5), 21.08.2003

1.e4 c5 2.c3 Sf6 3.e5 Sd5 4.d4 cxd4 5.Sf3 Sc6 6.cxd4 d6 7.Lc4 Sb6 8.Lb5 dxe5 9.Sxe5 Ld7 10.Lxc6 Lxc6 11.Sxc6 bxc6 12.0-0 e6 [ In dem neuen Standardwerk zum Anti-Sizilianer von Dorian Rogozenko wird das trickreiche 12...g6 13.Te1 Lg7 14.Lg5 0-0 15.Lxe7 Dxd4 16.Dxd4 Lxd4 17.Sd2 Tfb8 18.Tab1 Sd5 19.Sb3 Lg7 20.Ld6 Tb5 aus Sammaluvo - Krakops, Halle (Jugend-WM) 1995 als Weg zum Ausgleich angegeben, da der Druck gegen b2 die Schwäche c6 kompensiert.] 13.Sc3 Le7 14.Le3 0-0 15.Tc1 Tc8 16.De2 Sd5 17.Sa4 Da5 18.b3 Tfd8 19.Tc4 Db5 20.Tfc1 Lf6 21.Sc5 Se7 22.Dd2 Sd5 23.Se4 Le7 24.Lg5 f6 25.Le3 Sb6 26.T4c2 e5 27.Sc5 Sd5 28.De1 Sb4 29.Td2 Td5 30.a3 Lxc5 31.Txc5 Txc5 32.dxc5 Sd3 33.Dd1 Td8 34.Dc2 e4 35.Dc3 Td5 36.h3 Db7 37.Dc4 f5 38.f3 Se5 39.Dc3 Sd3 40.fxe4 fxe4 41.Dc4 De7 42.b4 De5 43.Te2 Da1+ 44.Kh2 De5+ 45.Kh1 Dh5? [ Alles unter Kontrolle hielt 45...De6 ] 46.Dxe4 Df7 [ 46...Dxe2?? 47.De8# ] 47.Lg1 Se5 48.Tf2 De7 49.Tf1 h6 50.Lh2 Dg5 51.Lg1 Dd2 52.Tf5 Db2 53.b5 Da1 54.bxc6 Td1 55.Txe5 Txg1+ 56.Kh2 Th1+ 57.Kg3 Dxa3+ 58.Kg4 Tf1 59.Te8+ Tf8 60.De6+ 1-0

 

   Die Belegschaft der vorderen Bretter wunderte sich zusehend. Da gewinnt einer, der Ohrenstöpsel nutzt, den ein Jugendlicher in einer frühen Runde auf dem Gang mit einem Diktiergerät Varianten aufzeichnen gesehen hat und der seine eigene Schreibunterlage mit seltsamen mystischen Symbolen in der Kopfzeile mitbringt. Das nächste "Opfer", Kristian Dimitrijeski (Elo 2141) vom Oberliga-Team der Schachfreunde Neukölln 2, fühlte sich, "wie von einem Großmeister vom Brett gefegt". Es gab im Mittelspiel ein wildes Bauernholzen an entgegengesetzten Flügeln und taktisches Vabanque-Spiel als Finale, wobei Jaeger diesmal "verdächtig" viel herumlief und komplizierte Züge unmittelbar nach der Rückkehr an das Brett ausführte. Die Metropole Berlin ist - wie die vielen Bezirksnamen auf -dorf, -berg, -hausen, -hof und -felde belegen - eigentlich eine Zusammenballung von Kleinstädten. Und der Klatsch gedieh nun prächtig. Vielleicht beeinflusste die "neue" Aufmerksamkeit den Emporkömmling. Gegen Altmeister FM Werner Reichenbach (Elo 2313) setzte es aus völlig missratener Eröffnung heraus einen taktischen Abschuss.










