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Mark Uniacke- ein junger Veteran

Interview mit dem Schachprogrammierer

von Eric van Reem, April 2003

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Mark Uniacke  

   Der 38-jährige Engländer Mark Uniacke, der mit seiner Frau Lorraine und den Söhnen Steven (11) und Edward (6) in Nord-London wohnt, war in den letzten Jahren ein seltener Gast bei Turnieren und Matches. Während des Matches gegen Barejew in Maastricht bediente Uniacke sein Programm allerdings selber und Eric van Reem nutzte die Gelegenheit für ein Interview mit dem Programmierer von Hiarcs, kurz vor der dritten Matchpartie.

Mark, man sieht dich ja ganz selten in den Turnierarenen, außerdem haben die Computerschachfreunde lange auf die Version 8 warten müssen, die dann endlich im Vorjahr erschien. Was sind die Gründe dafür?

Der Grund ist ganz einfach: ich hatte in den letzten Jahren kaum Zeit mich mit dem Programm zu beschäftigen. In der Telekomfirma, in der ich bis Oktober gearbeitet habe, hatte ich eine wichtige Position und musste oft für die Firma reisen. Ich konnte nur abends ab und zu an Hiarcs arbeiten. Es wäre kein Problem gewesen zwischendurch eine etwas bessere Version als Hiarcs 7 auf dem Markt zu bringen, aber meiner Meinung nach sollte eine neue Version mindestens 40 ELO Punkte besser sein als die Vorgängerversion, bevor ich sie den Kunden anbiete. In Oktober musste ich die Firma allerdings verlassen und seitdem habe ich mich intensiv mit dem Programm beschäftigt. Ich habe in der kurzen Zeit seit Oktober bereits sehr viel ändern und verbessern können. Die Version, die jetzt gegen Barejew spielt, ist mindestens 50 ELO-Punkte stärker als die Version 8. Hiarcs X gewinnt alle Matches gegen Hiarcs 8 überzeugend.

Wir können also schon bald eine neue Hiarcs Version erwarten?

Ich hoffe, dass in den nächsten Monaten die Version 9 auf dem Markt kommt, der Spielstärkezuwachs würde ein Update auf jedem Fall rechtfertigen.

  

Du würdest aber nicht zwischendurch diese "Maastricht" Version den Kunden als kostenloses Update anbieten?

Nein, auf keinem Fall! Ich bin doch kein Wohltätigkeitsunternehmen. Ich habe 10 Monate hart an Verbesserungen gearbeitet und finde, dass ich dafür auch belohnt werden sollte. Es gibt leider in der Computerschachwelt immer Leute, die erwarten, dass alles kostenlos zu haben ist. Das sehe ich nicht ein, ich habe schließlich zwei Kinder zu Hause, die etwas zu essen auf dem Tisch haben möchten. Wenn ich mir den Stundenlohn an Hand der Stunden ausrechne, die ich in der letzten Zeit in Hiarcs investiert habe, würde ich auf etwa 20 Cent pro Stunde kommen.

Wirst du versuchen dein Geld als Profi zu verdienen?

Das Problem ist, dass nur wenig Geld in der Branche zu verdienen ist. Ich werde mich allerdings auch in den nächsten Monaten mit dem Programm beschäftigen. Mal sehen, wie es läuft. Ich hätte nichts dagegen wieder die Spitzenposition auf der SSDF-Liste zu übernehmen. Ich habe noch sehr viele Ideen und eine unendlich lange "to-do-list". Eigentlich habe ich genug Arbeit für die nächsten Jahre. Ich werde auch an einer "Deep"-Version arbeiten, obwohl eine Parallelversion nicht ganz oben auf meine Liste steht. Für die meisten Leute zu Hause ist eine Deep-Version unwichtig. Wer hat schon eine Dual zu Hause stehen? Das ist auch das Problem mit einem Programm wie Brutus: es ist aus wissenschaftlicher Sicht zweifelsohne ein interessantes Experiment, aber wer bitte schön, kauft sich eine teure Hardwarekarte mit einem Schachprogramm? Aus kommerzieller Sicht ist es vermutlich uninteressant.

 

Mark Uniacke

 

Kannst du uns erzählen was in Hiarcs 8 verbessert wurde und welche Verbesserungen in Hiarcs X, das hier in Maastricht spielt, schon verarbeitet wurden?

