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Matthias Burkhalters Buchrezensionen April 2002

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Schachgeschichte und Schachgeschichten

 

Spärlich, spärlich tröpfeln die Schachbücher auf des Rezensenten Tisch. Können sie überhaupt tröpfeln? Mein Namensvetter Matthew kann in "Sadler on Books", seiner New In Chess-Bücherspalte ganz anders vom Leder ziehen. Seine in klassischem englischem Humor verfassten Besprechungen sind etwas vom Feinsten, das es gibt. Da ich schon bei England weile, folgen zunächst drei Hinweise aus dem Verlag "The Chess Player".

 

A.J. Gillam: Munich 1942. European Chess Championship.
Rare and Unpublished Tour-naments and Matches 55, Softback 124 S., Nottingham 2001, £ 12.-

 

Zu diesem von Aljechin vor Keres gewonnenen Turnier existieren zwei Bücher. Eines davon ist der erste Band der Europa-Schach-Rundschau, der sehr gesucht und selten ist. Aus diesem Band wird der ganze Vorspann, der eine Übersicht über die Entstehung des Europaschachbundes gibt, in Deutsch mit englischer Übersetzung publiziert. Dem am 14. Juni 1942 in Salzburg aus der Taufe gehobene Europaschachbund war kein dauerhafter Erfolg beschieden, denn er stand unter der Vorherrschaft des Grossdeutschen Schachs mit all seinen Begleiterscheinungen. Mit Freude nehmen wir auch zur Kenntnis, dass die Schweiz dieser Vereinigung fern geblieben ist.

Anlässlich der Gründung fand ein erstes Turnier statt, das ebenfalls von Aljechin vor Keres, Junge, Schmidt, Bogoljubow und Stoltz gewonnen wurde. In der Schweizer Arbeiter Schach-Zeitung vom September 1942 steht dazu: "Neben den ehemaligen Russen Aljechin und Bogoljubow ist die Teilnahme des aus der Sowjetunion desertierten Keres, der noch im Frühjahr 1941 die sowjetrussische Meisterschaft bestritt, als ein Beispiel der politischen Verwilderung und Gesinnungslosigkeit der heutigen Zeit besonders interessant". Das waren noch Zeiten als vornehmlich auf roten und braunen Feldern gestritten wurde.

Der vorliegende Band bringt alle 66 Partien aus dem zwölfköpfigen Meisterturnier mit ausführlichen Kommentaren aus historischen Quellen. Vom gleichzeitig durchgeführten Qualifikationsturnier sind 65 Partien wiedergegeben. Es fehlt nur die Notation einer ein-zigen Partie! Wahrlich eine verdienstvolle Fleissarbeit von Schachfreund Gillam in historischer und schachlicher Hinsicht. Das handliche Büchlein wird durch einen Eröffnungs- und Spielerindex abgerundet. Trotz des beachtlichen Pfundkurses sehr empfehlenswert.

 

Peter Lahde: USA Championship New York 1938.
Rare and Unpublished Tournaments and Matches 56, Broschur 59 S., Nottingham 2001, £ 8.50

 

Zu dieser Meisterschaft ist bisher keine Publikation erschienen. Peter Lahde hat Schachhefte und -spalten durchforscht und legt uns nun 85 Partien und 1 Stellung der insgesamt 136 Zweikämpfe vor. Darunter sind alle Partien des Siegers Samuel Reshevsky, des Zweiten Reuben Fine und des Schachpublizisten Fred Reinfeld, dessen Notationsheft weiterhalf. Die Partien sind teilweise kommentiert, der Kommentar zum Turnier ist allerdings eher kurz. Verdienstvoll die Tabelle mit allen Resultaten, den Ranglisten der drei Vorrunden und der Frauen-Meisterschaft, von der eine einzige Partie ebenfalls gefunden werden konnte. Da dürfte trotz aller Bemühungen bei den Recherchen noch mehr drin liegen, auch wenn 1938 sicher eine schwierige Zeit war.

 

Aidan Woodger: Sergey Belavenyets and Nikolai Ryumin.
Chess Master Series 15, Soft-back 96 S., Nottingham 2001, £ 9.95

 

Vor dem Zweiten Weltkrieg fand Schach als Programmpunkt Aufnahme in die Fünfjahrespläne der Sowjetunion. Zwei der Meister, die viel für die Entwicklung des Schachs in jener materiell sehr harten Zeit beitrugen, waren Sergey Belavenyets (1910-42) und Nikolai Ryumin (1908-42). Ihnen beiden ist das vorliegende Werk gewidmet. Das Büchlein basiert auf russischen Quellen und bringt somit nichts absolut Überraschendes. Über beide ist ja bereits ein Bändchen erschienen, doch wer versteht schon Russisch? Alle 35 Partien sind reich kommentiert und mit Diagrammen versehen. Die biographischen Angaben sind eher knapp. Aus meiner Sicht keine absolut notwendige Publikation.

 

Owen Hindle, Bob Jones: "The English Morphy?" The Life and Games of Cecil De Vere First British Chess Champion.
Softback 130 S., Keverel Chess Books, Exmouth 2001, £ 12.99

 

Die englischen Meister haben Konjunktur. Nachdem ich in der letzten Nummer auf einen Beitrag über Staunton hingewiesen konnte, habe ich nun die Freude, einen seiner Vorgänger zu präsentieren. 1866 scheint die erste britische Meisterschaft über die Bühne gegangen zu sein. De Vere wurde Sieger. Später belegte er vielfach Ränge unmittelbar hinter Steinitz, was als Ausweis über seine Spielstärke genügen sollte. In einem Wettkampf 1865-66 gab Steinitz allerdings Zug und Bauer vor, unterlag dann aber 8 zu 4. Ob eine Bauervorgabe immer ein Nachteil sein muss, ist allerdings aus meiner Sicht mehr als fraglich.

Der vorliegende Band erhebt den Anspruch, alles über de Vere Bekannte zu publizieren, so unter anderem 101 kommentierte Partien, einige Abbildungen, erfreulich viel Begleittext. Das Büchlein ist relativ wild gestaltet, aber trotzdem verdienstvoll. Nigel Short mein im Sunday Telegraph dazu: "An interesting Book". Das ist allerdings ein nicht allzu ausführlicher Kommentar, der interpretiert werden müsste.

Für 13 Pfund hätte ich es nicht gekauft, da es aber bloss für 12.99 angeboten wird, muss man sich dies natürlich schwer überlegen. Für weitere Infos www.keverelchess.co.uk.


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