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Das teutonische Schlachtroß

von Hartmut Metz, November 1994

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   Schon seit vielen Jahren versucht Wolfgang Gerstner den Händedruck zur Begrüßung und zum Abschied salonfähig bei der Rochade zu machen. Es ist ihm durchaus gelungen, auch wenn ich ihm hie und da den Händedruck zum Abschied - scheinbar aus bloßer Nachlässigkeit, aber bereits seit Jahren aus finsterer Absicht - verweigere.

   Nun spricht ja eigentlich nichts gegen einen Händedruck, sagt man einem Weichei auch körperlich hallo. Ein lascher Druck, man fragt sich, was die beliebig knetbare fleischliche Masse eigentlich will, schon ist die Prozedur überstanden. Grauen und Schrecken verbreitet indes unser geliebter Präsident: Diensteifrig, wie es nur Realschul-Rektoren sein können, packt er die wehrlose Hand eines jeden und drückt mit seiner Pranke erbarmungslos zu. Schmerz! Der ein oder andere ungehobelte Schützling an der Realschule mag diese zur Perfektion ausgebaute subtile Bestrafung durchaus verdienen, einem verdienten Rochade-Mitglied sollte jedoch die Marter erspart bleiben.

   Um nun herauszufinden, ob es noch einen einzigen Menschen auf diesem Planeten gibt, der die Hände seiner Mitmenschen noch mehr quetscht, beschloß ich bei der Sportlerwahl des Jahres in Baden-Baden zu recherchieren. Henry Maske hieß der Auserwählte. Von ihm erzählte man sich, er sei 1993 Sportler des Jahres gewesen, weil er schon manchen kräftigen Schrank gefällt habe und auch ansonsten im Boxring ein ganzer Kerl sei. Außerdem soll er aus Preußen stammen, vielleicht gar nicht weit von jenem Ort entfernt, an dem unser geliebter Präsident das Licht der Welt erblickte.

   Übrigens möchte ich diesbezüglich einmal betonen, daß letzteres - wie der RE aus für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erfuhr - nicht zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges geführt haben soll. Zur Entlastung Heribert Urbans trägt des weiteren bei, daß er laut Geburtsschein erst 1941 darniederkam. Als überzeugter Demokrat wählte er für seine Niederkunft auch nicht den Tag der Heiligen drei Könige, nein, als künftigem Präsidenten des glorreichsten Schachklubs des Universums und Nachfolger des schon zu Lebzeiten legendären Reinhard I. schien ihm der 5. Januar gerade richtig als Geburtstag. Was ich damit sagen wollte: Macht an diesem Donnerstag einen ordentlichen Knicks vor unserem Chef, sollte er sich ins Schachlokal verirren.

   Doch zurück zum Thema: Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, die Leute nur mit stolzem Blick zu begrüßen und zu verabschieden, stellte ich Henry Maske ein paar unverfängliche Fragen, nur um mich danach per Handschlag von ihm zu verabschieden. Da ich wußte, daß man ihn, den Weltmeister, auch den „Gentleman-Boxer" nennt, würde er diesen nicht verweigern! Es kam wie erwartet: Wir drückten uns die Hand - und ich mußte enttäuscht feststellen, daß Heribert Urban der stärkste Mann der Welt ist. Keiner quetscht härter!


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