Startseite Rochade Kuppenheim

Bubu

Matthias Burkhalters Buchrezensionen

Buchrezensionen von Matthias Burkhalter


Olms: Qualität hat einen Namen

Jedermann kennt die grossen, dicken Bücher der Edition Olms mit dem kleinen e im weissen Kreis auf dem Rücken. Erstaunlich ist bloss, dass dieser renommierteste deutschsprachige Schachverlag seinen Sitz ausgerechnet in der Schweiz hat. Dies war ein Anlass für ein ausführliches Gespräch mit dem Verleger Manfred Olms.

Matthias Burkhalter: Hombrechtikon habe ich kaum gefunden. Es liegt östlich des Zürichsees auf einem Hügelzug. Wie kommt ein Verlag dazu, sich in der Provinz anzusiedeln?

Manfred Olms: Der Standort spielt eigentlich gar keine grosse Rolle, wir verkaufen ja unsere Bücher nicht direkt, sondern über den Buchhandel und den Schachversand. Die Wurzeln des Verlags liegen allerdings in Deutschland. Landwirtschaftliche Fachliteratur stand auf dem Programm des 1886 in Hildesheim gegründeten Olms Verlags. Dieser Verlag wird heute noch von meinem Vater Dr. Walter Georg Olms und meinem Bruder Dietrich geführt. Nach dem Kauf des Weidmann-Verlags ist dieses Unternehmen heute mit ca. 5000 lieferbaren Titeln ein Schwergewicht unter den wissenschaftlichen Verlagen. Das Hauptgewicht des Angebots liegt dabei im Bereich der Geisteswissenschaften.

M. B.: Sie stammen also aus einer renommierten Verleger- und nicht aus einer Schachdynastie ...

M. O.: Als Schachspieler bin ich wirklich kein Talent. Mein Lebenslauf ist seit Anbeginn mit Büchern verknüpft. Meine Lehre als Antiquariatsbuchhändler absolvierte ich in Heidelberg beim Auktionshaus Tenner. Anschliessend arbeitete ich in der grössten wissenschaftlichen Buchhandlung der Welt, bei Blackwells in Oxford. Die Firma beschäftigt über tausend Leute. Tätigkeiten in allen Abteilungen des väterlichen Verlagshauses rundeten meine Ausbildung ab.

M. B.: Ihr eigener Verlag in Zürich, die „Edition Olms" startete 1978 zunächst mit dem Thema Humor, z.B. mit dem Emil-Buch, das für dessen Deutschlandtournee in Schriftdeutsch herausgegeben wurde. Mit 30'000 verkauften Exemplaren landeten Sie da schon früh einen Hit. Wie kamen Sie zum Schach?

M. O.: Viktor Kortschnoi emigrierte 1978 in die Schweiz. Ich kam mit ihm in Kontakt, und er war sofort bereit, aktiv an der Herausgabe von Reprints, der nachmaligen Tschaturanga-Serie, mitzuarbeiten. Seine Vorworte leiten die Bände ein. Noch heute ist er neben Rudolf Teschner, Helmut Pfleger und André Behr unser Berater. Eminent wichtig waren auch die Empfehlungen des Schachwissenschaftlers und Bibliothekars Christiaan Bijl aus Holland. So starteten wir mit dem Gustavus Selenus und dem Paul Morphy 1978 ganz erfolgreich, obwohl viele Leute die Gewinnaussichten sehr skeptisch beurteilten.

M. B.: Die Tschaturanga-Reihe ist ja heute sehr gesucht, sind doch etliche der Auflagen vergriffen. In letzter Zeit sind aber kaum mehr neue Publikationen hinzugekommen, da schlicht der Stoff ausgeht. Zudem werden in den ehemaligen Ostblockländern Billigstreprints hergestellt, die allerdings kaum eine Konkurrenz darstellen, denn die Qualitätsunterschiede sind gewaltig. Es reicht ja nicht aus, einen antiquarischen Band aufzuschneiden und abzudrucken.