Jaeger,A (2061) - Dimitrijeski,K (2141) [E69]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (6), 22.08.2003

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 0-0 5.Sc3 d6 6.Sf3 Sbd7 7.0-0 e5 8.e4 c6 9.h3 Dc7 10.Le3 Te8 11.Dc2 b6 12.Tfd1 La6 13.b3 Tad8 14.Td2 exd4 15.Sxd4 Sc5 16.Tad1 Lb7 17.b4 Se6 18.Sb3 De7 19.c5!? Wird von Fritz 7 selbst nach zehn Minuten nicht in Betracht gezogen. 19...dxc5 20.Txd8 Txd8 21.Txd8+ Dxd8 22.bxc5 bxc5 23.Sxc5 Sxc5 24.Lxc5 Da5 25.Sa4 Auch dieser Zug liegt Fritz 7 nach zehn Minuten fern. 25...Sd7 26.Le3 Se5 27.Ld2 Auch darauf stößt Fritz 7 nicht nach über zehn Minuten. 27...Dd8 28.Sc5 Lc8 29.Le3 Da5 30.Kh2 h5 31.f4 Sd7 32.Sb3 Da4 33.e5 c5 34.e6 fxe6 35.Dxg6 Sf8 36.Dxh5 c4 37.Sc5 Dxa2 38.De8 De2 39.Lg1 c3 40.Dxc8 Dc4 41.f5 c2 42.fxe6 Lf6 43.Le3 c1D 44.Lxc1 Dxc1 45.Dc7 Sh7 46.Df7+ Kh8 47.e7 1-0

 

Werner Reichenbach

Altmeister Werner Reichenbach folgte den Spuren des jugoslawischen GM Bruno Parma und verhinderte Jaegers Sprung an die Tabellenspitze. Foto: Harald Fietz

  










Jaeger,A (2061) - Reichenbach,W (2313) [E31]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (7), 22.08.2003

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.Lg5 c5 5.d5 d6 6.e3 h6 7.Lh4 Lxc3+ 8.bxc3 g5 9.Lg3 e5 10.f3 e4 11.Da4+?! [ 11.f4 ; 11.h4 ] 11...Kf8 12.f4 Sg4 13.Kd2 Df6 [ Dem Computer gefällt 13...gxf4 14.exf4 Kg7 15.h3 e3+ 16.Kd1 Df6 17.Se2 Sf2+ 18.Lxf2 exf2 19.Dc2 Te8 besser.] 14.Dc2 gxf4 15.exf4 Lf5 16.Ke1 Tg8 17.Tc1 Sd7 18.De2 Te8 19.h3 Sge5 20.fxe5 Dg5 21.Kd1 Dxg3 22.exd6 Se5 23.Dh5 Sg4 24.Kc2 Tg5 25.Dxg5 hxg5 26.hxg4 Ld7 27.Sh3 f6 28.Le2 Dxg2 29.Tce1 Kg7 30.Kd1 Dg3 31.Sxg5 fxg5 32.Th5 Dxc3 33.Txg5+ Kf6 0-1

 

   Der Absturz schien vorprogrammiert, doch just das Gegenteil trat ein. Zwei erfahrene Oberliga-Spieler, der fast 63-jähige Herbert Kauschmann (Elo 2183, BSC Rehberge) und der 31-jähige Jan-Dietrich Wendt (Elo 2291, Schachfreunde Neukölln 2), erhielten gegen den Spieler vom drei Klassen tiefer spielenden Verein gute bzw. glatt gewonnene Stellungen. Aber Nerven und Zeitmanko begünstigten den sensationellen Sprung Andre Jaegers unter die Top-Ten-Platzierungen.

