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Die Uhr des Jahres

von Hartmut Metz, Januar 1991

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   Künftig will die Redaktion des Rochade Express alljählich ein besonders verdientes Mitglied der Schachgemeinschaft ehren. Den Preis erhält für das Jahr 1990 der Mannschaftsführer der "Ersten", Toni Stückl.

   Toni machte sich im abgelaufenen Jahr sehr verdient um die Spannung in den Mannschaftskämpfen. Die Zeitkontrolle nahte und Toni saß immer noch am Brett - oh Graus. Damit Tonis Zeit künftig nicht mehr abläuft, und er weiß, was die Stunde geschlagen hat, erhält er von der Redaktion die "Goldene Uhr" (in Wahrheit handelt es sich hierbei keinesfals um eine goldene, sondern lediglich um eine simple LaserWatch, aber immerhin ...).

   Damit sich jeder von der gerechtfertigten Preisverleihung ein Bild machen kann, zeichnen wir nachstehend noch einmal ein Szenario aus vergangenen Verbandsliga-Spielen.

   Mannschaftsrunde. Die wievielte Runde ist egal. Das Schauspiel wiederholt sich neunmal im Jahr: Heute will es Toni, unser geliebter Mannschaftsführer, endlich besser machen. Schon vor dem ersten Zug kündigt er an, daß er diesmal "etwas flotter ziehen" werde. (Ungläubiges Staunen bei seinen sieben Mannschaftskameraden). Doch tatsächlich, die ersten zwei Züge sind gemacht und Toni hat noch keine Minute verbraucht! Stolz berichtet er von diesem ersten Achtungserfolg seinen Teamkollegen: "Na, hab' ich es euch nicht gesagt?", fragt er zufrieden in die überraschte Runde.

     Danach macht sein Gegner einen bisher nie gesehenen dritten Zug. Klar, Toni muß nun überlegen, um die Sache zu widerlegen. Rund 30 Minuten später komme ich an Tonis Brett vorbei, der die Stellung nun genau auslotet. Eine Stunde und sechs Minuten später: Toni hat sich kurz bewegt, doch er verscheucht nur eine Fliege. Anstalten zu ziehen, macht er nicht. Jetzt besitzt Toni noch zwei Minuten für 38 Züge - langsam verbreitet sich Unruhe unter seinen Mannschaftskameraden. Nur die ganz hartgesottenen Spieler schauen sich das Drama an. Die anderen gehen lieber zurück an ihre Bretter und erfreuen sich an ihren weniger hektischen Positionen.

   Noch 60 Sekunden: Toni bewegt sich plötzlich, wirft einen Zug aufs Brett und drischt auf die Uhr ein - jetzt kann's losgehen. Hoffentlich hat keiner der Kuppenheimer einen Herzfehler, ansonsten würde er die folgende Phase nicht überstehen. Toni steht total auf Gewinn, doch sein Blättchen hängt bereits unheilvoll weit oben. Jeden Moment müßte es fallen. Toni führt seinen 40. Zug aus. Sein Kontrahent macht seinen 41., drückt die Uhr und Tonis Blättchen saust nach unten.

   Schwein gehabt! Die Partie verrendet danach bald im Remis. Und da behaupte noch einer, Unentschieden seien langweilig.


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