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Das Ende des Computerschachs?

Eröffnungsbücher und Tablebases sind oft wichtiger als Engines

von Eric van Reem, Oktober 2001

mehr Schachtexte von Eric van Reem

 

Spannende Buchvarianten in Leiden?

   Am 27./28. Oktober und am 3./4. November wird in Leiden (Niederlande) bereits zum 21. Mal die Offene Niederländische Computerschach-Meisterschaft organisiert. Eine offene Meisterschaft, da nicht nur niederländische Programme teilnehmen dürfen, sondern auch Ausländer, die allerdings Mitglied des CSVN (Computerschach-Vereinigung Niederlande) sein müssen. Es werden insgesamt 16 Programme teilnehmen, darunter bekannte Programme wie Rebel, Gambit Tiger und Fritz. Man darf besonders gespannt auf das Abscheiden des neuen Programms Fritz 7 sein. Da das Match gegen Kramnik abgesagt wurde, hat das Fritz-Team um Programmierer Frans Morsch die Gelegenheit in Leiden mitzuspielen. Wie stark wird Fritz 7 sein? Können Rebel und Gambit Tiger sich revanchieren für die verkorkste WM? Und eine wichtige Frage: Ist das Eröffnungsbuch wichtiger als die Engine? 

 

Alex Kure

Alex Kure: Die wichtigste Person im Fritz-Team?

 

Eröffnungsbuch und Tablebases: braucht man die Engines bald nicht mehr?

   In Maastricht, bei der WM, konnte man erleben, wie wichtig es ist ein gutes Eröffnungsbuch zu haben. Vincent Diepeveen (DIEP-Programmierer) scherzte, dass die wichtigste Person im Fritz-Team eigentlich Alex Kure ist, ein Buchautor par excellence. Man kann über Single, Dual oder andere Prozessoren diskutieren so lange man will, ein gutes Buch und die Anbindung an die Tablebases scheinen wichtiger zu sein, als das eigentliche Programm oder die Hardware. IM Hans Böhm erzählte mir in Maastricht eine Geschichte über die Eröffnungsvorbereitung vor dem Computerzeitalter: "Ich habe mal mit Gena Sosonko eine Variante vorbereitet, und wir haben damals schon, vor 20 Jahren, eine Neuerung im 45. Zug gefunden! Aber ich befürchte, dass diese Zeit im Computerschach auch noch kommen wird."

   Spannender werden die Computerpartien meines Erachtens auf jeden Fall nicht. Durch diese langen, vorbereiteten Varianten hat man überhaupt keine Idee mehr, wie stark eine Engine tatsächlich ist. In Zukunft kann es passieren, dass sehr lange aus dem Buch gespielt wird, bis die Tablebases dann den Rest erledigen. Brauchen wir dann noch Schachprogramme? Im "Menschenschach" haben viele Leute mehr als genug von langen, vorbereiteten Varianten. Erinnern Sie sich? Beim diesjährigen Chess Classic in Mainz wurde die Theorie im Fischer Random Chess Match zwischen Peter Leko und Michael Adams außer Kraft gesetzt. Eine Alternative, die auch für Computerschach interessant sein könnte.

 

Das Rebel-Team

Das Rebel-Team: Ed Schröder (links) mit Jeroen Noomen

 

Beispiel aus Maastricht (WM 2001)

   „Damit haben wir nichts zu tun", lächelte Ed Schröder (REBEL) , nachdem die ersten 31 Züge (!) innerhalb von nur 5 Minuten auf dem Brett ausgeführt wurden. "Diese Partie ist Mr. Noomen - Mr. Kure, nicht Rebel-Quest." Alex Kure, der Buchautor von Fritz, befürchtete nach etwa 20 Zügen schon eine Killervariante. Da kam Rebel-Buchzauberer Jeroen Noomen kurz vorbei, grinste und sagte: "Ja, diese Stellung ist für Schwarz verloren. Gestern haben Ed Schröder und ich alles im Hotel vorbereitet. Ich habe die Variante vier mal gegen DeepFritz gespielt, allerdings mit Chess Tiger in Blitzpartien und Tiger hat jedes Mal gewonnen. Es ist unglaublich: nur gegen Fritz schaffe ich es immer eine vorbereitete Variante aufs Brett zu bekommen."










Rebel - Quest (DeepFritz) [B85]
WMCCC Maastricht (6), 22.08.2001

 

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le2 e6 7.0-0 Le7 8.f4 0-0 9.Le3 Sc6 10.Kh1 Dc7 11.De1 Sxd4 12.Lxd4 b5 13.a3 Lb7 14.Dg3 Lc6 15.Tae1 Db7 16.Ld3 b4 17.axb4 Dxb4 18.Se2 Db7 19.e5 Sh5 20.Dh3 g6 21.Sg3 dxe5 22.Lxe5 Sg7 23.f5 exf5 24.Lxg7 Kxg7 25.Sxf5+ gxf5 26.Dxf5 Lxg2+ 27.Kg1 Lc5+ 28.Dxc5 Lxf1 29.Dg5+ Kh8 30.Df6+ Kg8 31.Txf1 Der letzte Rebel Buchzug. Alternativen sind 31. Dg5+, aus Ermenkov-Adamski 1976, Remis und 31. Le4 wurde bereits zwei Mal gespielt, in Thipsay-Ye (Remis) und Breciani-Carparelli (1-0) (Quelle Mega 2001). 31...Tab8 32.Lxh7+ Kxh7 33.Dh4+ Kg7 34.Dg5+ Kh7 35.Tf6 Db6+ 36.Txb6 Txb6 37.Df5+ Kg7 38.De5+ Kg8 39.h4 Tc8 40.h5 Tb5 41.Dg3+ Kh8 42.Df4 Tg8+ 43.Kf2 Tgg5 44.Df6+ Kg8 45.Dxa6 Txb2 46.Dc8+ Kh7 47.Dc7 Kh6 48.Dc3 Txc2+ 1/2-1/2

die Partie zum Download

 

   Wie kann man den Einfluss der Eröffnungsbücher einschränken? Kreative Ideen bitte an meine E-Mail Adresse coko@rochadekuppenheim.de. Ich werde mir die "tollen Buchvarianten" in Leiden mal anschauen und in den nächsten Wochen darüber berichten.

Hier eine erste Reaktion:

Aus eröffnungstheoretischer Sicht ist erst ein Bruchteil der Möglichkeiten ausgeschöpft worden! Hier könnte es - gerade mit Hilfe der Computer - noch ein gewaltige Revolution geben. Shuffle Chess ist da gar nicht nötig. Auch beim klassischen Schach sind noch Millionen von guten Zügen noch nicht entdeckt worden - und ich spreche hier für die Möglichkeiten innerhalb der ersten 10 Züge!! Konkret habe ich berechnet, dass von 4.125.000 praktikablen Stellungen bis zum 10. Zug erst 45.110 (knapp 1,1%) bei den Großmeistern auf das Brett kamen (ausgehend von 5.000 Grundpositionen nach dem 4. Zug).

Hier der Beitrag von mir im CSS-Forum, der für eine lebhafte Diskussion sorgte (siehe die Antworten auf meinen Beitrag): http://f23.parsimony.net/forum50826/messages/10865.htm

Gruß, Christoph Fieberg


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