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Jäger des verlorenen Pfandkastens

von Hartmut Metz, September 1996

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   Was bisher geschah: Kloskatt hat zu Hause Probleme, weil seine Angetraute die Geschichte über das Remis gegen einen Karlsruher Zweitligaspieler nicht zum 12135mal (ihrer Rechnung nach) hören wollte. Doch noch viel größere Not herrschte bei Tammertatt, dem beim Zwölf-Stunden-Blitz ein Pfandkasten abhanden kam. Hatten die Wegelagerer aus Durlach den wehrlosen Pfandkasten verschleppt?

   Nachdem unser kleiner Held, Tammertatt, auf der Landkarte "dieses verdammte Durlach" entdeckt hatte, sprang er wild entschlossen in seinen schnittigen und windschlüpfrigen Fiat Panda. Ein Traumgefährt, das durchaus mit dem Batmobil mithalten konnte: Türen inklusive eingebauter Schlösser, Lenkrad, ja sogar Fensterscheiben samt dazugehöriger Scheibenwischer sowie manuelle Fensterheber(!) vereinigten sich in diesem zwölf PS starken Wunderwerk der Technik. Ganz zu schweigen von diesem riesigen Kofferraum, der bis zu sechs Pfandkästen beherbergen konnte. Doch da standen nach dem Marathonblitz nur fünf - und das beunruhigte Tammertatt aufs äußerste.

   „Halunken, Durlacher Strauchdiebe, ich werd's euch zeigen", fluchte Tammertatt und sprang vor lauter Erregung versehentlich auf den Beifahrersitz. Wo waren Lenkrad, Kupplung und vor allem das Gaspedal?

   Die Sekunde der Verblüffung nutzte Kloskatt zu seinem Glück. Behende hechtete er auf die Fahrerseite, haute den Rückwärtsgang rein und raste aus der Parklücke. Was hatte er noch zu verlieren?

   Außerdem steckte Kloskatt noch die Enttäuschung über ein Buch in den Knochen. Metzatt, der alte Halsabschneider, hatte ihm ein Werk mit dem verheißungsvollen Titel "Die Kunst der Bauernführung" für das Vierfache des handelsüblichen Preises angedreht. Dies gedachte Kloskatt noch nachzusehen, aber daß die "Kunst der Bauernführung" kein Ratgeber für die Arbeit als Mannschaftsführer in der Landesliga war - nein, das ging definitiv zu weit!

   Und dann lästerten sie neuerdings auch noch im Klubabend über ihn. Die Kameraden-Schweine, allen voran Waschatt - ausgerechnet er, der für den Verkauf leicht einzuschlagender Fenster bekannt war! - tuschelten über ihn, er frage jetzt schon einen Spieltag zuvor, ob er am nächsten Spieltag ein Remis machen dürfe.

   Dabei ging er, der tapfere Kloskatt, kampfeslüstern in jede Partie, schwor heilige Eide, daß er nicht vor dem achten Zug klein beigeben wolle. Und das tat er auch nie. Zumindest bis auf ein-, zweimal, als seine Kontrahenten überstürzt Figuren einstellten und dadurch fast das natürliche Gleichgewicht einer jeden Stellung zu zerstören gedachten. Nicht mit ihm! Da hatte er ganz souverän und schnell die Friedenspfeife aus seinem Beutel gerissen und angezündet. Kurzum: Kloskatt hatte wahrlich nichts mehr zu verlieren und machte sich mit Tammertatt auf den Weg in die Hölle. Weniger interessierte ihn der Pfandkasten, mit dem die Durlacher die Weltwirtschaft in eine Krise stürzen konnten. Nein, vielleicht verurteilte sie der harte, aber gerechte Tammertatt zur Höchststrafe: 15000 mal Kloskatt zuhören, wie er gegen den Karlsruher Zweitligaspieler im Blitz ein Remis schaffte. Über seine Lippen huschte ein zufriedenes Lächeln ...

   Seine klaren Gedankengänge wurden am Ende der Wörtelstraße durch lauten Krach im Kofferraum unterbrochen. Lugte da nicht zwischen den fünf Pfandkästen - einer fehlte ja bekanntlich - Gerstnersaft hervor? Tammertatt hatte ihn mittlerweile auch im Auge, genauer gesagt in der Faust. "Bürschchen", brüllte er bebend, "Finger weg von meinen Pfandkästen!" Und zur Bestärkung seiner Worte packte er Gerstnersaft am Rockaufschlag. Der ängstlich zitternde Gerstnersaft bot sofort seine Dienste als "Pfadfinder" wohlfeil: "Ich kann euch nach Durlach lotsen! Ich kenn' mich aus, weil ich für Karlsruhe spiele", flüsterte der Ertappte mit zittriger Stimme.

   Für das "für Karlsruhe spielen" hätte ihm der harte, aber gerechte Tammertatt gerne ein Veilchen verpaßt, indes galt es um jeden Preis, den Pfandkasten zu retten. Folglich ließ er von dem Hallodri ab. "Also gut, führe uns!" Erleichtert sackte Gerstnersaft zusammen - und brüllte gleich, nachdem mittlerweile das Feuerwehrhaus passiert war, "jetzt links!"

   Ob unsere Helden so nach Durlach kommen? In der nächsten Episode erfahren Sie, warum Gerstnersaft mit Spitznamen "Odysseus" heißt!


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