Startseite Rochade Kuppenheim

Partien vom Fischer Random Chess

zum Text über Fischer Random Chess


Vorsichtiges Abtasten

   „Ich habe mich insbesondere auf die Frage konzentriert, wie ich meine Figuren entwickele", erzählte Michael Adams von seinen ersten Gedankengängen vor dem Auftakt. Fünf Minuten Zeit stand dafür beiden Akteuren zur Verfügung, nachdem das Programm „Schach dem Schweinehund" die Startposition ausgelost hatte. Die erste Partie verflachte dennoch rasch, weil die beiden Akteure in ein vertraut wirkendes Endspiel abwickelten. Das Rochade-Recht war dabei auch für die Kommentatoren verwirrend: Artur Jussupow schlug in der ersten Partie eine Variante mit der „h-Rochade" (danach steht der König wie gewohnt auf g1 bzw. g8 und der Turm auf f1/f8; bei der so genannten „a-Rochade" nehmen die beiden Rochade-Protagonisten ihr Plätzchen auf c1/c8 und d1/d8 ein) vor. Allerdings konnte die Variante nicht gespielt werden, da der König über ein bedrohtes Feld rochiert hätte. Wie im klassischen Schach ist dies verboten. Peter Leko erklärte, dass auch er die Rochade-Möglichkeiten in der Berechnung berücksichtigt hatte, aber die Konsequenzen nicht genau übersehen konnte. Vielleicht der Grund, warum beide Spieler in der ersten Partie die Rochade vermieden und sehr vorsichtig agierten. „Beim Fischer Random Chess kann ich noch nicht beurteilen, ob ein Zug gut oder schlecht ist", äußerte Leko. Besser lief es bereits in der zweiten Begegnung. Obwohl Michael Adams diese verlor, fand er die Qualität „relativ hoch". Leko meinte, „wir müssen noch mehr Gefühl für die ungewöhnlichen Stellungen bekommen. Dann werden die Partien bestimmt noch interessanter".

 

Leko,P - Adams,M
Sparkasse Mainz Match (1)

 

1.e4 e5 2.Sd3 f5 3.exf5 e4 4.Se1 Sd6 5.Se3 Sxf5 6.f3 Sxe3 7.Lxe3 exf3 8.Sxf3 Ld5 9.c4 Lxf3 10.Dxf3 Dxf3 11.gxf3 Se6 12.f4 c5 13.f5 Sd4 14.Lxd4 cxd4 15.Le4 Le5 16.Kc2 Kc7 17.Kd3 Tae8 18.c5 Lf6 19.b4 Te5 20.The1 The8 21.Te2 d5 22.cxd6+ Kxd6 23.Tae1 T8e7 24.Lg2 Txe2 25.Txe2 Le5 26.h3 Tc7 27.Te1 b6 28.Le4 h6 29.a4 Tc8 30.Lb7 Tb8 31.Le4 Tc8 32.Lb7 Tb8 33.Le4 Tc8 32.Lb7 ½-½

 

Adams,M - Leko,P
Sparkasse Mainz Match (2)

 

1.c4 g6 2.d3 f5 3.Lc3 e5 4.f4 d6 5.fxe5 dxe5 6.g4 Lc6 7.Lxc6 Sxc6 8.gxf5 gxf5 9.Se3 Sge7 10.De1 De6 11.Sc2 0-0-0 12.0-0-0 Sg6 13.b3 Lf6 14.e3 f4 15.exf4 Sxf4 16.De4 Lg5 17.Kb1 Dg6 18.Dxg6 hxg6 19.d4 exd4 20.Sxd4 Sxd4 21.Txd4 Sd5 22.Txf8 Sxc3+ 23.Kc2 Txf8 24.Tg4 Lf6 25.a3 Le5 26.Txg6 Se4 27.h4 Tf2+ 28.Kd3 Sc5+ 29.Ke3 Ta2 30.Sf3 La1 31.h5 Txa3 32.h6 Txb3+ 33.Kf4 Tb6 34.Tg1 Tf6+ 35.Ke3 Te6+ 36.Kf4 Tf6+ 37.Ke3 Lb2 38.Th1 a5 39.h7 Tf8 40.Th2 Lf6 41.Th6 Sd7 42.Kd2 Kd8 43.Kc2 Ke7 44.Sh4 Kf7 45.Sf5 Se5 46.c5 a4 47.Se3 a3 48.Kb3 Ta8 49.Ka2 Sd3 50.Th1 Sb4+ 51.Kb3 a2 0-1


