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Ralf, das Untier

von Hartmut Metz, November 1996

zu den Schachtexten


   „Der Spieler Ralf Gantner hat sich durch sein grob regelwidriges und höchst unfaires Verhalten schwerster Verstöße gegen die Regelungen des Badischen Schachverbandes gemäß DO §2.1.1 sowie DO §2.1.2 in Verbindung mit FIDE Art. 15.1.c schuldig gemacht. Das Turniergericht bittet wegen dieses außerordentlich schweren Verstoßes das Präsidium des BSV, gegen den Spieler Ralf Gantner eine Sperre bis zum 31.12.1998 zu verhängen. Da der Spieler Ralf Gantner bisher keinen dem Turniergericht bekannten Regelverstoß begangen hat, sollte die Sperre außer dem 4. Spieltag (15.12.1996) zur Bewährung ausgesetzt werden."

   Das hört sich ja an, als habe der Kuppenheimer Landesliga-Spieler Ralf Gantner einen Gegner mit einem Kinnhaken niedergestreckt - oder noch Schlimmeres verbrochen. "Grob regelwidrig", "unfaires Verhalten" und "schwerste Verstöße" beging der Haderlump also. Dafür gebührt dem Schuft natürlich eine Sperre bis Ende 1998 - mindestens! Das liest sich alles wie ein billiger Schundroman, und in der Tat befindet sich die einstimmige Entscheidung des Turniergerichts auf diesem Niveau.

   Was war tatsächlich geschehen? Während des Landesliga-Kampfes zwischen der Rochade Kuppenheim II und Vimbuch bot an Brett acht der Gästespieler Andreas Lehmann seinem Kontrahenten Frank Schäfer ein Remis an. Der Jugendspieler der Schachgemeinschaft ging daraufhin zu seinem Mannschaftsführer und erkundigte sich, ob er akzeptieren oder weiterspielen solle. Derweil trat Ralf Gantner ans Brett. Irgendwie hatte er mit halbem Ohr etwas von der offerierten Punkteteilung mitbekommen. "Habt Ihr remis gemacht?" erkundigte er sich. Lehmann antwortete eindeutig, was er nach der Partie auch zugab, mit "ja"!

   Das nahm Ralf Gantner zum Anlaß, drei Züge mit dem Jugendspieler zu analysieren und ihm zu beweisen, wie glücklich die Punkteteilung für ihn doch war. Als Frank Schäfer wieder ans Brett zurückkehrte, zeigte er sich verwundert, weil er das Unentschieden ja noch nicht angenommen hatte und weiterspielen wollte. Seine bessere Stellung mit Mehrbauer führte er zum wichtigen Sieg, der das 4,5:3,5 bedeutete. Vimbuch gedachte Protest einzulegen, sofern die Rochade die Partie nicht nachträglich "remis" werte. Die Kuppenheimer lehnten dieses Ansinnen einhellig ab, denn aus einem offensichtlichen Mißverständnis, das zudem ein Vimbucher durch eine falsche Aussage verursacht hatte, würde doch nie und nimmer ein Protestgrund erwachsen ...

   Pustekuchen! Nachdem Landesturnierleiter Karl-Heinz Saffran in erster Instanz die Punkte in Kuppenheim beließ, änderte das Turniergericht unter dem Vorsitzenden Bernd Breidohr die Entscheidung ab. Die Partie Schäfer - Lehmann wurde annulliert, obwohl der Rochade-Spieler im Gegensatz zu dem Vimbucher Ersatzspieler Lehmann (DWZ 1347) gar nicht von der Analyse des weit stärkeren Gantners (DWZ 1820) profitierte! Der Mannschaftskampf endete folglich 3,5:3,5. Immerhin richtig beurteilt hat das Turniergericht, daß Analysieren im Turniersaal laut „TO 7.06 des BSV sowie FIDE Art. 15.1.c, 15.2 und 16.5 untersagt" ist.

   Damit jedoch die Annullierung mitzubegründen, läßt eigentlich nur einen Schluß zu: Die Mitglieder des Turniergerichts haben noch nie einen Mannschaftskampf bestritten. Man zeige den Spieler, der am Ende einer Mannschaftspartie mangels anderer räumlicher Gelegenheit nicht im Spielsaal analysiert!

   Und um das Faß zum Überlaufen zu bringen, begründet das Turniergericht weiter: "Die mögliche Aussage des Spielers Lehmann auf die Frage von Gantner, ob die Partie remis sei, ist deshalb nicht von Bedeutung und kann bei der Entscheidung vernachlässigt werden.".