 










Kauschmann,H (2183) - Jaeger,A (2061) [B30]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (8), 23.08.2003

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.c3 Sf6 4.e5 Sd5 5.Lc4 Sb6 6.Lb3 d5 7.d4 cxd4 8.cxd4 Lg4 9.Le3 e6 10.0-0 Le7 11.Sbd2 0-0 12.h3 Lh5 13.Lc2 De8 [ 13...Lg6 14.Lxg6 fxg6 15.Sb3 Sc4 16.Sc5 Lxc5 17.dxc5 S4xe5 18.Sxe5 Sxe5 19.f4 Sc4 20.b4 a6 Lochte- Timoscenko, Berlin (Berliner Sommer) 1996; 13...Tc8 ] 14.Db1 Lg6 15.Lxg6 hxg6 16.Tc1 Tc8 17.a3 Sa5 18.Dd3 Dd7 19.Lg5 Lxg5 20.Sxg5 Txc1+ 21.Txc1 Sac4 22.Tc2?! [ 22.Sxc4 Sxc4 ( 22...dxc4 23.De4 Td8 24.Df4 ( 24.Dh4? Dxd4 25.Dh7+ Kf8-/+ ) 24...a6 ( 24...Sd5 25.Dh4 b5 26.Dh7+ Kf8 27.Dh8+ Ke7 28.Dxg7 Tf8 29.Se4 a6 30.Sd6 Da7 31.Td1+/- ) 25.Td1 Sd5 26.Dh4 b5+/- ) 23.Dg3 f6 24.b3 Sxe5 ( 24...fxg5 25.bxc4 dxc4 26.Txc4 b5 27.Tb4 Tf5 28.a4 bxa4 29.Da3 Df7 ( 29...Tf4 30.Dxa4 Df7 31.Dc2+/- ) 30.f3+/- ) 25.dxe5 fxg5 26.Dxg5 Df7<=> ] 22...Sxd2 23.Txd2 Sc4 24.Tc2 Tc8 25.Dg3 f6 26.exf6 [ 26.Sf3 De8 27.exf6 gxf6 28.b3 Sb6 29.Txc8 Sxc8 30.Sh4 ( 30.Dc7 Dc6= ) 30...g5 ( 30...Se7 31.Dc7 Kf7 32.Dxb7 Dc6 33.Dxc6 Sxc6 34.Sf3 e5 35.dxe5 fxe5+/= ) 31.f4 Sd6 32.fxg5 Se4 33.Dc7 fxg5 34.Sf3 Df7 35.Db8+ Kg7 36.Dxa7 Dc7<=> ] 26...gxf6 27.Sf3 Kg7 28.Sh4 g5 29.Sf3 Dd6! 30.Dxd6 Sxd6 31.Txc8 Sxc8 32.Kf1 Kg6 33.Ke2 Se7 34.g4 Sc6 35.b4 a6 36.Kd3 e5 37.Kc3 e4 38.Sd2 f5 39.a4 b5 40.a5 f4 41.Sb3 f3 42.Sc5 Kf7 43.Sb3 Ke7 44.Sd2 Sd8 45.Sf1 Se6 46.Se3 Sf4 47.Kd2 Sd3 48.Kc3 Kd6 49.Kb3 Sxf2 0-1

 

 










Jaeger,A (2061) - Wendt,J (2291) [A41]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (9), 24.08.2003

1.d4 d6 2.Sf3 g6 3.c4 f5 4.Lg5 Lg7 5.Sc3 h6 6.Lc1 Sf6 7.Dc2 0-0 8.d5 Sa6 9.Tb1 c6 10.e3 Ld7 11.b4 Tc8 12.Db3 Kh7 13.Lb2 Sc7 14.Ld3 De8 15.Td1 Df7 16.Lb1 b5 17.dxc6 Le6 18.Da3 Lxc4 19.Sd2 a6 20.h4 Sg4 21.h5 g5 22.Sxc4 Dxc4 23.e4 f4 [ Hier konnte Weiß die ungünstige Figurenzusammenballung von Weiß ausnutzen mit 23...a5 24.bxa5 ( 24.Sd5 axb4-+ ) 24...b4 25.Db3 ( 25.Da4 Lxc3+ 26.Lxc3 Dxc3+-+ ) 25...Dc5 ( 25...Dxb3 26.axb3 bxc3 27.Lc1 fxe4 28.Lxe4+ Kg8 29.0-0 ) 26.Se2 Dxf2+ 27.Kd2 Lxb2 28.Dxb2 De3+ 29.Ke1 Sf2 ( 29...fxe4 30.Dxb4 Sf2 31.Th3 Sxh3 32.Dxe4+ Dxe4 33.Lxe4+ Kg7 34.gxh3 Ta8 35.Sc3 Txa5-+ ) 30.exf5 Tf6 31.Dd2 Sxd1 32.Kxd1 Dxd2+ 33.Kxd2 Ta8 34.Tc1 Txa5 35.Tc4-/+ ] 24.Sd5 Dxc6 25.Sxe7 [ Ein Computer wirft 25.e5+ auf das Brett!] 25...Db6 26.e5+ Kh8 27.Ld4 Db7 28.Dd3 diesen Zug notierte Jaeger, doch als sein Gegner dies sah, reichte er - ohne die Exekution abzuwarten - die Hand und verließ fluchtartig den Turniersaal. 1-0