Wenig Raum für Mainzer Damen

   „Die Tante kann man begraben", kommentierte Vlastimil Hort, als Michael Adams in der vierten Partie gegen Peter Leko seine Dame auf g8 einsperrte. Nach den Zügen 3...Sg6 und 4....Sf6 schien es fast unmöglich, die Dame von Adams wieder ins Spiel zu bekommen, deshalb musste der Londoner die h-Linie öffnen. Artur Jussupow lobte die originelle Idee: „4...h5 ist ein riesiger Zug. Adams hat die Besonderheiten der Stellung ausgezeichnet erkannt!" Die erfahrenen Großmeister in den Kommentatorenzellen haderten noch mit der Beurteilung der Fischer-Random-Stellungen. Vlastimil Hort stöhnte: „Für mich ist die Stellung zu kompliziert." Und Helmut Pfleger fand, dass sowohl Adams als auch Leko schlecht standen - „oder sagen wir lieber komisch", einigte man sich letztlich auf eine gemeinsame Sprachregelung. Vor allem dank Adams entstanden außergewöhnliche Stellungen. Nachdem er zuerst den Königsflügel mit 4...h5 und 5...h4 öffnete, um die Dame zu befreien, versuchte er mit 14...a5 und 17...a4 sein Glück auf dem Damenflügel. „Ich hatte Schwierigkeiten mit der Koordination", gab Adams zu. „In der vierten Partie war ich vielleicht etwas zu optimistisch." Leko entwickelte sich anders. Die Dame wurde über f3 und f5 ins Spiel gebracht und so konnte der Großmeister aus Szeged die Initiative übernehmen. Nach 29 Zügen baute Leko die Führung auf 3:1 aus.

   Die dritte Partie war aus Sicht der Fischer-Random-Fans weniger interessant. Obwohl sich auch dort die Damen auf den Feldern b1 und b8 befanden, konnten die Kontrahenten die Damen geschickt ins Spiel bringen. Schon nach etwa zehn Zügen entstand eine Stellung mit vertrauten Motiven. Adams schien etwas im Vorteil zu sein, aber Leko verteidigte sich jederzeit aktiv. Nach 34 Zügen einigten sich die Großmeister auf ein Remis. Bemerkenswert in dieser ersten Partie war die ungewöhnlich anmutende „überlange" Rochade von Adams. Spektakulär sprang der König, der sich auf c1 befand, über den Td1. Nach der „h"-Rochade fanden die Figuren ihr vertrautes Plätzchen auf g1 und f1. Leko dagegen spielte im 18. Zug die „a"-Rochade, wobei er die Turm-Rochade anwandte, da der König bereits auf c8 stand. Nach dem zweiten Tag berichtete Michael Adams von seinen Erfahrungen: „Es ist sehr schwierig, eine schlechte Fischer-Random-Stellung zu verteidigen. Im klassischem Schach kann man noch den Kopf aus der Schlinge ziehen, weil man die Verteidigungsstrategien kennt. Ich weiß nicht, ob ich die gleichen Strategien im Fischer Random anwenden kann." Ein erstes positives Urteil fällte Leko: „Ich finde es super, mich nicht vorbereiten zu müssen. Im klassischem Schach wird man gezwungen, stundenlang Eröffnungen zu studieren. Spieler wie Kasparow behandeln die Eröffnungstheorie wissenschaftlich. Es ist schön, ans Brett zu sitzen, ohne Ideen zu spielen und zu hoffen, dass eine vernünftige Partie entsteht. Man sollte das Ergebnis nicht zu ernst nehmen, es ist für mich eine Herausforderung, Fischer Random Chess zu spielen. Es ist als Experiment zu bewerten." Fide-Weltmeister Viswanathan Anand schien neugierig auf die neue Variante. „Ich habe leider noch keine Fischer-Random-Partien gesehen, weil es keine gute Vorbereitung für mein Duell ist. Aber nach dem Match werde ich mir die Begegnungen interessiert und in aller Ruhe anschauen."

 

Adams,M - Leko,P
Sparkasse Mainz Match (3)

 

1.d4 d5 2.h3 c6 3.Sf3 e6 4.Lh2 Ld6 5.Lxd6 Sxd6 6.e3 Sg6 7.Ld3 Dc7 8.Sg3 f5 9.0-0 Se4 10.Se2 e5 11.b4 exd4 12.Sexd4 Tf8 13.Tc1 Se5 14.Sxe5 Dxe5 15.Sf3 Df6 16.c4 dxc4 17.Lxc4 0-0-0 18.Ld3 Ld5 19.Dc2 Kb8 20.a4 Sg5 21.Sxg5 Dxg5 22.Lf1 Le4 23.Dc5 h6 24.De5+ Ka8 25.Td1 Tde8 26.Dc7 Tc8 27.De5 Tce8 28.Dc7 Tc8 29.Dd6 f4 30.exf4 Txf4 31.Td4 Tf6 32.De7 Ld5 33.Te1 Df5 34.De3 Te6 ½-½

