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Von Wyatt Earp und Anderen

Routine


Rochade Express, Nr. 66, Seite 7f, "Von Wyatt Earp und Anderen"
von Wolfgang Gerstner

   Wie immer am ersten Septembersonntag pilgern an die 30 Schachspieler an irgendeinen Ort in Baden, um den schnellsten Blitzer des Landes zu ermitteln. Da dieses Jahr die Gefechte in Vöhrenbach bei Villingen stattfanden, was so ziemlich den übelstgelegenen Ort Badens darstellt - Hinweg in zwei, Rückweg in drei Stunden geschafft - fehlten einige hochkarätige Titelaspiranten, z.B. Titelverteidiger Siegel sowie die vorqualifizierten Maier, Mandel und auch Hartmut, der wieder einmal arbeiten musste. So avancierte Roland Schmaltz zum haushohen Favoriten, während sich meine Wenigkeit mit etwa sieben oder acht weiteren Spielern um den zweiten Platz, der immerhin als Qualifikation zur Deutschen Einzelblitz diente, streiten würde - wenn alles seinen normalen Gang nehmen würde.

   Das größte Kontingent an Spielern stellte übrigens der Bezirk Mittelbaden, auch wenn es mir schleierhaft ist, wie das - noch dazu bei der Abwesenheit des einzigen Spitzenspielers Hartmut - zustande kommt. Mit den sechs Akteuren Jochen Klumpp, Kai Mailitis, Martin Springmann, Harald Riewe, Eckart Plaul und Alexander Krauth ist schon fast ein Fünftel des Feldes genannt - der ebenfalls qualifizierte Matthias Menge musste wie Hartmut auf seine Teilnahme verzichten - und die Tatsache, dass sie die Plätze 19, 20, 2l, 23, 27 und 31 einnahmen, spiegelt vielleicht nur teilweise ihr Leistungsvermögen wieder, ist aber dennoch bezeichnend. Jedenfalls war keiner von ihnen mit seinem Spiel so richtig zufrieden und klagte hernach über diverse verschenkte Punkte und das eigene schwache Niveau.

   Über verschenkte Punkte zu klagen, habe ich beim Blitzen längst aufgegeben, denn normalerweise halten sich verdiente und unverdiente Punkte die Waage. So war es auch dieses Mal. Ich spielte ganz gut, hatte aber auch hin und wieder einen Aussetzer oder war etwas zu langsam, was jedoch auf alle Teilnehmer zutraf, bis auf den einen, den man getrost mit dem oben zitierten Revolverexperten vergleichen könnte. Jedenfalls ist mir in Baden niemand bekannt, der dermaßen schnell taktische Verwicklungen herbeiführen und exakt berechnen kann, wie Roland Schmaltz. Nach einigen Startschwierigkeiten beherrschte er das Feld nach Belieben und gewann am Ende mit dem überwältigenden Vorsprung von satten drei Punkten.

   Mir selbst wurde mein miserabler Start, als ich acht Runden lang höchstens durchschnittlich agierte, fast zum Verhängnis. Doch im Laufe des Turniers festigte sich mein Spiel, und insbesondere gegen Schluss, als die unerfahreneren Blitzer schwankendere Leistungen erbrachten, kam ich gut in Fahrt und schaffte hinter Schmaltz den geteilten zweiten Rang. Mit mir gleichauf war der ViernheimerGünther Beikert, mit dem ich nun einen Stichkampf auszutragen hatte.

   Hatte ich vier Jahre zuvor einmal das Pech gehabt, in der dritten Stichkampfpartie um die Qualifikation zur Deutschen eine glatte Gewinnstellung gegen Ladislaus Groß auf Zeit zu verlieren, so konnte ich mich diesmal wirklich nicht beklagen. In der ersten Partie hatte ich Günther zwar schön überspielt und die Qualität gewonnen, dabei jedoch enorm viel Zeit verbraucht. Als mir kein gescheiter Gewinnplan einfiel und ich die Züge wiederholte, bot er mir remis an und mit meinem "ja" fiel meine Klappe. Von diesem Schock erholte er sich nicht mehr, ließ in der zweiten Partie einen Baüern durchlaufen und wurde mattiert. Damit konnte ich mir durchaus etwas glücklich den zweiten Qualifikationsplatz sichern.

   Mein Spiel war weit davon entfernt, zwingend zu sein, ich war meist nur schneller. Doch den hübschen Partieschluss gegen meinen Karlsruher Mannschaftsführer will ich nicht vorenthalten:











Pfrommer - Gerstner
Badische Blitzeinzelmeisterschaft, 1994

Mit der folgenden überraschenden Kombination gewinnt Schwarz entscheidendes Material: 1...Lg5 2.f4 [ Der Läufer ist wegen 2.Dxg5 Sf3+ 3.gxf3 Dxg5+ tabu.; Weiß hätte sich mit dem Qualitätsverlust nach 2.De2 Lxc1 abfinden sollen.] 2...Sg4! 3.Dd2 Die Dame muss die Diagonale a7-g1 räumen. [ 3.Dd4 Lxf4 4.Tc2 Lxh2+ 5.Kh1 Dh5 verliert sofort.] 3...Dc5+ [ Noch zwingender war 3...Lxf4 4.Dxf4 Dc5+ 5.Kh1 Sf2+ ] 4.Dd4 Dxd4+ 5.Txd4 Lxf4 und Weiß streckte wegen des Qualitätsverlustes die Waffen. 0-1



   Wie eingangs schon erwähnt, war Jochen mit seinem wechselhaften Spiel nicht sonderlich zufrieden. So holte er gegen die zwölf Erstplazierten nur zwei Punkte, wobei er zurecht dem einen oder anderen verschenkten Punkt nachtrauerte, zum Beispiel dem gegen mich. Dies alles hatte zur Folge, dass lediglich ein unbefriedigender 19. Rang heraussprang und direkt vor ihm neun Spieler rangierten, denen er normalerweise mindestens gleichzusetzen ist.


REO - Routine