   Was bleibt zu bilanzieren? Im ersten Drittel hatte der Amateur Fortune, im letzten Drittel befanden sich die besseren Spieler auf der Siegerstraße. Dazwischen gab es drei beachtliche Produktionen, die allerdings für Experten keine ausreichende Basis für eine zuverlässige Schlussfolgerung bilden. Matthias Wüllenweber, der für den hauseigenen Spielserver eine aufwändige Überprüfungsmethode entwickelte, gibt nach Ansicht der Jaeger-Partien zu bedenken: "Bei den Partien habe ich eine Schwierigkeit: Unsere Analysesoftware ist sehr auf Schnellpartien unter 15 Minuten optimiert, weil das auf dem Server fast ausschließlich gespielt wird. Man kann jemanden fast nie anhand von einzelnen Partien sicher überführen. Jeder bessere Spieler findet ab und zu längere Serien von taktisch korrekten Computerzügen. Im Gesamtbild der Partien kann ich deshalb keine Rechnerverwendung beweisen. Bei langen Partien bin ich insgesamt pessimistisch, was sichere Beweisführung zum Computereinsatz angeht. Wer z.B. Advanced Chess mit interaktiver Analyse (vielleicht auch zu mehreren Beratern) spielt, erreicht höhere Spielstärken als ein Schachprogramm. Das kann algorithmisch dann nur mit einer großen Zahl von Partien nachgewiesen werden." Selbst unter den täglich 60.000 Internet-Partien sind dümmliche Versuche seltener als man gemeinhin annimmt: "Stupide geschummelte Partien (fast jeder Zug vom Programm) kommen etwa 30-50 Mal am Tag vor. Interessant ist, dass es auch eine hohe Zahl von Beschwerden über angeblichen Computereinsatz gibt. Es ist eine Standardausrede für verlorene Partien," berichtet der ChessBase-Gründer. Vielleicht spielte der Außenseiter Jaeger einfach das Turnier seines Lebens und viele günstige Faktoren (Überziehen der Gegner, Finden einfach strukturierter Eröffnungspläne, der richtige Mix aus Verbissenheit und Risikospiel) passen diesmal.

 

Robert Rabiega, Ulf von Herman

Co-Sieger Robert Rabiega (links) und sein Mannschaftskollege Ulf von Herman von König Tegel begutachten kritisch eine Variante der Schlussrundenbegegnung Jaeger gegen Wendt. Foto: Harald Fietz

 

Lehrling besiegt Meister

   Weniger kritisch ging man mit anderen Klasseleistungen ins Gericht. Ilja Brener, der Dritte der diesjährigen deutschen U-14 Meisterschaft, ist neben dem amtierenden U-14-Meister Atila Figura (beide SC Kreuzberg) eine große Nachwuchshoffnung im deutschen Schach. Im europäischen Revolutionsherbst 1989 in Moskau geboren, siedelte seine Familie 1991 nach Berlin über. Seit vier Jahren stehen ihm, der seine Elo-Einstiegszahl von 2114 innerhalb eines Jahres um 50 Punkte steigerte, regelmäßig Trainer für Individualcoaching zur Seite (z.B. GM Sergej Kalinitischew für Eröffnungen und Strategie und Holger Borchers, der 2001 Leonid Kritz bei seinem U-16-WM-Gewinn betreute, für das Endspieltraining).

