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Der Turniersieg ist wichtiger als ein Titel

Junior-Programmierer Amir Ban Computer-Weltmeister

von Eric van Reem, Oktober 2001

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Diese Interview erschien in der Zeitschrift Computerschach&Spiele (www.computerschach.de) Nr. 5/2001. Dort berichtet Coko auch ausführlich über die Computer-WM 2001.


   Nachdem Junior die Partie gegen Rebel in Runde 8 gewonnen hatte und deshalb uneinholbar auf Platz 1 lag, sprach Eric van Reem mit dem Erfolgsprogrammierer und Weltmeister Amir Ban über das Turnier. 

 

Amir Ban bei der Titelverleihung

Amir Ban und Shay Buschinsky wurden in Maastricht mit Junior Weltmeister bei den Multi-Prozessor Systemen
Turnierdirektor Jaap van den Herik (rechts) gratuliert

 

Eric van Reem: Herzlichen Glückwunsch zum überzeugenden Sieg hier in Maastricht. Es ist etwas ganz Besonderes, ein Turnier mit zwei Punkten Vorsprung zu gewinnen. Bist Du froh, dass es jetzt vorbei ist?

Amir Ban: Ich bin jetzt ziemlich müde aber glücklich, dass ich den Titel gewonnen habe und dass dieses Turnier jetzt zu Ende ist. Wenn Junior ein Turnier gewinnt, dann auch gleich überzeugend. Bei der WM in Paris 1997 gewann Junior mit 1,5 Punkten Vorsprung.. Obwohl die Bedingungen nicht ideal waren, macht es mir viel Spaß das Programm zu bedienen. Es war sehr heiß und das Licht im Spielsaal hätte besser sein können

War es für dich wichtiger das Turnier zu gewinnen, oder ist ein Titel, in Deinem Fall Weltmeister bei den Multis, wichtiger?

Der Turniersieg ist unendlich viel wichtiger als der Titel. Auch das Publikum wird sich später nur erinnern können, wer dieses Turnier gewonnen hat, und interessiert sich meiner Meinung nach nicht für Singles oder Multis. Ich habe schon im Players Meeting gesagt, dass ich nach Hause fahren würde, wenn ich das Turnier gewinne. Ich hätte keine Play-off Partien gespielt.

Heute Morgen, in der Partie gegen Rebel, hast du Probleme mit deinem Rechner gehabt. Hatte dies etwas mit der Hitze zu tun?

 

Amir Ban

Während des Spiels mit dem zusätzlichen Ventilator

 

(Lacht) Oh ja, unser Rechner war überhitzt. Die Organisation konnte aber schnell einen Ventilator beschaffen und wir konnten weiter spielen. Für mich als Bediener war es auch angenehm einen extra Ventilator in der Nähe zu haben. Ich wusste gar nicht, dass es in Holland so heiß werden kann.

Kommen wir jetzt zu den Partien. Einige Programmierer meinen, dass Junior das Turnier ziemlich glücklich gewonnen hat und einige verlorene Positionen noch retten konnte, wie gegen Shredder. Wie siehst du das?

Junior hat nur eine verlorene Partie gerettet, die Partie gegen Shredder. Es war eine sehr ungewöhnliche und spektakuläre Partie. Zeig' mir eine andere Partie, in der Schwarz zwei Damen auf dem Brett hat und Weiß, in dem Fall Junior, einen ruhigen Königszug macht (75. Kg5).

Wie hast du diese Partie am Brett miterlebt?

Junior hatte große Probleme, das war klar. Es war die schlechteste Junior-Partie in diesem Turnier. Die Figuren standen nicht richtig und der Springer auf a4 konnte sich fast die ganze Partie nicht bewegen. Junior hat einige Ressourcen gesehen, die Shredder anscheinend nicht gesehen hat. Junior hat einen ganzen Sack voll Tricks parat, die in schwierigen Stellungen eingesetzt werden können, wie auch in der Partie gegen Crafty. Bob Hyatt hat mir während des Turniers geschrieben, dass er absolut nicht versteht, warum und wie Crafty gegen Junior verloren hat. Aber Junior hat es verstanden und war nicht überrascht die Partie zu gewinnen (lacht). Junior opferte einen Bauern auf d2, und vielleicht hätte Crafty tatsächlich f4 spielen sollen. Es wäre allerdings zu einfach zu sagen, dass die Partie dann verloren gegangen wäre. Junior bekam in der Partie gegen Crafty eine zweite Chance, und die wurde gegriffen.