M. O.: Das ist klar. Die Druckqualität muss stimmen, wir arbeiten nur mit bewährten Druckereien und setzen vor allem säurefreies, alterungsbeständiges Papier ein. Alle Einbände der Tschaturanga-Reihe sind in Fadenheftung gebunden. Beides entspricht dem internationalen Bibliothekenstandard. Diese klassischen Turnierbücher und Partiensammlungen grosser Schachspieler wie Steinitz oder Tarrasch werden so sicher eine Zierde jeder Schachbibliothek bleiben, etliche der fast 100 Titel sind in der Tag inzwischen vergriffen, und die legen wir nicht mehr neu auf.

M. B.: Für den aktiven Schachspieler ist Ihre Reihe „PraxisSchach" fast interessanter als die historischen Ausgaben. Autoren wie Dworetski und Mednis sind prominente Mitarbeiter. Mit schon über 40 Titeln ist diese Reihe immer noch ausbaufähig. Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, dass es sich primär um Übersetzungen und Zusammenfassungen längst publizierter Artikel handelt und nicht um Bücher, die eigens für den Verlag geschrieben worden sind.

M. O.: Die Reihe Praxis Schach soll möglichst allen Spielstärken gerecht werden, das ist ein Anspruch, der gar nicht so einfach zu verwirklichen ist. Sie finden also Spitzenautoren wie Mark Dworetski oder Jussupow, deren Werke erst richtig ab ungefähr 1500 ELO empfehlenswert sind. Die Titel von Edmar Mednis oder Rudolf Teschner hingegen wenden sich an alle Vereinsspieler. Einige wenige Anfängerbücher, die in vielen Buchhandlungen zu finden sind – wie etwa Schach in 40 Stunden – führen wir ebenfalls im Programm. Ihre Feststellung stimmt also: Wir lassen wichtige Werke übersetzten oder legen bewährte wieder auf oder sprechen Autoren auf gezielte Themenstellungen an. Wir richten uns so gut es irgend geht auf die Nachfrage unserer Schachkunden ein. Trotz der elektronischen Hilfsmittel entspricht der Griff nach dem Buch als Lehrmittel einem Bedürfnis, vor allem der jüngeren Schachfreunde.

M. B.: Schon mehrfach wurde der hohe Qualitätsstandard der Edition Olms angesprochen. Hoch sind aber auch die Preise. Zudem kosten alle Bücher in DM oder Franken gleich viel. Werden wir Schweizer da nicht gar zu arg gebeutelt?

M. O.: Nun, kaufen Sie hier in der Schweiz den Spiegel, so zahlen Sie auch statt fünf DM eben fünf Franken. Der Transport und die zusätzliche Lagerung aller Titel beim Bücherdienst Einsiedeln kosten eben auch Geld. Von jedem Schachtitel versuchen wir, 3000 Exemplare abzusetzen, davon entfallen ca. 5% auf die Schweiz, also bescheidene 150 Exemplare. Der Hauptmarkt ist sicher Deutschland mit seinen über 100.000 organisierten Schachspielern.

M. B.: Wie sieht es mit der Zukunft des Verlags aus?

M. O.: Die Reihe Praxis Schach wollen wir vor allem in Zusammenarbeit mit André Behr durch attraktive Titel und Themen ausbauen. Nächstes Jahr erscheint z.B. die dreibändige Kortschnoi-Biographie. Ausserdem erobert wir zur Zeit den englischsprachigen Schachmarkt mit der neuen Reihe „Progress in Chess". Sie entsteht in Zusammenarbeit mit Ken Neat und Nigel Short. Unseren Halbjahresprospekten können Sie entnehmen, dass die Gebiete Fotografie, Grafik+Design, Kunst und Musik ganz wesentlich zum Gedeihen des Verlages beitragen. Aber auf Olms können Schachfreunde weltweit auch in Zukunft zählen.

M. B.: Was erwarten Sie von uns Schweizer Schachspielern?

M. O.: Ich wünsche den Schweizer Schachspielern: 1. Freude am Spiel; 2. dass sich das Schachspiel doch irgendwann einmal an den Schulen als Workshop etablieren lässt. Ich sehe zur Zeit bei meinem siebenjährigen Sohn, mit wie viel Enthusiasmus er sich ans Brett setzt und ganz begierig ist zu spielen. 3. Sollten wir alle den 70. Geburtstag von Viktor Kortschnoi am 23. März 2001 mitfeiern.

M. B.: Ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch und wünsche Ihren Büchern und Ihnen selbst weiterhin viel Erfolg.


zu Bubu