 

Ilja Brener

Ilja Brener zeigte gegen seinen neuen Trainer, warum er eine der größten deutschen Nachwuchshoffungen ist. Foto: Harald Fietz

 

   Künftig vermittelt auch der seit einem Jahr in Berlin ansässige IM Jakov Meister (Elo 2503) vom ausrichtenden SC Friesen Lichtenberg ihm seine Kenntnisse aus der sowjetischen Schachschule. Respekt wird er dann bei der theoretischen Wissensvermittlung erwarten dürfen, respektlos ging es aber bereits in der Praxis zu Werk.

 










Meister,Y (2503) - Brener,I (2164) [C77]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (4), 19.08.2003

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.De2 b5 6.Lb3 Le7 7.a4 b4 8.a5 d6 9.Dc4 0-0 10.Dxc6 Ld7 11.Dc4 Lb5 12.Dxb4 d5 13.Dc3 Sxe4 [ 13...d4 14.Sxd4 exd4 15.Df3 Sxe4 16.d3 Lb4+ 17.Kf1 De7 18.g3 Lc6 19.Kg1 Sxg3 20.Dxc6 De1+ 0-1 in Mihic-Akovic, Jugoslawien 1995.] 14.Dxe5 Ld6 15.Dxd5 Sf6 16.Dxb5 axb5 17.0-0 c5 18.d3 Txa5 19.Txa5 Dxa5 20.Sbd2 Dc7 21.c3 h6 22.g3 Td8 23.Lc2 Sd5 24.Se4 Le7 25.Te1 f5 26.Sed2 Lf6 27.Sb3 Dc6 28.Ld1 b4 29.c4 Sb6 30.Le2 Sa4 31.Le3 Lxb2 32.d4 cxd4 33.Sfxd4 Df6 34.Sb5 Sc3 35.S5d4 Sxe2+ 36.Sxe2 Td3 37.Sc5 Txe3 0-1

 

Ungeschoren blieb keiner

   Und selbst der Turniersieger lebte heuer gefährlich. GM Robert Rabiega, der deutsche Meister des Jahres 2000, war als Nummer eins der Setzliste natürlich heißer Anwärter auf den Gesamtsieg. Aber der später mit Tragik das Turnier beendende Wendt wirkte in Runde vier noch sichtlich fokussiert; hatte er doch erst im Juli in Budapest beim First-Saturday-Turnier eine IM-Norm um einen halben Punkt verpasst. Die Tschigorin-Verteidigung überraschte kaum, denn sie gehört bereits länger zum Repertoire des Favoriten. Die Partie erstreckte sich über die volle Bedenkzeit von fast fünf Stunden und kann stellvertretend für den großen Kampfgeist bei dieser Veranstaltung stehen.

 










Wendt,J (2291) - Rabiega,R (2521) [D07]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (4), 19.08.2003

