Nur drei Könige im Rochade-Vierer |
Rochade Express, Nr. 67, Seite 22ff, "Nur drei Könige im Rochade-Vierer"
von Harald Fietz
Alle Jahre wieder nach dem Jahreswechsel stehen Blitz- und Schnellschachturniere an, die Rochade-Teams für gewöhnlich nicht auslassen. Leider konnten in diesem Jahr nicht überall die jeweils spielstärksten Teams anrücken, da sich einige Rochade Mitglieder auf nationalen oder internationalen Turnieren tummelten und andere nicht beide Veranstaltungen in Vimbuch und Umkirch spielen wollten. So blieb für das traditionelle Viertelstundenturnier in Umkirch ein Viermannteam ohne Reserve übrig. Nichtsdestoweniger reisten Hartmut Metz, Kurt Busch, Ralf Großhans und der Zeilenschreiber nicht ohne gewisse Erwartungen ins winterliche Südbaden.
Gespielt wurde in fünf Kategorien zu jeweils zehn Mannschaften. Angetreten waren in unserer A-Gruppe einige spielstarke Teams, so u.a. eine Abordnung aus Sofia mit vier Großmeistern, die unter dem Namen "GM-Crew" firmierte. Aus der Schweiz gingen zwei Riehener Teams ins Rennen, und der lokale Verein aus Müllheim war ein All-Star-Team mit dem Schweizer IM Costa und einigen abtrünnigen Zähringer Cracks. Komplettiert wurde das Feld durch die Oberliga- und Verbandsligamannschaften von Donaueschingen, Dreiländereck und Hörden sowie als Außenseiter Schwarze Pumpe.
Realistischerweise visierten wir einen Medaillenplatz an. Doch ich will es gleich vorwegnehmen, dieses Vorhaben scheiterte kläglich wegen der desolaten Performance meinerseits. Zu häufig setzte ich vorteilhafte Positionen durch zu schnelles oder zu langsames Spiel in den Sand. Und wenn man erstmal zwei, drei Böcke geschossen hat, kommt es nicht selten zu einer Negativserie, die ich hier nicht im Detail ausführen will, da das Niveau des "Rochade Express" nicht zu tief gesenkt werden soll. Als Bilanz blieben schließlich 2,5 Punkte auf der Habenseite, was gewiss als schlechtestes Ergebnis eines Rochadniks bei einem Schnellschach-Mannschaftswettkampf in die Annalen eingehen wird. Zumindest unterhalb des Turnierschachzeitlimits dürfte ich somit jenen Ingostand von 1977 erreicht haben, der in der letzten Ausgabe des Rochade-Express recherchiert worden war.
Doch wechseln wir von diesem traurigen Rekord zu den etwas erfreulicheren Geschehnissen am Nachbarbrett, an dem Ralf im Einsatz war. Zuerst muss festgestellt werden, dass sein Score doppelt so hoch wie meiner wurde. Trotzdem wird auch er nicht ganz mit seiner Leistung von fünf Punkten zufrieden sein, denn dem sehenswerten Sieg gegen Schmidt-Schäffer standen zwei wenig spektakuläre Niederlagen und ein unnötiges Remis in einem technisch gewonnenen Turmendspiel gegen den Hördener Zunker entgegen. Insgesamt hätte Ralf wohl gerechterweise 1,5 Punkte mehr abrechnen dürfen. Anders sah es zur Linken von Ralfs Brett aus, wo Kurt die Klötze schob.
Damit sind wir auch schon bei unseren positiven Aushängeschildern angelangt. Niemand wird überrascht sein zu vernehmen, dass die Meister Busch und Metz das beste Schach spielten. Wohl nötigt es aber Respekt ab, wenn man erfährt, dass beide IM-würdige Leistungen hinlegten und eine Performance von ungefähr 2500 schafften. Dabei totalisierte Kurt 7,5 Punkte, während Hartmut von seinem "Hastings-Schwung" profitierte und mit 6,5 Punkten gegen starke Gegnerschaft brillierte. Dies veranlasste unseren Fahrer auf der Rückfahrt zu der Schlussfolgerung: "Hätte ich doch nur gleich ein weiteres Open gespielt."