Welche war die beste Junior Partie in Maastricht? Mir hat die Partie gegen Rebel gut gefallen.

 

Amir Ban

Junior-Autor Amir Ban (links) hantiert mit dem Notebook.
Die Amateur Weltmeister Frank Schneider und Kai Skibbe (Gromit Chess) schauen dem Maestro zu.

 

Ja, das war eine gute, kraftvolle Partie. Die Partie gegen Shredder war nicht gut, dafür aber sehr spektakulär. Die Partie gegen Tiger war auch nett, aber Junior hat eigentlich wenig dazu beigetragen, es war mehr eine Verlustpartie von Tiger, als eine Gewinnpartie von Junior. Für Junior war die Partie reine Routine, aber für das menschliche Auge sahen die Kombinationen schön aus. Ich fand die Partie gegen Crafty gut, weil sie sehr deutlich gezeigt hat, welche Qualitäten die neue Version hat. Juniors Stil sieht spekulativ aus, aber man kann höchstens sagen, dass Junior manchmal etwas unvorsichtig ist, Junior kann nicht so gut Bauern zählen. In der Partie sah man wie gut Junior die Kompensation für den Bauern bewertete. Diese Partie gegen Crafty war exemplarisch für die neue Engine.

Kommentator Hans Böhm war sehr von den Junior Partien angetan und sprach von "Kaffeehausschach". Wie bewertest du diese Aussage und den Vergleich zu Weltmeister Tal?

(Lacht) Hans und mein Partner Shay Bushinsky haben sich des öfteren über die Partien unterhalten und irgendwann fiel dann der Spruch "Kaffeehausschach". Shay kam mit dem Spruch und Hans hat natürlich dankbar den Vorschlag in den Kommentaren benutzt. Junior spielt schon etwas besser als Kaffeehausschach. Der Vergleich zu Tal schmeichelt mir natürlich.

Junior 7 spielt ganz anders als die Vorgängerversionen. Man könnte den Eindruck bekommen, dass du mit der Programmierung von Junior 7 komplett neu angefangen hast!

Nein, es ist noch sehr viel Junior 6 mit im Programm, z. B. wurde die Suchengine kaum geändert. Die war schon immer sehr gut und ungewöhnlich, da habe ich wenig ändern müssen. Eigentlich ist sie seit der Version 5 fast optimal. Trotzdem spielt Junior 7 ganz anders als die Vorgängerversion 6. Die Bewertung ist völlig anders. Das Programm spielt dadurch viel attraktiver als früher. Für das Publikum, aber auch für mich, sind die Partien viel interessanter.

Vor dem Turnier wurden Quest, Tiger und Shredder oft als Favoriten genannt und Junior wurden nur gute Außenseiterchancen eingeräumt. Warst du vor dem Turnier optimistisch, was Juniors Gewinnchancen angeht?

Um ein Turnier, wie die WM gewinnen zu können, braucht man Stabilität. Vor dem Turnier hatte ich vermutet, dass Junior nicht so stabil spielt wie Junior 6. Ich habe wahrscheinlich die Stabilität von Junior 7 unterschätzt. Wenn man eine Partie mit der 7er Version spielt, weiß man nie genau was passiert.

Kannst du uns noch etwas über die Zusammenarbeit mit Shay Bushinsky erzählen? Wer macht was? Und gehört Boris Alterman auch zum Team?

 

Amir Ban

Amir Ban (links) und Shay Bushinsky: ein perfekt eingespieltes Team

 

Ich mache die Programmierarbeit immer noch fast alleine. Shay arbeitet auch manchmal am Programm, kümmert sich um die Hardware und schleppt die schweren Monitore (lacht). Wir sind ein gutes Team. Boris hat das Junior 6 und 7 Buch gemacht, arbeitet aber im Moment nicht an dem Buch. Er arbeitet, wie Shay, für Kasparov Chess. Falls ein wichtiger Event ansteht oder eine neue Version vorbereitet wird, arbeitet Boris am Buch. Er war z. B. letztes Jahr in Dortmund vor Ort, als Junior im Großmeisterturnier mitspielte.

Wie sind die Pläne für das nächste Jahr? Spielst Du irgendwo noch ein Turnier oder steht ein Match gegen einen GM auf dem Programm?

Ich habe noch keine konkreten Pläne. Es wäre schön, wenn wir ein Match spielen könnten, und damit werden wir uns auch in den nächsten Monaten beschäftigen. Ich hoffe, dass der Sieg hier in Maastricht uns die Suche nach einem geeigneten Gegner erleichtert.

die Partien von Deep Junior bei der WM


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