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Rochade-Triumph in Soufflenheim

von Hartmut Metz, Mai 1998

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   Ungewöhnlich deutlich haben wir uns beim Schnellschach-Turnier in Soufflenheim durchgesetzt. Nachdem Initiator Jochen Klumpp, der zunächst gerne gespielt hätte (ehe Omis Besuch dazwischenkam), absagen mußte, rückten Velimir Kresovic, Günther Tammert, ich - und Robert Miklos aus. Letzterer gab sein Debüt für die Rochade.

   "Oh je", hatte der talentierte Rastatter (DWZ 1881) noch am Telefon gestöhnt. Nicht, weil es sich um Telefonsex handelte und er aus einem Versehen heraus an meine "heiße" Nummer, die Volldampf von 0 auf 180 verspricht, geriet, sondern der Aufstellung wegen. Roberts Befürchtungen, in einer für seine Verhältnisse "zu starken Mannschaft" zu spielen, wußte ich naturellement gleich zu zerstreuen. Mit dem mir innewohnenden psychologischen Geschick nahm ich jegliche Anspannung von ihm: "Keine Sorge, wenn du schlecht spielst, wirst du auf dem Heimweg hinter meinem Wagen hergeschleift - und auf dem unebenen französischen Asphalt ist das besonders schmerzhaft ...", wußte ich von anderen einst vielversprechenden Talenten zu berichten, deren hoffnungsvolle Karriere an der Hinterachse meiner Karosse und französischen Pflastersteinen endete.

   Die schlimmste Drohung hatte ich, selbstmurmelnd, in meiner Hinterhand belassen. Man muß sich ja beim Einschlafen mit erbaulichen Verlockungen, die der nächste Tag wohl bringt, in den Schlaf wiegen. In der Gewißheit, Robert den Schock seines Lebens zu versetzen, schlief ich glücklich ein ...

   Der wenig sonnige Morgen erschien mir dennoch helle, würde ich Robert doch alsbald die brutale Wahrheit eröffnen: "Der schlechteste Spieler muß den Bericht für den Rochade Express schreiben!" verdeutlichte ich dem Informatik-Studenten, was den leider nicht aus den Pantinen kippen ließ. Hartgesotten, das Bürschchen. Hoffentlich setzte sich der Tag nicht so unerfreulich fort ... Immerhin gelang in Soufflenheim der Auftakt gegen eine Jugendmannschaft, gleichwohl mein Gegner mangels Übersicht ein Matt mit Damenopfer nicht zuließ (Le petit francais hatte geglaubt, ich setzte anderweitig matt, was aber gar nicht ging, weil das Feld gedeckt war). Nun gut, mehr Mühe machten die nächsten Elsässer, auch wenn auch diesmal das Standardresultat von 4:0 nach den 20-Minuten-Partien außer Frage stand.

  In Runde drei trafen wir endlich auf einen Klub, dessen Namen wir kennen: Lichtental. Bei den Franzosen waren die Vereine dadurch unkenntlich gemacht worden, daß die merkwürdige Turnierleitung die Teams nach dem Equipe-Chef benannte! Uns brachte das zunächst den Vorteil, daß die Gegner von jenseits des Rheins in Angst und Schrecken verfielen, weil sie dahinter den Erstligisten Metz mutmaßten!

   Das Team "Metz" wurde jedenfalls seinem Ruf zunehmend gerecht. Spätestens nach dem glatten 4:0 über den deutschen Landesliga-Aufsteiger und insbesondere meinem 19zügigen Sieg gegen den Internationalen Meister Helmut Reefschläger, schlug ich vor, den Verein doch kurzerhand "Roi" Metz zu benennen. Wahrhaft königlich spielte ich vor der Mittagspause.

   Mein großes Maul zerriß ich mir beim (eher spartanischen, weil nur aus Brötchen, Fleisch und Ketchup bestehenden, Anm. d. WM.) Döner-Essen dennoch nicht. "Das nächste Mal brauchst du wegen solch einem schwachen Turnier nicht mehr anzurufen", unkte Velimir zwischen zwei Bissen. Wir machten ihm gleich klar, daß die Sprüche ja nur dazu führen könnten, daß der liebe Gott die kleinen Sünden sofort bestraft. Zurück ans Brett geeilt, tat der Herr wie vermutet: Gegen den späteren Zweiten Nancy büßte Velimir seinen ersten halben Zähler ein. Das Remis gegen die Karlsruher Bundesligaspielerin Anne Muller, die im Vorjahr Jürgen Gersinska in der Oberliga geschlagen hatte, war jedoch nicht weiter tragisch, denn mit 3,5:0,5 zogen wir ab jetzt einsam unsere Kreise.

   Den Mannschaftspunkt Vorsprung auf Verfolger CE Straßburg bauten wir im direkten Duell auf zwei Zähler vor Nancy aus. Wieder bestrafte der Herr Velimirs loses Mundwerk. Diesmal mit einer Null gegen Jean-Luc Roos, einem der Vertreter der in Frankreich weithin bekannten Roos-Familie. Da der ELO-Durchschnitt der Straßburger mit 2140 knapp unter dem unsrigen (2143) lag, ging ich befreit in die Partie gegen "le grand" Roos, den Internationalen Meister Daniel.

   Die hinteren zwei Bretter würden es schon richten, mußten die Franzosen doch dort recht schlecht besetzt sein, wenn sie den ELO-Durchschnitt von Daniel und Jean-Luc Roos (der eine hat 2420, der andere 2310) so in die Tiefe ziehen. Tatsächlich, schon bald meldete Robert die goldene Eins, Günther irgendwann ebenso. Unter großem Publikumsandrang drückte ich dermaßen beflügelt Daniel Roos auch an die Wand.

   Die Schlacht gegen die schärfsten Rivalen war geschlagen. Ein weiteres 4:0 katapultierte uns auf 12:0 Zähler. Vor der letzten Runde lag lediglich noch Nancy in Reichweite. Ein intern vorgeschlagenes 2:2, das den Turniersieg und die 1200 Francs Preisgeld abgesichert hätte, lehnte ich natürlich brüsk ab. Wann hat man - so wie Günther und ich - schon einmal die Chance, einen Wettbewerb mit 100 Prozent abzuschließen? Robert besaß sie ja auch noch. Nachdem aber meine stärkste Drohung, die wie ein Zaubertrank Wunderkräfte bei meinen Mitspielern freilegt, dahin war -  Robert konnte nicht mehr schlechtester Spieler werden und den Bericht "abbekommen", weil Velimir bereits eineinhalb Zähler zurücklag -, verlor der Miklosige im Übermut  (der Gegner hat aber 20 Züge lang Theorie gespielt, mindestestens! - Einwand des Miklosigen). Schändlich, aber wahr. Günther und ich zogen die 100 Prozent jedoch durch, und Velimir machte den Durchmarsch der Mannschaft durch das 3:1 perfekt.

   Unser Quartett lag damit deutlich vor Nancy (12:2 Zähler), Lichtental, Saverne (beide 10:4) sowie Straßburg (4:5). Um Roberts Debüt zu krönen, durfte er auch den Zaster abholen. Daran kann man sich doch gewöhnen, oder?


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