Aber der Reihe nach: Betrachtet man die 7,5 Punkte von "Hyper, Hyper"-Kurt, so muss berücksichtigt werden, dass ihn ein Fauxpas in einer toten Remisstellung mit gleichfarbigen Läufern und vier Bauern gegen GM Krum Georgiew um eine noch bessere Bilanz brachte. Unglücklicherweise fand er das einzige Feld hinter seinem König, wo der Läufer sofort einstand. Aber bei diesem Gesamtergebnis wurden keine Mühen gescheut, um die bemerkenswerten Partien für die Nachwelt zu rekonstruieren. Es folgt Teil 1 eines sizilianischen Dreiakters, in dem unser Internet-geprüfter Kollege im Endspiel den Schweizer FM Ruefenacht (2360) überrascht.
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Ruefenacht - Busch
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Mit ähnlichem Elan wurde auch der zweite Schweizer Gegner überspielt, wobei diesmal der Coach der Schweizer Nationalmannschaft Erismann (2235) eine Gratislektion in der Kunst der sizilianischen Attacke erhielt. Wiederum weicht der weiße Könige ohne zu rochieren nach f1 aus, doch eine Rettung bedeutete dies nicht.
Mit diesem ästhetischen Schluss beendete Kurt einen erfolgreichen Schachtag, der leider nicht mit einem verdienten Brettpreis belohnt wurde.
Last but not least zu den Vorgängen am Spitzenbrett. Hier setzte sich Hartmut gekonnt mit renommierten Partnern wie GM Inkiow, IM Ekström, IM Costa aber auch mit "potentiellen Opfern" wie dem Hördener Kresovic auseinander. Am Abend in der Pizzeria gelang es uns, dem Frontmann eines seiner diesmal leider unvollendeten Glanzstücke gegen einen bulgarischen GM mit einer ELO-Zahl von 2475 zu entlocken. Also nochmals Ärmel zum dritten Akt hochgekrempelt und ran ans Brett:
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Metz - Inkiov
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Nachdem hiermit wieder einmal der Beweis geführt wurde, dass den Mutigen und Tapferen die Welt gehört, folgt der Vollständigkeit halber die nüchterne Statistik. Es wurden nur die Brettpunkte gewertet:
Runde | Gegner | Ergebnis | Platz | Mannschaft | Punkte | |
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1 | Müllheim | 2:2 | 1 | Sofia | 32:4 | |
2 | Offenburg | 2:2 | 2 | Riehen I | 28,5:7,5 | |
3 | Schwarze Pumpe Freiburg | 3,5:0,5 | 3 | Müllheim | 22,5:13,5 | |
4 | Donaueschingen | 2,5:1,5 | 4 | Kuppenheim | 21,5:14,5 | |
5 | Riehen I | 2:2 | 5 | Dreiländereck | 18:18 | |
6 | Dreiländereck | 2,5:1,5 | 6 | Offenburg | 17:19 | |
7 | Sofia (GM-Crew) | 0,5:3,5 | 7 | Donaueschingen | 13,5:22,5 | |
8 | Hörden | 3,5:0,5 | 8 | Riehen II | 10,5:25,5 | |
9 | Riehen II | 3:1 | 9 | Hörden | 10:26 | |
10 | Schwarze Pumpe Freiburg | 6,5:29,5 |
Im Fazit bleibt festzustellen, dass mit einem passablen Resultat am letzten Brett der dritte Platz ohne Mühe erreichbar war, wohingegen für einen Silberrang schon ein überdurchschnittliches Resultat an den beiden letzten Brettern erforderlich gewesen wäre.
Natürlich lässt eine Rochade-Delegation so einen Tag nicht mit einem schachlichen Teil allein ausklingen, und so verschlug es drei von uns zusammen mit Alex in die bekannte Bischweier Pizzeria. Zuvor hatten wir Ralf noch vor seine Haustüre gebracht, und ich konnte nicht umhin, ihn während der Umkircher Siegerehrung noch in einige mysteriöse Geheimnisse des erfolgreichen Tempoverlustes in der AljechinVerteidigung einzuweihen. Kurt blieb es auf der Rückfahrt erspart, sich von Hartmuts unerbittlichen Technomusikcassetten den Nerv töten zu lassen, nachdem die Drohung, den "Hyper, Hyper"-Song zu spielen, durch ein mindestens 7-aus-9-Ergebnis abgewendet war.
Als wir schließlich am Stammtisch die schachlichen Resultate verarbeitet und die Speisen verdaut hatten, ersann Hartmut noch allerhand Pläne wie die Rochade-Männer künftig durch eine Intensivierung zwischenmenschlicher Beziehungen - insbesondere zum weiblichen Geschlecht - den unaufhaltsamen Aufstieg der Schachgemeinschaft in Gang setzen werden. Doch hiervon wird einandermal zu berichten sein.