In Hiarcs 8 wurde die Suche klar verbessert, außerdem habe ich noch mehr Schachwissen implementiert. In Version "X" wurde die Suche noch weiter verbessert, das Programm sucht jetzt noch tiefer. Das Problem ist, dass ich sehr viele Hiarcs-Versionen habe, in Maastricht spielt Version 8.196, dass heißt, dass ich seit Hiarcs 8 196 neue Versionen gemacht habe. Mindestens 10 Versionen haben noch mehr Schachwissen inne als diese "Maastricht"-Version. Das Problem ist, dass durch dieses zusätzliche Schachwissen das Programm nicht mehr in Balance ist, die positionellen Konzepte arbeiten nicht immer richtig zusammen. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie leicht es ist, ein Programm durch kleine Veränderungen völlig anders spielen zu sehen, leider nicht immer besser. Es kostet viel Zeit die Änderungen zu testen.

Kannst du etwas über deine Testarbeit erzählen? Machst du alles alleine?

Ich mache fast alles alleine. Eric Hallsworth testet auch oft neue Versionen und beschäftigt sich mit dem Eröffnungsbuch. Wenn ich eine gute Version habe, spiele ich etwa 400 bis 500 Blitzpartien gegen ältere Versionen und schaue mir danach 10 bis 20 Partien genauer an. Das Problem ist, dass die Programme auch auf meinem alten Rechner (Pentium 3, 1 GHz) auf einem 2600-2700er Niveau spielen und ich mit meinen 2000 ELO kaum beurteilen kann ob die Partien gut oder schlecht sind. Selbstverständlich kenne ich mein Programm sehr gut, aber es ist trotzdem schwer, die Partien richtig zu beurteilen. Ich versuche immer gewisse Themen in den Partien zu finden, und diese dann zu bearbeiten.

Könnte ein GM dann vielleicht bei der Entwicklung weiter helfen?

Ein GM wie Boris Alterman, der schon seit Jahren im Junior Team arbeitet, hat bestimmt dazu beigetragen, dass das Programm besser spielt. Ich habe zwischen Hiarcs 1 und 2 eine Weile mit GM Peter Wells gearbeitet, aber es ist sehr schwer die Empfehlungen eines GM in das Programm einfließen zu lassen.

 
Mark Uniacke  

Kommen wir zum Match gegen Barejew. Hast du schon mal gegen so einen starken Gegner gespielt?

Offiziell nicht. Gary Kasparow hat 1997 ein geheimes Match gegen Hiarcs gespielt, als Vorbereitung auf das zweite Match gegen Deep Blue, aber ich habe die Partien leider nicht bekommen. Ich habe mir erzählen lassen, dass Hiarcs einige Partien gewonnen hat. Ich hatte gehofft und auch erwartet, dass Kasparow Hackfleisch aus Deep Blue machen würde, es wäre eine exzellente Werbung für Hiarcs gewesen.

Jetzt versucht Kasparow sein Glück gegen Junior. Es werden im Moment viele Mensch-Maschine Matches gespielt, hast du dir die Partien aus dem Match Kramnik-Fritz angeschaut und hast du einiges aus den Partien lernen können?

Es ist schade, dass dieses Match in Maastricht gleichzeitig mit dem Match in New York gespielt wird. Es wird jetzt bestimmt wieder lange dauern, bevor ein interessantes Match stattfinden wird. Fritz hat in Bahrain hervorragend gespielt. Ich hätte nie gedacht, dass Fritz in der Lage sein würde, nach dem 3-1 noch zurück zu kommen. Fritz hatte natürlich Glück in Partie 5 und 6, aber man muss auch beachten, dass Fritz in der zweiten Matchhälfte ausgezeichnet präpariert wurde. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Match Unentschieden ausgehen würde. Kramnik ist meiner Meinung nach bei weitem nicht so stark wie Kasparow, aber ich habe gedacht, dass er besser geeignet wäre gegen einen Computer zu spielen. Aus dem Match habe ich gelernt, dass es wichtig ist die Damen auf dem Brett zu halten. In der ersten Partie gegen Barejew konnte man beobachten, dass Hiarcs Dd3 spielte und nicht die Damen tauschen wollte.

 

Und wie geht das Match in New York aus?

Kasparow wird klar gewinnen, Junior ist ein merkwürdiges Programm.

