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Matthias Burkhalters Buchrezensionen April/Mai 2001

mehr Buchrezensionen von Matthias Burkhalter


Am Ende ein Hilferuf

Mit Neuzusendungen wurde der Rezensent diesen Monat schlecht bedient. Gespannt warte ich auf die dreibändige Olms-Ausgabe über Viktor Kortschnoi. Schade ist auch, dass ich jeweils die Ausgaben von New in Chess nicht erhalte, denn in diesem Verlag erscheinen ganz hervorragende Bücher. So z.B. „Linares! A Journey into the Heart of Chess" von Dirk Jan ten Geuzendam, dem hervorragenden Chefredaktor der besten Schachzeitung der Welt. Dirk kennt alle Schachgrössen persönlich und schreibt so recht intime Interviews. Noch bessere Beziehungen hat Genna Sosonko, der sehr viele sowjetische Schachspieler aus der Zeit vor seiner Emigration nach Holland gut kennt. Von ihm stammt das Buch „Russian Silhouettes", das eine Sammlung seiner viel beachteten Reportagen umfasst. Daneben gibt es noch viel mehr, z.B. ein neues Laskerbuch von Michael Dreyer und Ulrich Sieg. Schauen Sie doch mal bei www.newinchess.com vorbei. So jetzt aber zu den Sachen, die bei mir gelandet sind:

Karl-Otto Jung: Das klassische Läuferopfer
Softback 222 Seiten, Edition Jung, Homburg 2000

Das Buch preist seine Vorteile gleich selbst an: Das „klassische Läuferopfer" auf h2 bzw. h7 verdient es, näher untersucht zu werden, weil es das älteste und am besten erforschte aller Opfer ist. Dies belegen dann auch Beispiele aus den Jahren 1619 bis 1999. Es freut mich, dass im Vorspann auf Erwin Voellmy hingewiesen wird, der in der Schweizerischen Schachzeitung im Jahr 1911 (schauen Sie mal nach...) die erste systematische Darstellung zum klassischen Läuferopfer gegeben hat. Voellmys „Schachtaktik" in vier Bänden aus den Jahren 1927-30 taucht nota bene in vielen Sammlungen und Antiquariaten immer wieder auf und scheint seinerzeit ein wichtiges Lehrmittel vieler Schweizer Schachspieler gewesen zu sein. Doch zurück zum jüngeren Autor: Er präsentiert die Opfer ohne viel Kommentar. Die Einführung ist kurz und die „didaktische Phase" ist nicht sehr ausführlich. Bei den Praxisbeispielen ist die ganze Partie abgedruckt. Jedes der 194 Opfer ist mit einem Diagramm belegt, das ist gut so. Druck, Einband und Herstellung sind sehr gut, na also.

Ernö Dede: Wonder on the Board
Softback 141 Seiten, Caissa Chess Books. Kecskemet (2001)

Ein wildes Buch, überall wo es noch Platz hat, wird noch ein Schachsymbol hingepflanzt, hier ein König, dort ein Springer, nur ja keinen leeren Platz! Die englischen Kommentare kommen riesig gross daher und in einer spannenden Sprache, die sich stark ans Englische anlehnt. Beispiel gefällig? „Nevertheless, people usually surprised, how capable this strange piece, who beats in another direction, in which he moves". Heidegger hat seinerzeit so geschrieben, doch dies galt als Philosophie. Ich weiss, ich bin mal wieder gemein, Sadler in NIC geht bei seinen Rezensionen allerdings noch ganz anders zur Sache. Trotz allem habe ich Spass gehabt an diesem Büchlein, denn es geht letztlich um überraschende Wendungen. Wer den reichen Inhalt mal durchspielt oder auch bloss durchblättert wird sehr viel Spass haben sowohl bei den Studien als auch bei den Partien. Sehr gut gefallen hat mir das Kapitel „Nobody is perfect". Ich kann dem zustimmen.

Rare and Unpublished Tournaments and Matches:

Nummer 50. Semi-final, 28th USSR Championship Vilnius 1960, Broschur 45 Seiten, The Chess Player, Nottingham 2001, 7.50£ und Nummer 51. Sopot 1935, Lodz 1935, Milwaukee 1935, 59 Seiten, 8.50 £

Beide Broschüren sind erneut hervorragend. Alle verfügbaren Partien werden dargeboten. Die Einleitungen sind für einmal recht lang und instruktiv. Die Halbfinals der sowjetischen Meisterschaften waren seinerzeit sehr starke Turniere, die im Westen wenig Resonanz fanden. Gufeld, Simagin, Polugajevski waren die Sieger in Vilnius, Flohr belegte den 9. Platz, Estrin den 11., Tolusch bloss den 14. von 18. Die Partien der sowjetischen Meisterschaften sind bei vielen Sammlern sehr gesucht, denn was dort gespielt wurde, war der aktuelle Stand der berühmten sowjetischen Schachschule, die es eigentlich gar nie gegeben hat. Das Geheimnis war nämlich bloss dieses, dass sie eben besseres Schach spielten.

So, meine Lieben, jetzt noch ein Wort zu dieser Schachspalte und meinem Schachantiquariat: Wer hat denn Lust beides zu übernehmen? Ich muss meinen Schachbüchertausch und -verkauf leider wegen beruflicher Verpflichtungen aufgeben. Wer also einen Computer, Englischkenntnisse und ein grosses Zimmer, einen toleranten Ehepartner und keine kleinen Kinder hat, soll sich mal bei mir melden. Es ist doch interessant, wenn Suetin mal vorbeischaut oder abends Kortschnoi anruft oder ein Kollege aus Südafrika eben jenes Büchlein von Henry Grob sucht, das in der Sammlung steht. Also: meldet Euch um Caissas Willen.


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