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Matthias Burkhalters Buchrezensionen Juni 2002

mehr Buchrezensionen von Matthias Burkhalter


Von Meilensteinen der Buchherstellung und der Schachgeschichte

 

Neulich kauft ein deutscher Schachfreund bei mir ein Buch. Per E-Mail tauschen wir einige Nettigkeiten aus, und siehe da, er hat ja selbst ein Buch geschrieben! Ulrich Dirr, der zusammen mit Grossmeister Stefan Kindermann den unten besprochenen Band zusammengestellt hat, spielte jahrelang in der zweiten Bundesliga und ist ein Fachmann der Französischen Verteidigung. Da er von Beruf Typograf und Grafik-Designer ist, sieht das Buch auch absolut erstklassig aus, besser können die Darstellung und der Druck fast nicht mehr werden. Ein wenig viel Lob für ein Eröffnungsbuch...

 

Stefan Kindermann, Ulrich Dirr: Französisch Winawer. Band 1: 7.Dg4 0-0.
Softback 342 S., Chessgate, München 2001, 22,91 Euro

 

Da ich von Eröffnungen nicht allzu viel verstehe, habe ich mich im Internet nach einigen Kommentaren umgesehen. René Olthof schreibt dazu in NIC frei übersetzt: "Das Buch steht nicht über anderen Eröffnungspublikationen, nein es steht Meilen über ihnen und gehört wirklich zu der ganz kleinen Gruppe von wirklich guten Eröffnungsmonographien".

Es ist ja wohl kaum mehr möglich, ein umfassendes Buch über eine ganze Eröffnung zu schreiben, deshalb legen die Autoren nur eine Übersicht eines Abspiels vor. Das Buch beginnt mit einer Geschichte des Zuges 3...Lb4. Winawer, Nimzowitsch, Botwinnik, Uhlmann (Wir kennen sein Buch: Ein Leben lang Französisch, 1991) und zahlreiche andere Schachgrössen werden mit Bild und im Text herangezogen. Dann folgen die Meilensteine von 1861 bis ins Jahr 2000. In Paulsen-Kolisch wurde bereits im Jahr 1861 3...Lb4 erstmals gespielt! Weiter folgt ein Kapitel über Zentrumsstrukturen und Motive. Der Spieler soll wissen, wieso er sich auf die Variante einlässt. Wenn man die strategische Idee einer Eröffnung nicht begriffen hat, so nützt alles Auswendiglernen von ganzen Eröffnungsbäumen nichts. Der dritte Teil ist der Theorie gewidmet, die sich auf Partien stützt. Die Varianten und die Kommentare sind stets gut nachvollziehbar, da viele Diagramme und graphische Mittel eingesetzt werden. Zudem steht mit der Farbe Rot ein weiteres Gliederungselement zur Verfügung. Einem Partienteil folgen am Schluss die nötigen Anhänge. Zum Abschluss noch ein Zitat von Gerald Hertneck in Schachmagazin 64/Schach Echo: "Als Fazit ist hervorzuheben, dass vielleicht noch nie in der Geschichte der Veröffentlichungen über Schachtheorie ein so liebevoll geschriebenes und gestaltetes Werk vorgelegen hat". Dem ist so. Und auch die Preisangabe ist kein Verschrieb.

 

125 Jahre Deutscher Schachbund 1877-2002. Festschrift zum 125-jährigen Jubiläum.
Herausgeber Deutscher Schachbund und Schachverband Sachsen, Leipzig 2002

 

In der Juni-Nummer berichtete Norbert Heymann über das Jubiläum des Deutschen Schachbundes in Leipzig. Zu diesem Anlass ist ein Büchlein erschienen. Es wurden allerdings bloss 1000 Stück dieser Jubiläumsschrift gedruckt, das erstaunt doch masslos, wenn man weiss, wie viele eingeschriebene Schächer der Deutsche Schachbund hat. Das Büchlein dürfte bald eine gesuchte Rarität werden.