   Erstens handelt es sich nicht um eine "mögliche Aussage" Lehmanns, denn der faire Spieler räumte nach dem Mannschaftskampf unumwunden ein, daß er Gantners Frage bejaht hatte! Zweitens wäre es doch offensichtlich nie zu einem Protestfall gekommen, hätte Lehmann richtig mit "nein" geantwortet. Hanebüchen also zu behaupten, die "mögliche Aussage könne bei der Entscheidung vernächlässigt werden"!

   Das Turniergericht brachte mit dieser merkwürdigen Regelauslegung - womöglich getreu den Buchstaben, aber gewiß keiner Logik - die Rochade-Reserve nicht nur um den einen Zähler gegen Vimbuch. Der untadelige Sportsmann Ralf Gantner mußte nämlich nach seiner Sperre auch noch tatenlos mitansehen, wie sieben Kameraden - ein Akteur war kurzfristig wegen Krankheit ausgefallen - in der nächsten Runde gegen Griesheim nur ein 4:4 schafften. Mit ihm hätte Kuppenheim II sicher bessere Chancen auf einen knappen Erfolg besessen.

   Soll man nun dem Turniergericht danken, daß es in einer Art Gnadenakt die Sperre bis zum 31.12.1998 zur Bewährung aussetzen möchte? Gantner erlag einem Mißverständnis, das ein Spieler einer gegnerischen Mannschaft ausgelöst hatte. Warum erhält der Vimbucher Andreas Lehmann eine "Ermahnung", obwohl er laut Turniergericht vielleicht gar nichts gesagt hat, und selbst wenn ja, war die "mögliche Aussage" ohnehin "bei der Entscheidung zu vernachlässigen"? Warum erhält Frank Schäfer eine Ermahnung, obwohl er während des ganzen Geschehens nicht am Brett weilte? Ich wünsche den Mitgliedern des Turniergerichts, daß sie - sollten sie tatsächlich einmal am Schachbrett sitzen - logischere Entscheidungen treffen.

   Am fünften Spieltag ergab sich im Oberliga-Duell Kuppenheims mit Waldshut-Tiengen folgender "Protestfall": Gästespieler Matthias Rüfenacht litt unter schweren Magenkrämpfen. Trotz des bereits begonnenen Wettkampfs machten sich der Waldshuter Mannschaftsführer Eugen Kurz und Thomas Kummle auf den Weg, um ihrem Schachfreund lindernde Medizin aus der nächsten Apotheke zu besorgen. Das Turniergericht hätte das Verlassen des Turniersaals sicher als "grob regelwidrig" und als "höchst unfaires Verhalten" eingestuft und somit den Mannschaftskampf anstatt mit 4:4 mit 5:3 für Kuppenheim gewertet - doch die Rochade verzichtete auf einen Protest, obwohl des Gesetzes Buchstaben einen zusätzlichen Mannschaftspunkt beschert hätten. Warum wohl? Das Turniergericht sollte sich einmal darüber Gedanken machen.

   Abschließend ein Ratschlag für aufstiegswütige Vereine: Am besten engagiert jeder künftig einen Akteur, der nur dazu da ist, die acht Gegner zur Analyse im Spielsaal zu verführen - problemlos gewänne man jeden Wettkampf 8:0. Noch ausgeklügelter wäre es, die Kontrahenten anzulügen. Erst streut einer gezielt das Gerücht, Spieler Impech habe remisiert. Dessen Mannschaftskamerad Einfältig rennt glücklich ans Brett von Impech, um ihm zu gratulieren. Da Impech gerade auf der Toilette sitzt, lügt Kontrahent Balkenbieger etwas von einem "Remis" zusammen und lädt Einfältig zu einer Analyse ein. Der fällt darauf herein, setzt zwei Züge aufs Brett - und prompt legt Balkenbieger Protest ein. Gewinnt er, fein. Verliert er, darf er sich darauf verlassen, daß das Turniergericht die Partie mindestens annulliert, weil sich Balkenbieger gar nicht daran erinnern kann, jemals mit Einfältig gesprochen zu haben.

   Überhaupt, wer ist dieser Einfältig? Einfältig wird folgerichtig bis zum Jahr 2043 gesperrt, was schade ist, weil er dann mit 87 seinen spielerischen Höhepunkt vermutlich überschritten hat. Impech wird ermahnt, künftig nicht mehr auf "grob unsportliche Art" auf der Toilette zu sitzen. So eine Scheiße...


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