1.d4 d5 2.c4 Sc6 3.Sf3 Lg4 4.cxd5 Lxf3 5.gxf3 Dxd5 6.e3 e6 7.Sc3 Dh5 8.Le2 0-0-0 9.f4 Dh3 10.Lg4 Dh4 11.Lf3 Sge7 12.De2 Sd5 13.Ld2 Kb8 14.0-0-0 Dh3 15.Kb1 Lb4 16.Le4 h6 17.Tc1 f5 18.Lxd5 exd5 19.Sa4 Ld6 20.Txc6 bxc6 21.Da6 Dg2 22.Tc1 Dxf2 23.Tc3 Dxd2 24.Tb3+ Db4 [ 24...Lb4 25.Sc3 ( 25.a3 Dd1+ 26.Ka2 Dxb3+ 27.Kxb3 Le7 28.Dxc6 Td6 29.Db5+ Kc8 30.Da5 a6~~ ) 25...De1+ 26.Kc2 Df2+ 27.Se2 De1 28.a3 Dd2+ 29.Kb1 Td6 30.Txb4+ Dxb4 31.axb4+- ] 25.Txb4+ Lxb4 26.Dxc6 Ld6 27.Sc3 g5 28.Sxd5 gxf4 29.exf4 The8 30.Db5+ Ka8 31.Dc6+ Kb8 32.a4 Te1+ 33.Ka2 Te4 34.a5 Txd4 35.a6 Kc8 36.Sf6 Tb4 37.Da8+ Tb8 38.Dxa7 [ 38.Dd5! Txb2+ ( 38...Tb6 39.De6+ Kb8 40.Sd7+ Ka8 41.Sxb6+ axb6 42.Dd5++- ) 39.Ka1 Kb8 40.Kxb2 La3+ 41.Kxa3 Txd5 42.Sxd5+- ] 38...Le7 39.De3 Lxf6 40.De6+ Td7 41.a7 Ta8 42.Da6+ Kd8 43.Db7 Txa7+ 44.Dxa7 Td2 45.Db8+ Kd7 46.Db5+ Kd8 47.Dxf5 Txb2+ 48.Ka3 Tb6 49.Dd5+ Ke8 50.De4+ 1/2-1/2

 

   Gewonnen haben letztlich zwei Spieler von König Tegel, einem der Aufstiegsaspiranten in der 2. Bundesliga Nord in der neuen Saison 2003/04. Rabiega bezwang in der Schlussrunde Reichenbach und Rene Stern rang den bis dahin führenden Kalinitschew nieder. Außer Platz sechs gab es im vorderen Bereich Feldes von 155 Teilnehmern keine Ausreißer.

1.

GM Robert Rabiega

7,5 54,5

2.

IM Rene Stern

7,5 52,0

3.

GM Sergei Kalinitschew

7,0 57,0

4.

IM Wladimir Schilow

7,0 55,0

5.

IM Rüdiger Seger

7,0 54,5

6.

Andre Jaeger

7,0 50,0

7.

IM Jakov Meister

7,0 47,5

8.

IM Laszlo Hetey

6,5 55,0

9.

FM Werner Reichenbach

6,5 52,0

10.

Ilja Brener

6,5 51,0

 

   Den U-1600-Preis holte sich mit 4,5 Punkten die ehemalige Kuppenheimerin Barbara Görgen, die jetzt die Farben des mittelbadischen Überfliegerclubs Baden-Oos vertritt. In der Schlussrunde kam wieder ihr geliebtes Caro-Kann erfolgreich zum Einsatz.

 

Barbara Görgen

Zu Besuch bei Verwandten in Berlin-Hermsdorf landete Barbara Görgen im Mittelfeld und holte mit Platz 71 den ersten Preis in der U-1600-Wertung. Foto: Harald Fietz

 