Leko,P - Adams,M
Sparkasse Mainz Match (4)

 

1.d4 d5 2.Sg3 Sf6 3.b3 Sg6 4.Lb2 h5 5.e3 h4 6.Se2 Te8 7.Sd3 Lf5 8.f3 Lxd3 9.Txd3 e5 10.0-0-0 e4 11.fxe4 Sxe4 12.Sc3 Sxc3 13.Lxc3 La3+ 14.Kb1 a5 15.Df2 Df8 16.g3 hxg3 17.hxg3 a4 18.Lg2 axb3 19.axb3 c6 20.Tf1 f6 21.Df5 Se7 22.Df4+ Ka7 23.e4 dxe4 24.Lxe4 Sd5 25.Lxd5 cxd5 26.Dc7 Dg8 27.Ld2 Te6 28.b4 Ta6 29.Dc5+ 1-0


Adams traut seinen Augen nicht

   Mit Schwarz musste Adams in der fünften Partie wenigstens ein Remis retten, um nach fünf Partien nicht schon hoffnungslos mit 1:4 ins Hintertreffen zu geraten. Lange Zeit sah es überhaupt nicht gut für den Engländer aus, schließlich hielt der Brite die Balance.

   Der sechste Vergleich hatte eine Überraschung parat: „Ich wollte meinen Augen nicht trauen", gestand Michael Adams, als das Programm „Schach dem Schweinehund" trotz der 960 unterschiedlichen Möglichkeiten die gleiche Stellung ausloste wie in der zweiten! Adams eröffnete diesmal völlig anders als in der zweiten Partie - und wesentlich erfolgreicher. Wurde hier erstmals Fischer-Random-Eröffnungstheorie geschrieben?! Er erreichte mit feinsinnigen Zügen einen Stellungstyp, den er gerne spielt. Nach 30 Zügen hatte Adams allerdings nur noch drei Minuten (seiner anfänglich 25 Minuten plus zehn Sekunden pro ausgeführten Zug) auf der Uhr, Leko dagegen mehr als sechs. Weiß konnte aber die geschlossene Stellung einfacher spielen. „Wir wollen einen Einschlag sehen", forderte Helmut Pfleger und musste sich nicht länger gedulden: 55.Txc6 entschied die Partie, weil der Ungar nicht alle Schwächen verteidigen konnte. Nach 67 Zügen feierte Adams seinen ersten Sieg im Fischer Random Chess und blieb somit Leko auf den Fersen. Der 21-Jährige hatte zum Schluss nur noch 24 Sekunden auf der Uhr, während Adams durch schnelles Spiel sein Zeitkonto auf mehr als eine Minute aufstockte. Vor den beiden letzten Partien führte der Weltranglistensiebte nur noch knapp mit 3,5:2,5.

 

Leko,P - Adams,M
Sparkasse Mainz Match (5)

 

1.c4 c5 2.Sf3 b6 3.b3 Sf6 4.e3 Lxf3 5.gxf3 g6 6.Sc3 Lg7 7.Sd5 d6 8.Sxf6+ Lxf6 9.Lxf6 exf6 10.Dc3 Df5 11.f4 0-0 12.Lg2 Sa6 13.o-o Sc7 14.d4 Se6 15.dxc5 dxc5 16.Td5 Txd5 17.cxd5 Sc7 18.Dc4 Se8 19.Da4 Dc8 20.Dxa7 Dd8 21.a4 f5 22.a5 bxa5 23.Dxc5 Sd6 24.Ta1 Db8 25.Dxa5 Dxb3 26.Dc5 Db8 27.Lf3 Tc8 28.Dd4 Dc7 29.Ta6 Dd8 30.Db4 Se8 31.d6 Dd7 32.Le2 Td8 33.Lb5 Db7 34.Dc5 Txd6 35.Txd6 Sxd6 36.Dxd6 ½-½

Adams,M - Leko,P
Sparkasse Mainz Match (6)

 

