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Matthias Burkhalters Buchrezensionen November/Dezember 2000

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Bücher für den Weihnachtstisch

Beat Rüegsegger: Persönlichkeiten und das Schachspiel
Leinen A4 352 S., Eigenverlag, Huttwil 2000, Subskriptionspreis Fr. 75.-

Beat Rüegsegger, wohl das jüngste Ehrenmitglied des SSB und langjähriger Funktionär in wichtigen Hintergrundpositionen, legt uns ein ganz eigenartiges Buch zum Thema „Schach und Prominenz" vor. Auf dem Schutzumschlag wendet sich Che Guevara zu Lady Di, darunter zwei prominente Herren im gesetzteren Alter. Man ist gespannt, was diese mit Schach zu tun haben. Wenn wir im grossformatigen Schweizerqualitätsband rumblättern, treffen wir zu unserem Erstaunen aber nicht primär auf Schach, sondern auf Briefmarken. Der Autor ist eben auch ein passionierter Philatelist und zeigt uns eine überragende Fülle an Persönlichkeiten auf Postwertzeichen. Es ist beinahe unglaublich, welch reichen Fundus Rüegsegger präsentiert. 1154 Personen mit einem Bezug zum Schach sind verewigt. Natürlich ist oft das Schach bloss Zierde, nebenbei erfahren wir aber so manches Aufschlussreiche über bedeutende Persönlichkeiten unserer Geschichte. Wo keine Briefmarke zu finden ist, weder in Antigua, Barbuda noch in St. Vincent finden wir eine Foto, meist in Farbe. Richard Wagner kommt immerhin auf der Post von Panama zu Ehren. Interessant sind auch Zufallsbezüge, so wenn etwa Fidel Ramos an der Seite eines bekannten Saxophonspielers über Richard I. Löwenherz thront, nur weil das Alphabet dies so will. Kurz und gut, in dieses verrückte Schachbuch muss jeder Schachliebhaber mal reingucken, es ist ein Lebenswerk, das seinesgleichen sucht, sehr speziell, sehr umfangreich, umfassend recherchiert, luxuriös ausgestattet und irgendwie sympathisch.

Es gibt natürlich auch Persönlichkeiten, die zu kurz kommen. Allen voran Nikolai Krylenko, der grosse Förderer des sowjetischen Schachs, der bloss eine Erwähnung als „sowjetischer Politiker" bekommt. Das ist entschieden zu wenig für den Kampfgefährten Lenins, der am Vorabend der Revolution im Juni 1917 Delegierter des Allrussischen Sowjetkongresses, danach erster Oberbefehlshaber der Sowjetstreitkräfte und später Volkskommissar bzw. Justizminister der UdSSR war. Krylenko wurde zudem Vorsitzender des Sowjetischen Schachverbandes und organisierte zwischen 1924 bis 1928 die berühmten drei internationalen Moskauer Turniere. Jetzt fehlt bloss noch, dass jemand eine Schachpartie von Krylenko findet, der einige Zeit im Exil in der Schweiz lebte. Das wäre eine echte Sensation!

Zudem werden gewisse Persönlichkeiten mit Gewalt zum Schach gebracht. Platon hatte gewiss nichts mit Schach zu tun und auch das erwähnte Pesseia-Spiel ist kein Vorläufer des Schachs, sondern eben ein Strategiespiel, wie es jede Kultur hervorbrachte. Auch Konfuzius kannte das Schach noch nicht, sicher aber ein Kampfspiel. Freude habe ich daran, dass am Schluss die Weltmeister vorgestellt werden. Garri Kasparow wird salomonisch als „WM von 1985-1993 und seither WM von eigenen Weltverbänden" bezeichnet. Bei Khalifman fehlt noch eine Briefmarke, sagts doch dem Postmeister von Dijbouti, bei Fischer fehlt die Landesbezeichnung, bei den Damen wird Zsuzsa Polgar noch als Weltmeisterin geführt, was sie meines Wissens jedoch nicht mehr ist. Bei all dieser riesigen Materialfülle wird sicher noch mancher Leser etwas auszusetzen haben, freuen wir uns aber, dass in der Schweiz wieder einmal ein Buch erschienen ist, das ruhig unter den Weihnachtsbaum als Geschenk gelegt werden darf.

Ludek Pachmann: Königsindische Verteidigung. Erfolgreiche Eröffnungstheorie für die Praxis
Softback 138 S., Praxis Schach Bd. 31, Edition Olms, Hombrechtikon 2000, Fr. 29.80

Ob der gute Ludek wirklich noch selber in die Tasten gegriffen hat? Ich mag mich noch gut an seine Standardwerke „Moderne Schachtheorie" und „Moderne Schachstrategie" von 1956 und 1958 erinnern und die erschienen immerhin vor einem halben Jahrhundert. Der Autor schreibt selbst im Vorwort von seinem „vielleicht letzten Schachwerk". Leicht verspätet erscheint der 31. Band, der die Abspiele nach 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 beleuchtet. Die übrigen Flankenspiele werden in einem separaten Band nachfolgen, die Indischen Verteidigungen sind schon publiziert. Es ist gut verständlich, dass nicht alle drei Teile wie ursprünglich geplant in einem Band erschienen, denn der vorliegende bietet eine Riesenfülle an Material. Dicht gedrängt, wie sonst kaum in einem Olms-Band, wird der Stoff enzyklopädieartig präsentiert. Die Wortkommentare sind etwas knapp, die Gliederung gibt ihr bestes. Nicht ganz klar ist die Bedeutung der 31 Leitpartien, die wohl alle aktuell sind (zwischen 1992 und 1998 gespielt), jedoch kaum Raum bekommen. Königsindisch ist auf jeden Fall stark, sonst hätte Kasparow mit Schwarz gegen Kramnik nicht zu dieser Waffe gegriffen. Kurz: die Verteidigung ist empfehlenswert, das Buch dazu brauchbar.

Von A. J. Gillam sind zwei weitere Büchlein aus der Serie „Rare and Unpublished Tournaments and Matches" erschienen.

Nr. 47: London 1887, 51 S., 52 zumeist kommentierte Partien, £ 8.50.

Den „National Congress of the British Chess Association" gewannen Amos Burn und Isidor Gunsberg vor Blackburne und Zukertort. Gunsberg gewann alle Partien ausser jener gegen Burn, der seinerseits nur gegen Zukertort verlor. Zu diesem dritten Kongress erscheint auch eine lange Einführung.

Nr. 48 Augsburg 1946, Regensburg 1946, 47 S., 189 meist unkommentierte Partien, £ 8.

1946 lag Deutschland in Trümmern und gleichwohl wurde schon wieder Schach gespielt. In Augsburg siegte Unzicker, in Regensburg wurde er Dritter hinter Bohatirtschuk und Zemgalis, der zweimal Silber holte. Bohatirtschuk spielte unter dem Namen Bogenhols, da ihn offensichtlich die Sowjets verhaften wollten, mehr erfahren wir darüber allerdings leider nicht.


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