Zoellner,R - Goergen,B [B19]
Berlin (Lichtenberger Sommer) (9), 25.08.2003

1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Lf5 5.Sg3 Lg6 6.h4 h6 7.Sf3 Sd7 8.h5 Lh7 9.Ld3 Lxd3 10.Dxd3 e6 11.Lf4 Sgf6 12.Se4 Sxe4 13.Dxe4 Da5+ 14.Ld2 Dc7 [ 14...Lb4 15.c3 Ld6 16.Dg4 0-0-0 17.Dxg7 Df5 18.Sh4 De4+ 19.Kd1 Th7 20.f3 Dxh4 21.Txh4 Txg7 22.g4 Th8 23.Kc2 Le7 24.Th2 Lg5 gewann Schwarz in de Firmian - Ivanov, Seattle (US-Ch) 2000.] 15.g3 Ld6 16.0-0-0 Sf6 17.De2 0-0-0 18.Kb1 The8 19.c4 c5 20.Lc3 De7 21.Th4 [ 21.Se5 Dc7 ( 21...Lxe5 22.Dxe5 cxd4 23.Lxd4+/- ) 22.f4+/= ] 21...Kb8 22.La5 Lc7 23.Lc3 Ld6 24.Te1 cxd4 25.Sxd4 Lb4 26.Dc2 Tc8 27.Sf3 Lxc3 28.Dxc3 Ted8 29.Sd4 Dc5 30.b3 Ka8 31.Db2 a6 32.Ka1 Sxh5 33.Sf3 Sf6 34.Se5 Dc7 [ 34...Db4 35.Dc1 Da5 36.Te2 Tc7 37.Th1 Sd5 38.Td1 Tdc8 39.Dd2 Dc3+ 40.Db2 Dxb2+ 41.Kxb2 Sf6-/+ ] 35.f4 [ 35.Td4 Txd4 36.Dxd4 Td8 37.De3 Da5 38.Te2 Td1+ 39.Kb2 Dc7-/+ ] 35...Td6 [ 35...Se4! 36.Th2 Sxg3 37.Tg1 Sf5-+ ] 36.Thh1 Tcd8 37.Df2 Td2 38.Te2 Da5 39.a4 Dc3+ 0-1

 

Metropolen brauchen Schach

   Und die Veranstalter wissen, dass sie weiter machen wollen und sollen. Der Friesen-Vorsitzende Wolfgang Hartmann kündigte die dritte Auflage für die dritte August-Woche 2004 an. Mit mehr Raumkapazität hofft sein motiviertes Team dann auf 200 und mehr Spieler. Keine unrealistische Zahl, wenn man bedenkt, dass sich das Turnier an einem Wochenende mit der 20. Ausgabe des populären Amateurpokals, einem Schnellschachturnier mit diesmal 158 Teilnehmern, überschnitt. Derzeit sind bei kleinem Preisfond unter 4000 Euro die Freizeitspieler noch in der Mehrheit. Es gab aber schon goldenere Zeiten. Früher hatten ohnehin mehr Metropolen ihr großes, internationales Open-Turnier. London, Amsterdam, Brüssel, Budapest, Berlin oder Hamburg galten als attraktive Orte, an denen sich Schach und Städtereise ideal verbinden ließ. Wien hat gerade - nach siebenjähriger Unterbrechung - mit einem großen Schachfestival vorgemacht, dass nicht nur idyllische Randlagen Schachliebhaber anziehen, sondern auch Städte, in denen zudem an weiteren Spiel-, Sport- und Vergnügungsmöglichkeiten kein Mangel besteht. Bis zur 16. Auflage 1998 war der Berliner Sommer eine feste Größe für den August im Terminkalender. Dann fehlte Organisator Alfred Seppelt die Lust zum Weitermachen und einen Nachfolger baute er nicht auf. Der hätte ohnehin eine hartgesottene Natur sein müssen, denn die Rahmenbedingungen änderten sich seit dem Start 1983 im subventionsverwöhnten West-Berlin gravierend. Ausfallbürgschaften sind heute schwer oder gar nicht zu erhalten, die Dresdner Bank beschränkt sich auf Fußball (Events rund um das DFB-Pokalendspiel und den Drumbo-Jugendcup) sowie ihre 60 grünen Bänder zur Jugendförderung und bei Geldern der Spielbank Berlin kam der Sport diesen Sommer mit einer 20% Kürzung noch gut weg, nachdem der Berliner Finanzsenator den Posten ganz für den Landeshaushalt kassieren wollte. Harte Zeiten für den 64-Felder-Sport abseits der TV-begleiteten Großveranstaltungen, harte Zeiten für das königliche Spiel, weltläufiges Flair in die Bundeshauptstadt zurück zu bringen. Solange sich durch persönliche Kontakte keine potente Finanzquelle in einem Großunternehmen findet, spielt man in einer kleinen Liga. Spannend kann auch das sein, denn man weiß nie, welcher Spieler vor dem Turnier den Laufpass bekommt.

 

 

(erweiterte Fassung eines Artikels aus dem Schachmagazin 64, Nr. 17 / 2003, S. 459 - 461)


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