1.e4 g6 2.f4 d6 3.Sf3 Sc6 4.d3 f5 5.exf5 gxf5 6.Lh4 e6 7.Dd2 Sge7 8.Sc3 Sg6 9.Lf2 Dd7 10.d4 d5 11.g3 0-0-0 12.0-0-0 Kb8 13.Tde1 Lf7 14.b3 Sge7 15.Sa4 b6 16.Sb2 Sc8 17.Se5 De8 18.Dc3 Kb7 19.De3 Lg8 20.Sxc6 Dxc6 21.Sc4 Sd6 22.Sxd6+ Dxd6 23.Kb1 Lf6 24.c4 c6 25.Tc1 Lf7 26.Tfe1 h5 27.h4 Tc8 28.c5 Dd7 29.a4 Tb8 30.Te2 Kc7 31.cxb6+ Txb6 32.Ka2 Tfb8 33.Tc3 Tb4 34.Dc1 T8b6 35.Tec2 Dd6 36.Dd1 Kd7 37.Lf3 Db8 38.Td2 Dh8 39.Tdd3 a5 40.Tc5 Ta6 41.Le2 Le7 42.Tc1 Lf6 43.Le1 Tb7 44.Lc3 Le8 45.Lb2 Ta8 46.De1 Ke7 47.Ld1 Dg8 48.Tc5 Tba7 49.Lc3 Dh8 50.Lb2 Kf7 51.De2 Ke7 52.Te3 Dg8 53.Dc2 Kd8 54.De2 Kd7 55.Txc6 Kxc6 56.Txe6+ Kd7 57.Txf6 Tc8 58.De5 Tc6 59.Dxf5+ Kc7 60.De5+ Kb7 61.Txc6 Lxc6 62.f5 Dh7 63.f6 Ta8 64.Lxh5 Th8 65.Lf3 Te8 66.Dg5 Dc2 67.f7 1-0


Eine neue Dimension

   Adams konnte die mit Weiß etwas einfacher zu spielende Stellung nicht gewinnen. Deshalb ging Leko mit einem Vorsprung in die achte Partie, die dramatisch verlaufen sollte. Der Engländer war mit Schwarz drauf und dran, in der letzten Begegnung einen Tiebreak zu erzwingen. „Adams hat eine fantastische Stellung", glaubte Kommentator Artur Jussupow bald. Schon nach 16 Zügen sah Pocket Fritz großen Vorteil für Schwarz. Und die Bewertung wuchs und wuchs. Nach 24 Zügen lag sie weit über einer Bauerneinheit, nach 30 Zügen kletterte die Einschätzung auf 4,50 für Adams! Doch der 29-Jährige verlor im Zeitnot den Faden und musste in Verluststellung ins Remis einwilligen. „Es ist ein Wunder, dass ich diese Stellung nicht verloren habe", räumte Leko lächelnd ein. Somit gewann der Großmeister aus Szeged die erste inoffizielle Weltmeisterschaft im Fischer Random Chess mit 4,5:3,5.

 

Adams,M - Leko,P
Sparkasse Mainz Match (7)

 

1.d4 d5 2.c3 f6 3.e4 dxe4 4.Lxe4 Lg6 5.Shg3 c6 6.f3 Sf7 7.Se3 Sd6 8.Sef5 Df7 9.Sxd6+ Lxd6 10.Df2 Sd7 11.Ld2 0-0- 12.0-0 Lxg3 13.Dxg3 e5 14.Lxg6 Dxg6 15.Le3 Dxg3 16.hxg3 exd4 17.Lxd4 c5 18.Lf2 b6 19.g4 Se5 20.Tfd1 Tad8 21.b3 Sd3 22.Lg3 Td7 23.Td2 Tfd8 24.Te2 Kf7 25.Kf1 Tc8 26.a4 c4 27.b4 a6 28.Te4 Te7 29.Td4 Tee8 30.Ta2 Ted8 31.Te4 Te8 32.Td4 Ted8 33.Te4 Te8 34.Td4 ½-½

Leko,P - Adams,M
Sparkasse Mainz Match (8)

 

1.d4 g6 2.Sd3 Lg7 3.Sf3 b5 4.e4 Sf6 5.Sd2 d6 6.b3 Dd7 7.f3 0-0 8.g4 Sb6 9.De3 Tbc8 10.Lg2 c5 11.dxc5 dxc5 12.o-o c4 13.Se5 Dc7 14.bxc4 bxc4 15.Ld4 c3 16.Sb3 Sxe4 17.Sxg6 Sc4 18.Dd3 hxg6 19.Lxg7 Kxg7 20.fxe4 De5 21.Tf2 Tfd8 22.Df3 f6 23.Te1 a5 24.Sc1 Td2 25.Sd3 Dd4 26.Sf4 Kf7 27.Se2 De3 28.g5 Dxf3 29.Txf3 Se5 30.Th3 Txc2 31.Sd4 Td2 32.Sb3 Txa2 33.Th7+ Kg8 34.Txe7 Sd3 35.Td1 Sf4 36.Lf1 fxg5 37.Tdd7 Sh5 38.Lc4+ Kf8 39.Tf7+ Ke8 ½-½


zur Coko