Gesamthaft ist es eine hochinteressante Zusammenstellung, die jedoch nicht ganz in die Reihe der bisherigen schwergewichtigen Jubiläumsschriften passt (vgl. Schach in Deutschland von Alfred Diel zum Hundertjährigen). Vielleicht bringt die folgende Notiz in Schach-Magazin 64/Schach-Echo von 2001 zum Thema "Ein fast vergessener Schachbund" einige Erklärungen: "Um zu vermeiden, dass diese wichtige Schachorganisation [Arbeiter-Schachbund] noch mehr in Vergessenheit gerät, als das bisher bereits geschehen ist, hat sich das Präsidium des Deutschen Schachbunds entschlossen, zu dessen 125-jährigem Jubiläum (im Jahre 2002) ein Buch über die Geschichte der Arbeiter-Schachbewegung herauszugeben. Die Vorarbeiten dafür sind schon weit gediehen. Gerhard Willeke hat den Stoff in Bearbeitung". Da jedoch die Arbeiten wohl den gespannten Rahmen durch die Materialfülle gesprengt haben, liegt eben erst der Schnellschuss vor. Ernst Bedau, der Referent für Breitenschach und Koordinator der Broschüre, schreibt dies auch mehr oder weniger in seinem Vorwort. Es handelt sich nämlich mehr um eine Chronik des Sächsischen Landesverbandes und des Leipziger Schachs als um eine veritable gesamtdeutsche Rückschau.

Wir finden aber durchaus auch einige Trouvaillen von besonderem Wert. Die Chronik von 1877-1933 wird zu Recht auf 2-3 Seiten abgehandelt, da man die frühe deutsche Schachgeschichte ja kennt. Dann folgt der Abschnitt "Das Deutsche Schach im Dritten Reich", der schon weniger bearbeitet ist und sich auf die grundlegende Arbeit von Ralf Woelk stützt (Schach unterm Hakenkreuz, 1996). Es folgen Kapitel über das Nachkriegsschach, die Problemschachspieler, die Blinden- und Sehbehinderten und sogar über den Deutschen Schachverband der DDR, der 1952 als erster DDR-Sportverband international anerkannt wurde, 1960 die Olympiade in Leipzig durchführte und sich Ende 1990 dem DSB anschloss. Bemerkenswert aus DDR-Zeiten ist sicher die erstklassige Zeitschrift "Schach", die ja immer noch erscheint. Mit Interesse erfährt der Leser auch, dass das Saarland bis 1957 einen eigenen Schachverband hatte und mit der saarländischen "Nationalmannschaft" an drei Olympiaden gar nicht schlecht mitspielte.

Die Legende Wolfgang Uhlmann erhält richtigerweise ein eigenes Kapitel. Im Gegensatz zu Ludek Pachman, dessen Irrungen und Wirrungen, Ansprüchen und Ausbrüchen ganze sieben Seiten gewidmet sind, stimmt Uhlmann versöhnliche Töne an, auch wenn er von seinem Verband nicht immer gefördert worden ist. Ein sympathischer Mensch.

Jetzt bin ich gespannt, ob das Buch von Gerhard Willeke über das Arbeiterschach doch noch erscheinen wird.

 

Frank Zeller: Tübinger Meisterturnier 2001. Tübinger Beiträge zum Thema Schach, Bd. 7.
Softback 128 S., Promos, Pfullingen 2002, 12.50 Euro

 

Die lange Geschichte der Tübinger Schachereignisse kulminierte im Meisterturnier 2001. Zehn nationale und internationale Meister kämpften im historischen Ambiente des Tübinger Salzstadels um Siege und Punkte. Der Autor spielte als württembergischer Meister selbst mit und kommentiert alle Partien. Die Turnierteilnehmer werden mit Foto und recht ausführlichem Text alle vorgestellt. Unter anderem sind der Sieger Eckhard Schmittdiel aber auch Oberstaatsanwalt Hans Ellinger dabei, der die Tübinger Beiträge herausgibt und einer der grössten Schach-Sammler Deutschlands ist.

Die Reihe mit den sieben bisher erschienenen Bänden ist recht heterogen, umfasst aber einige hervorragende Publikationen wie die beiden vergriffenen Bände von Paul Thieme, Zur Frühgeschichte des Schachs, die bloss noch beim Schreiber dieser Zeilen erhältlich ist oder der bereits erwähnte Band von Ralf Woelk, Schach unterm Hakenkreuz. Band 7 zähle ich hingegen eher zu den netten Leichtgewichten.


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