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Matthias Burkhalters Buchrezensionen Februar 2002

mehr Buchrezensionen von Matthias Burkhalter


Andor Lilienthal: der Freund aller Weltmeister

 

George Négyesi: Lilienthal's hundred best games. Champions Friend, Friendship's Champion.
Softback 237 S., Caissa Chess Books, Kecskemét 2001, Fr. 27.-

 

Andor, Andrej, André wurde und wird der Meister mit dem wallenden Haar und der tadellosen Kleidung von den Weltmeistern gerufen. 1992 in Sveti Stefan im Match Fischer gegen Spasski fand das enfant terrible unter den Weltmeistern allerdings eine neue Grussformel: "Bauer e5 nimmt auf f6". Der elfte Weltmeister meinte damit den Beginn der Schlusskombination gegen Capablanca im Weihnachtsturnier von Hastings 1934. Damit komplettierte Lilienthal seine Bekanntschaft mit allen Weltmeistern ausser Steinitz, der ein Jahrzehnt vor seiner Geburt gestorben war. Insbesondere Lasker kannte er gut, denn so wie der gebürtige Ungare nach Moskau umgezogen war, floh auch der schon alte deutsche Vorkämpfer vor den Nationalsozialisten für einige Zeit in die Metropole des Schachs, wo ihm sein Kollege in Alltagssachen behilflich war. Diese Informationen entnehme ich der 14seitigen Eloge von Péter Szilagyi im Vorwort. Was leider nicht drin steht, sind die Umstände der Emigration des Meisters ins Russland Stalins und seine Rückkehr nach Budapest. Dieses Kapitel in der Biographie sollte einmal noch erhellt werden.

Die vorliegende Partiensammlung ist sehr gut gemacht, die Kommentare sind hilfreich, jede Partie hat ein Diagramm, zudem hat es eine Turnierresultatübersicht sowie einen Eröffnungsindex am Schluss. Die elf am Schluss eingefügten Fotos sind hingegen eher zufällig ausgewählt. Unter seinen Opfern finden wir keine Schweizer, da er leider an keinem der grossen Schweizer Turniere teilgenommen hat, obwohl er ganz Europa bereist hat. Gesamthaft sicher ein verdienstvolles Werk über einen faszinierenden Schachspieler.

 

Der Internationale Schachkongress zu Amsterdam im August 1889 bearbeitet von D. van Foreest und I.D. Tresling.
Hardback 101 S., Utrecht 1891, Reprint Caissa-90, Olomouc, 24 Euro

 

Amsterdam 1889 war kein herausragendes Turnier. Mit dem Sieg von Amos Burn vor Lasker sind zwar zwei bekannte Spieler vorn anzutreffen, doch stammten die anderen Konkurrenten aus der zweiten Reihe. Wenn uns nun dieses Buch trotzdem als Reprint vorgelegt wird, hat das damit zu tun, dass die grossen Events alle bestens abgedeckt sind und insbesondere der Olms-Verlag die schönsten Sachen erneut herausgegeben hat. Nun sind die Tschechen daran, auch noch den Flugsand zu Gold zu machen. Das tönt ja sehr kritisch, doch ein Original in der Hand ist immer schöner als ein Nachdruck. Als Schachzyniker warte ich natürlich nun darauf, dass sich ein mongolisches Verlagshaus daran macht, Reprints von Reprints herzustellen. Und das müsste ja dann noch nicht die letzte Stufe der Schachliteraturentwicklung sein...

 

Oldenburg 1949.
Broschur 73 S., Rare and Unpublished Tournaments and Matches 54, The Chess Player, Nottingham 2001, 9£, 10 Euro

 

Im Gegensatz zum oben besprochenen Buch handelt es sich bei Gillams Turnierbroschüren um sehr wertvolle Publikationen, sammelt er doch alle verfügbaren Partien und gräbt dazu in der Tagespresse nach noch unbekannten Partien. Zudem verfügt der Engländer über ein riesiges Beziehungsnetz mit Sammlern der ganzen Welt, so dass manche Seltenheit aufgedeckt wird.

Oldenburg 1949 war eines der ersten Nachkriegsturniere in Deutschland. Die Sieger Zemgalis und Bogoljubow stiessen auf 16 weitere Kämpen aus Europa. Die Schweizer Farben wurden von Edgar Walther vertreten, der mit fünfeinhalb Punkten auf den 15. Rang noch vor Fritz Sämisch gelangte. In der ersten Runde gewann er gegen Rellstab und vermochte später auch noch den heutigen Fernschachcrack Hermann Heemsoth und zwei weitere Spieler zu bezwingen.

Ein interessanter Turnierteilnehmer war sicher auch der Ortvin Sarapu, der 1943 aus seiner Heimat emigrierte Este und spätere neuseeländische Schachvorkämpfer. Er war auf Empfehlung von Keres zum Turnier eingeladen worden und belegte als grösste Turnierüberraschung den fünften Platz. Im Jahr darauf emigrierte er aber nach Neuseeland, so dass man einige Zeit kaum mehr etwas von ihm vernahm. (vgl. dazu "Mr Chess", The Ortvin Sarapu Story, Wainuiomata, 1993).

Das Heft bringt eine sehr umfangreiche Einführung und fast alle der 153 Partien und ist allen Schachliebhabern bestens zu empfehlen.


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