Inwiefern merkwürdig?

Es ist ein hervorragendes Programm, aber es ist unberechenbar. Junior spielt oft sehr schlechte Züge, aber dann wieder exzellente Züge, die man nicht erklären kann. Da denkt man als Programmierer: wie ist es nur möglich das Programm so zu programmieren, dass es diesen Zug spielt. Trotzdem spielt es insgesamt sehr gut.

Und ist Barejew ein guter Gegner für Hiarcs?

Ja, Barejew ist ein sehr interessanter Spieler. Es ist unglaublich schwierig Lücken in seinem Eröffnungsrepertoire zu finden. Er spielt sehr solide, die Caro - Slawischen Strukturen kann man kaum knacken, deshalb habe ich in der ersten Partie die Abtauschvariante gewählt, um diese Strukturen zu vermeiden. In der zweiten Partie hat er mich mit dem Zug 1.c4 überrascht, ich hatte 1.d4 erwartet.

GM Igor Glek erzählte mir während der zweiten Partie, dass Barejew diese Partie gegen Menschen gewinnen würde, aber gegen Computer ist es eine andere Geschichte, da die Monster so gut verteidigen können. Wie siehst du das?

Ja, er hat Recht. Die Springerzüge in der zweiten Partie sind für Menschen sehr schwierig zu berechnen, Hiarcs hat sich in der Partie hervorragend verteidigt. Allerdings war ich über die Züge h5 und Sg4 etwas enttäuscht, es sind einfach strategisch schlechte Züge. Daran muss ich arbeiten.

Denkst du dass nur 2700+ Spieler noch gegen starke Programme bestehen können? Oder hat ein 2400-Spieler noch eine Chance gegen Hiarcs oder Fritz?

Ich denke, dass ein gut vorbereiteter und erfahrener Spieler ohne große Probleme ein Unentschieden gegen ein Computerprogramm machen kann. Es ist sehr schwierig zu gewinnen, aber ein Remis ist immer möglich, auch für Spieler, die nicht in der Top 100 spielen. Hübner hat es gegen Fritz gezeigt. Wenn man nicht gewinnen will, macht man eben Remis.

Obwohl du erst 38 Jahre alt bist, ist Hiarcs schon ein altes Programm. Wann hast du eigentlich mit der Programmierung angefangen?

Ich habe schon immer gerne Schach gespielt. Als Kind gewann ich fast alle regionale Meisterschaften, unter 10, unter 11 usw. Als ich 14 war, hatte ich eine Wertungszahl von 1800. Außerdem war ich an Computern interessiert und habe mein erstes Schachprogramm geschrieben als ich 16 Jahre alt war, das war 1979. Von 1983 bis 1987 habe ich die Schachprogrammierung links liegen lassen, erst ab 1987 habe ich das erste Programm komplett in "C" umgeschrieben. Anfang der Neunziger kamen dann die ersten Hiarcs-Versionen und 1993 wurde ich sogar Weltmeister in München.

Rebel, Genius, MChess und Hiarcs dominierten damals die Computerschachszene: Ed Schröder hat mittlerweile aufgehört, Marty Hirsch auch, Richard Lang schreibt auch keine PC Programme mehr. Wie siehst du deine Zukunft?

(Lacht) Hört sich nicht gut an ... Keine Angst, ich bin noch jung und werde noch einige Jahre weiter machen, ich habe noch sehr viele Ideen.

Sehen wir dich dieses Jahr bei der Weltmeisterschaft in Graz?

In den letzten Jahren hatte ich nie Zeit, und ehrlich gesagt finde ich die Weltmeisterschaft nicht so interessant, da es eine Lotterie ist. Es werde zu wenige Runden auf unterschiedlichster Hardware gespielt. Nicht immer gewinnt das stärkste Programm. Fritz gewann 1995 in Hongkong, aber es war bestimmt nicht das stärkste Programm. Man braucht sehr viel Glück um die WM zu gewinnen, 1993 hatte ich selber auch Glück. Wenn ich die Zeit habe und eine gute stabile Dual-Version habe, könnte es gut sein, dass ich dieses Jahr in Graz dabei bin. Ich komme allerdings nur, wenn ich eine echte Chance habe die WM zu gewinnen. Ein zweiter Platz interessiert mich nicht.


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